Zu den erbrechtlichen Folgen einer nach dem Recht der SBZ vorgenommenen Adoption

Oktober 4, 2025

Zu den erbrechtlichen Folgen einer nach dem Recht der SBZ vorgenommenen Adoption

Die Entscheidung des Oberlandesgerichts (OLG) Düsseldorf vom 02.04.2014 (Az. 3 Wx 242/13) betrifft die gesetzliche Erbfolge nach einer Frau, deren leibliche Tochter 1948 in der damaligen Sowjetischen Besatzungszone (später DDR) adoptiert wurde.

Die Kernfrage: Erb- oder nicht Erb-?

Die Hauptfrage war, ob die adoptierte Tochter (Beteiligte zu 3.) nach dem Tod ihrer leiblichen Mutter gesetzliche Miterbin ist.

Das OLG Düsseldorf entschied: Nein, die adoptierte Tochter ist nicht gesetzliche Erbin ihrer leiblichen Mutter.

Die Geschichte der Adoption und ihre Wirkung

Die Begründung des Gerichts ist komplex, da sie die Entwicklung des Adoptionsrechts in der Sowjetischen Besatzungszone (SBZ) und der Deutschen Demokratischen Republik (DDR) sowie deren Fortgeltung nach der Wiedervereinigung berücksichtigen musste.

Adoption im Jahr 1948 (SBZ) – „Einfache Adoption“

Die Adoption der Beteiligten zu 3. erfolgte im Jahr 1948 und unterlag zunächst dem damals noch geltenden Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) alter Fassung (a. F.), welches auch in der SBZ noch angewendet wurde.

Dieses alte BGB kannte nur die sogenannte „einfache Adoption“ oder „schwache Wirkung“.

Wirkung:

Bei dieser Form blieben die verwandtschaftlichen Beziehungen (und damit auch die erbrechtlichen Ansprüche) zwischen dem Kind und seiner Ursprungsfamilie (leibliche Eltern) bestehen.

Die Umwandlung in die „Volladoption“ (DDR-Recht ab 1957)

Mit der Verordnung der DDR über die Annahme an Kindes Statt vom 29. November 1956 (in Kraft getreten am 1. Januar 1957) änderte sich die Rechtslage grundlegend.

Die neue Verordnung führte die sogenannte „Volladoption“ oder „starke Wirkung“ ein.

Wirkung (§ 9 VO):

Mit der Annahme an Kindes Statt erloschen nun alle Rechte und Pflichten aus dem Verhältnis zwischen dem Kind und seinen leiblichen Verwandten. Die gesetzlichen Beziehungen des Kindes wurden vollständig auf die Adoptivfamilie übertragen.

Überführung:

Die Verordnung hob das alte BGB-Recht auf und sah grundsätzlich vor, dass sich die Wirkungen auch von vorher (also vor 1957) erfolgten Adoptionen fortan nach den neuen, strengeren Regeln der Volladoption bestimmten.

Das Gericht stellte fest, dass die 1948 erfolgte Adoption der Beteiligten zu 3. im Jahr 1957 in eine Volladoption überführt wurde. Das verwandtschaftliche Verhältnis zur leiblichen Mutter (der Erblasserin) erlosch somit zu diesem Zeitpunkt.

Das 1966 in der DDR in Kraft getretene Familiengesetzbuch (FGB) änderte an dieser Vollwirkung nichts mehr.

Zu den erbrechtlichen Folgen einer nach dem Recht der SBZ vorgenommenen Adoption

Die Rechtslage nach der Wiedervereinigung

Nach der Wiedervereinigung Deutschlands wurde die in der DDR begründete Volladoption in ihrer Wirkung bestätigt und fortgeführt.

Dies regelt Art. 234 § 13 Abs. 1 Satz 1 des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuche (EGBGB). Diese Norm sorgt dafür, dass die Vollwirkung der DDR-Adoptionen ohne Einschränkung in das Recht der Bundesrepublik überführt wird.

Das Endergebnis

Da durch die Umwandlung im Jahr 1957 die verwandtschaftliche Beziehung zwischen der Beteiligten zu 3. und ihrer leiblichen Mutter (der Erblasserin) erloschen war, bestand im Zeitpunkt des Todes der Erblasserin keine gesetzliche Erbverbindung mehr zwischen ihnen.

Die Beteiligte zu 3. ist daher nicht als gesetzliche Erbin anzusehen.

Der Antrag auf Erteilung eines Erbscheins, der sie als Miterbin auswies, wurde vom Nachlassgericht zu Recht zurückgewiesen.

Die Beschwerde der Beteiligten zu 3. beim OLG Düsseldorf hatte keinen Erfolg.

Kurz gesagt:

Obwohl die Tochter ursprünglich nur nach dem alten, „schwachen“ Adoptionsrecht adoptiert wurde, führte das spätere DDR-Recht (ab 1957) dazu, dass die Adoption automatisch in eine Volladoption umgewandelt wurde. Die Volladoption trennt das Kind vollständig von seiner Ursprungsfamilie, wodurch es keine Erbansprüche mehr gegenüber seinen leiblichen Eltern hat. Diese Rechtsfolge blieb auch nach der Wiedervereinigung gültig.

Anmerkung RA Krau

Die besprochene Entscheidung ist älter als 10 Jahre – hat sich inzwischen etwas geändert?

Die Kernaussage des Beschlusses des OLG Düsseldorf vom 02.04.2014 zur erbrechtlichen Folge einer DDR-Adoption ist nach heutigem Stand der Rechtsprechung grundsätzlich weiterhin gültig.

Fortgeltung der Volladoption und Erbrecht

Die Entscheidung bekräftigte, dass Adoptionen, die in der DDR begründet wurden, grundsätzlich die Wirkung einer Volladoption haben und dass diese Wirkung gemäß Art. 234 § 13 Abs. 1 Satz 1 EGBGB (Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuche) auch nach der Wiedervereinigung fortgilt.

Wirkung:

Die Verwandtschaftsverhältnisse (und damit das gesetzliche Erbrecht und der Pflichtteilsanspruch) zur leiblichen Familie erlöschen durch die Volladoption. Das adoptierte Kind wird vollständig in die Adoptivfamilie eingegliedert.

Art. 234 § 13 Abs. 1 EGBGB: Diese Norm regelt, dass für vor dem Beitritt begründete Annahmeverhältnisse in der DDR die Vorschriften des BGB, die eine Fortdauer der Rechtsbeziehungen zur leiblichen Familie vorsehen (1755Abs.1Satz2, 1756 BGB), nicht gelten. Dies sichert die Vollwirkung der DDR-Adoptionen.

Die Grundlage für die erbrechtliche Beurteilung, dass die Beteiligte zu 3. aufgrund der Überführung der Uraltadoption (1948) in eine Volladoption nach DDR-Recht (Verordnung von 1956) keine gesetzliche Erbin der leiblichen Mutter wurde, bleibt nach wie vor maßgeblich.

Änderungen und Ergänzungen in der Rechtsprechung

Es gab jedoch eine wichtige Entwicklung in Bezug auf rechtsstaatswidrige Adoptionen in der DDR, die über das reine Erbrecht hinausgeht:

Rehabilitierung wegen Unrechtsadoptionen

Das Verwaltungsrechtliche Rehabilitierungsgesetz (VwRehaG) ist der maßgebliche Weg, um politisch motivierte oder grob rechtsstaatswidrige Adoptionen in der DDR aufzuarbeiten.

Das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) hat in neueren Entscheidungen (z.B. Pressemitteilung Nr. 74/2023) klargestellt, dass die Regelungen in Art. 234 § 13 EGBGB über die Überleitung und Aufhebung von DDR-Adoptionen keine abschließende Regelung für Ansprüche auf verwaltungsrechtliche Rehabilitierung sind.

Folge:

Opfer rechtsstaatswidriger Adoptionen in der DDR können einen Anspruch auf Rehabilitierung ($ 1 VwRehaG) geltend machen, wenn die rechtsstaatswidrige Adoption zu den in der Vorschrift genannten Folgen geführt hat und diese noch unmittelbar schwer und unzumutbar fortwirken. Dies betrifft die Feststellung des Unrechts als Akt der Wiedergutmachung, berührt aber grundsätzlich nicht automatisch die zivilrechtlichen Adoptionsfolgen wie das Erbrecht.

Spezielle Fallgruppen und Ausnahmen

In einzelnen, sehr spezifischen Fallkonstellationen (wie etwa bei sogenannten „Uralt-Adoptionen“ vor 1957, die nicht korrekt übergeleitet wurden, oder komplexen grenzüberschreitenden Fällen) hat die Rechtsprechung seither weiter differenziert (z.B. OLG Frankfurt 2022). Das Grundprinzip der Vollwirkung nach Art. 234 $ 13 EGBGB für die meisten DDR-Adoptionen ist aber unverändert.

Zusammenfassend hat sich die Rechtslage hinsichtlich der erbrechtlichen Wirkung der regulär übergeleiteten DDR-Adoption (kein Erbrecht zur leiblichen Familie) nicht geändert. Die Rechtsprechung hat sich jedoch seither vertieft mit der Rehabilitierung von Opfern von rechtsstaatswidrigen DDR-Adoptionen befasst, was eine separate verwaltungsrechtliche Ebene darstellt.

RA und Notar Krau

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