Zeitpunkt Einstandspflicht des Schenkungsvermögens hinsichtlich Rückforderungsanspruchs Sozialhilfeträger – BGH X ZR 246/02
Maßgeblicher Zeitpunkt für die Einstandspflicht des Schenkungsvermögens hinsichtlich des auf den Sozialhilfeträger übergeleiteten Rückforderungsanspruchs des Schenkers
Wird einem im Sinne von § 528 Abs. 1 Satz 1 BGB bedürftigen Schenker Sozialhilfe gewährt und der Rückforderungsanspruch gegen den Beschenkten nach § 90 BSHG auf den Träger der Sozialhilfe übergeleitet, ist für die Einstandspflicht des verschenkten Vermögens die Einkommens- und Vermögenslage des Schenkers im Zeitpunkt der zur Bewilligung der Hilfe führenden Beantragung von Sozialhilfe maßgeblich, nicht dagegen die Einkommens- und Vermögenslage des Schenkers im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung über den übergeleiteten Anspruch (Ergänzung zu BGH, 20. Dezember 1985, V ZR 66/85, BGHZ 96, 380, 382).
Tenor
Die Revision gegen das am 22. Oktober 2002 verkündete Urteil des 18. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.
Von Rechts wegen
Die Beklagte ist die Mutter des D. K.
Dieser ist Miterbe zur Hälfte nach dem 1978 verstorbenen J. A. Zu dessen Nachlaß gehörte ein Grundstück.
1996 hat D. K. seinen Erbteil unentgeltlich an die Beklagte übertragen.
Vom 26. März 1999 bis zum 28. Juni 1999 und vom 24. Juli 1999 bis zum 25. Juli 1999 befand sich D. K. im Bezirkskrankenhaus H. in stationärer Behandlung.
Hierfür gewährte ihm der Kläger mit Bescheid vom 6. Mai 1999 Sozialhilfe.
Die gewährten Sozialhilfeleistungen beliefen sich auf insgesamt 22.213,56 DM.
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Mit Bescheid vom 11. August 1999 zeigte der Kläger der Beklagten gemäß § 90 BSHG an, daß er den Rückforderungsanspruch aus der Schenkung vom 26. November 1996 auf sich übergeleitet habe.
Der Bescheid ist bestandskräftig.
Der Kläger nimmt die Beklagte auf Zahlung in Höhe der geleisteten Sozialhilfe in Anspruch.
Er vertritt die Auffassung, ihm stehe gegen die Beklagte ein Schenkungsrückforderungsanspruch zu, da bei dem Sohn der Beklagten nach der Schenkung Notbedarf eingetreten sei.
Maßgeblich sei insoweit der Zeitpunkt der Gewährung von Sozialhilfe und nicht der Schluß der mündlichen Verhandlung über den Rückforderungsanspruch.
Die Beklagte ist dem Anspruch entgegengetreten und hat geltend gemacht, ihr Sohn sei wieder arbeitsfähig, gesund und habe seine Bedürftigkeit grob fahrlässig herbeigeführt. Maßgeblich für die Frage, ob der Schenker bedürftig sei, sei der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung über den Rückforderungsanspruch.
Außerdem hat sie auf ihre geringen Einkünfte verwiesen und geltend gemacht, sie habe ihren hälftigen Miteigentumsanteil an dem Grundstück für 100.000,– DM an ihre Tochter verkauft.
Den Kaufpreis habe sie zur Tilgung ihrer Schulden verwendet.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen.
Das Berufungsgericht hat das erstinstanzliche Urteil abgeändert und die Beklagte zur Zahlung von 11.357,61 € nebst 4 % Zinsen hieraus seit dem 13. April 2000 an den Kläger verurteilt.
Mit der zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Antrag auf Klageabweisung weiter.
Der Kläger tritt der Revision entgegen.
Die zulässige Revision ist unbegründet.
1. Das Berufungsgericht ist mit dem erstinstanzlichen Urteil davon ausgegangen, daß der Sohn der Beklagten seinen Miteigentumsanteil an dem Grundstück der Beklagten im Wege der Schenkung zugewendet hat. Das läßt einen Rechtsfehler nicht erkennen; davon geht auch die Revision aus.
2. Das Berufungsgericht hat den geltend gemachten Zahlungsanspruch in Höhe der vom Kläger für die Krankenhausbehandlung des Schenkers belegten und unbestrittenen Kosten aus § 528 Abs. 1 BGB hergeleitet.
Das läßt einen Rechtsfehler nicht erkennen.
Es entspricht ständiger Rechtsprechung, daß der Anspruch auf Herausgabe des Geschenks gemäß § 528 Abs. 1 Satz 1, § 812 BGB lediglich in dem Umfang besteht, in welchem der Schenkungsgegenstand zur Deckung des angemessenen Unterhalts des Schenkers erforderlich ist, so daß er bei einem nicht teilbaren Geschenk wie einem Grundstück von vornherein auf die wiederkehrende Zahlung eines der jeweiligen Bedürftigkeit des Schenkers entsprechenden Wertanteils gerichtet ist, bis der Wert des Geschenks erschöpft ist (BGHZ 94, 141, 144; 96, 380, 382; 125, 283, 284).
Davon geht auch die Revision aus.
3. Das Berufungsgericht hat den Anspruch auf Zahlung des Wertanteils für begründet gehalten, weil sich der Schenker zur Zeit der Gewährung von Sozialhilfe in einer Notlage befunden habe.
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Dazu hat das Berufungsgericht ausgeführt, die Bestätigung des behandelnden Krankenhauses vom 20. November 2000 zeige, daß der Schenker bei seiner Einlieferung arbeitsunfähig gewesen sei.
Darüber hinaus sei durch den Kostenübernahmeantrag des behandelnden Krankenhauses die Diagnose “Alkoholabhängigkeit” nachgewiesen. Schließlich habe die Beklagte selbst vorgetragen, der Schenker sei keiner geregelten Arbeit nachgegangen und nicht sozialversichert gewesen.
Daraus folge, daß sich der Schenker zur Zeit der Sozialhilfegewährung in einer Notlage befunden habe.
Die dagegen erhobenen Rügen der Revision greifen nicht durch.
Die tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts, der Schenker sei alkoholabhängig, infolge der Alkoholabhängigkeit arbeitsunfähig krank und nicht sozialversichert gewesen, zieht die Revision nicht in Zweifel.
Aus diesen Feststellungen konnte das Berufungsgericht in tatrichterlicher Würdigung ohne Rechtsverstoß den Schluß ziehen, daß der Schenker zur Zeit der Beantragung und Gewährung von Sozialhilfe außerstande war, seinen angemessenen Lebensunterhalt zu bestreiten, und sich daher in einer Notlage im Sinne von § 528 Abs. 1 Satz 1 BGB befand.
Diese rechtliche Würdigung durch das Berufungsgericht ist auch nicht deshalb rechtsfehlerhaft, weil – wie die Revision meint – aus diesen Feststellungen lediglich eine vorübergehende Notlage des Schenkers folge.
War der Schenker infolge seiner Alkoholabhängigkeit in einer gesundheitlichen Situation, die eine stationäre Behandlung von über drei Monaten erforderlich gemacht hat, wovon nach den von der Revision nicht in Zweifel gezogenen tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts auszugehen ist, dann ist die rechtliche Würdigung des Berufungsgerichts, der Schenker sei ohne ärztliche Hilfe auf Dauer nicht in der Lage gewesen, seinen angemessenen Unterhalt zu bestreiten, revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.
Tatsächliche Umstände, die dieser Würdigung entgegenstehen könnten und vom Berufungsgericht außer Acht gelassen worden seien, zeigt die Revision nicht auf.
Das Berufungsgericht hat zwar nicht ausdrücklich festgestellt, daß der Sohn der Beklagten nicht nur über keine eigenen Einkünfte, sondern darüber hinaus auch sonst über kein Vermögen verfügt hat. Gegenteiliges war von der Beklagten aber nicht behauptet worden und wird auch von der Revision nicht geltend gemacht.
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4. Die Revision macht ohne Erfolg geltend, der Annahme von Notbedarf im Sinne des § 528 Abs. 1 Satz 1 BGB stehe die von der Beklagten behauptete spätere Verbesserung der Einkommensverhältnisse ihres Sohnes entgegen, der wieder eine geregelte Arbeit aufgenommen habe; seine Unfähigkeit, die Krankenhauskosten zu tragen, sei nur vorübergehend gewesen.
Die vom Berufungsgericht aufgeworfene Rechtsfrage nach der Beweislast für den Wegfall eines Notbedarfs stelle sich nicht, weil ein Notbedarf nicht vorgelegen habe.
Für die Frage des Notbedarfs komme es zwar auf den Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung an, es könne aber offen bleiben, ob dies auch für Fälle gelte, in denen ein Schenker nur vermeintlich dauerhaft die Fähigkeit verloren habe, seinen angemessenen Unterhalt zu bestreiten, und diese Fähigkeit dann nach einem längeren Zeitraum auf Grund neuer Umstände wiedergewinne.
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs hat die Überleitungsanzeige nach § 90 BSHG zur Folge, daß der Sozialhilfeträger mit unmittelbarer Wirkung die Rechtsstellung erlangt, die der zu Lebzeiten verarmte Schenker hinsichtlich des Rückforderungsanspruchs aus § 528 Abs. 1 Satz 1 BGB innehat.
Die Überleitung erfolgt mit die ordentlichen Gerichte bindender Wirkung und erfaßt den Anspruch so, wie er im Zeitpunkt der Überleitung bestanden hat (BGHZ 94, 141, 142; 96, 380, 381).
Es ist insbesondere anerkannt, daß der Sozialhilfeträger, der Hilfe nach den Vorschriften des Bundessozialhilfegesetzes gewährt, obwohl dem Hilfeempfänger ein Anspruch gegen einen Dritten zusteht, mit seinen Leistungen für den Dritten nur in Vorlage tritt und durch die Überleitung des Anspruchs gegen den Dritten Anspruch auf Erstattung der gewährten Hilfe erlangt (BGHZ 96, 380, 383), wobei die Überleitung des Anspruchs der Durchsetzung des Grundsatzes des Nachrangs der Sozialhilfe dient (§ 2 Abs. 1 BSHG; BGH Urt. v. 14.6.1995 – IV ZR 212/94, NJW 1995, 2287) und den Zweck verfolgt, beim Sozialhilfeträger die Haushaltslage herzustellen, die bestehen würde, wenn der Dritte den Anspruch des Hilfeempfängers schon früher erfüllt hätte (BGHZ 123, 264, 267; BGH Urt. v. 14.6.1995 – IV ZR 212/94, aa0).
Insoweit übersieht die Revision, daß der Anspruch aus § 528 Abs. 1 Satz 1 BGB nicht durch die Überleitungsanzeige des Trägers der Sozialhilfe entsteht, sondern mit dem Eintritt der Bedürftigkeit des Schenkers, so daß das verschenkte Vermögen unabhängig vom Willen des Schenkers in den Grenzen der Haftung aus § 528 BGB dem Träger der Sozialhilfe gegenüber materiell-rechtlich mit der Pflicht belastet ist, die erbrachten Sozialleistungen zu erstatten.
Die Haftung des Beschenkten aus § 528 BGB hängt daher jedenfalls in Höhe der Sozialhilfeleistungen nicht davon ab, ob der Schenker noch lebt oder der Anspruch vor seinem Tod übergeleitet oder geltend gemacht wurde (BGH Urt. v. 14.6.1995 – IV ZR 212/94, aaO; Senat BGHZ 147, 288, 292).
Daraus folgt, daß mit der Geltendmachung und der daraufhin erfolgenden Gewährung von Sozialhilfe das verschenkte Vermögen mit dem Anspruch aus § 528 Abs. 1 Satz 1 BGB belastet wird, sofern der Anspruch nach § 528 Abs. 1 Satz 1 BGB bei der Geltendmachung von Sozialhilfe besteht.
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Deshalb kann sich der Beschenkte in diesen Fällen gegenüber der Inanspruchnahme aus dem übergeleiteten Anspruch nicht damit verteidigen, daß der Schenker nach Beantragung und Gewährung von Sozialhilfe wieder über Einkommen oder Vermögen verfügt.
Wird einem im Sinne von § 528 Abs. 1 Satz 1 BGB bedürftigen Schenker Sozialhilfe gewährt und der Rückforderungsanspruch gegen den Beschenkten nach § 90 BSHG auf den Träger der Sozialhilfe übergeleitet, ist daher für die Einstandspflicht des verschenkten Vermögens die Einkommens- und Vermögenslage des Schenkers im Zeitpunkt der zur Bewilligung der Hilfe führenden Beantragung von Sozialhilfe maßgeblich, nicht dagegen die Einkommens- und Vermögenslage des Schenkers im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung über den übergeleiteten Anspruch (offengelassen in BGHZ 96, 380, 382).
5. Das Berufungsgericht hat das Vorbringen der Beklagten, den ihr geschenkten Grundstücksteil an ihre Tochter verkauft, den Verkaufserlös zur Schuldentilgung verwendet zu haben und mithin entreichert zu sein, nicht durchgreifen lassen.
Es hat festgestellt, die Beklagte habe das Geschenk ihres Sohnes in Kenntnis von dessen Alkoholabhängigkeit entgegengenommen, bereits mit Schreiben vom 4. Juni 1999 im Rahmen der Anhörung nach § 24 SGB X Kenntnis von der beabsichtigten Rückforderung der Schenkung erhalten und daher den Miteigentumsanteil an dem Grundstück in Kenntnis der Bedürftigkeit ihres Sohnes, der Inanspruchnahme von Sozialhilfe und der bevorstehenden Überleitung des Anspruchs auf den Träger der Sozialhilfe an ihre Tochter verkauft.
Sie sei bösgläubig gewesen und mit dem Einwand der Entreicherung ausgeschlossen (§ 819 Abs. 1, § 818 Abs. 3 BGB).
Auch die Einrede aus § 529 Abs. 2 BGB hat das Berufungsgericht nicht durchgreifen lassen und im übrigen ausgeführt, die Beklagte sei nicht außerstande, die Leistung ohne Gefährdung ihres Lebensunterhalts zu erbringen.
Angesichts der von ihr behaupteten Einkommensverhältnisse und im Hinblick auf das bestehende mietfreie Wohnrecht sei die Aufnahme eines Darlehens zumutbar.
Auch das läßt einen Rechtsfehler nicht erkennen.
Die Auffassung des Berufungsgerichts, die Beklagte sei mit dem Einwand der Entreicherung ausgeschlossen, wird von seinen tatsächlichen Feststellungen getragen und von der Revision nicht angegriffen.
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Das Berufungsgericht ist demzufolge zu Recht von der verschärften Haftung der Beklagten nach § 819 Abs. 1, § 818 Abs. 4 BGB ausgegangen.
Durch § 818 Abs. 2 BGB wird die Haftung des Bereicherungsschuldners beschränkt, soweit nicht die verschärfte Haftung nach § 819 Abs. 1, § 818 Abs. 4 BGB eintritt.
Deshalb kann sich die Beklagte auch nicht mit der Einrede aus § 529 Abs. 2 BGB verteidigen.
Denn der nach § 818 Abs. 4, § 819 BGB verschärft haftende Bereicherungsschuldner hat nach § 279 BGB stets für seine finanzielle Leistungsfähigkeit einzustehen (BGHZ 83, 293, 299).
Das gilt auch für den Beschenkten, der wie die Beklagte auf Wertersatz wegen Notbedarfs des Schenkers in Anspruch genommen wird.
Dem entspricht, daß die Geltendmachung der Einrede nach § 529 Abs. 2 BGB dann, wenn die Voraussetzungen der verschärften Haftung nach §§ 818 Abs. 4, 819 BGB nicht vorliegen, nach der Rechtsprechung des Senats eine unzulässige Rechtsausübung darstellen kann, wenn der Beschenkte seine Leistungsunfähigkeit durch unterhaltsbezogene Mutwilligkeit selbst herbeigeführt hat, wobei Mutwilligkeit nicht nur vorsätzliches oder absichtliches, sondern auch leichtfertiges Handeln umfaßt
(Sen.Urt. v. 19.12.2000 – X ZR 146/99, NJW 2001, 1207, 1208 m.w.N.).
Zwar verwehrt nicht jede Verwertung des Vermögens im Rahmen der Lebensführung, die nach dem Zeitpunkt vorgenommen wird, zu dem der Beschenkte von seiner drohenden Inanspruchnahme hinreichende Kenntnis hat, dem Beschenkten die Berufung auf die eigene Bedürftigkeit und damit die Erhebung der Einrede aus § 529 Abs. 2 BGB unter dem Gesichtspunkt des Rechtsmißbrauchs.
Dies gilt jedoch nicht für den Beschenkten, der der verschärften Haftung nach §§ 818 Abs. 4, § 819 BGB unterliegt.
Darauf, ob – wie die Revision geltend macht – die Einkommens- und Vermögensverhältnisse der Beklagten eine Darlehensaufnahme ausschließen, kommt es deshalb nicht an.
III. Die Revision ist daher mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.
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