Zu den Voraussetzungen von gerichtlichen Aufklärungsmaßnahmen bezüglich einer demenziellen Testierunfähigkeit des Erblassers

Oktober 7, 2025

Zu den Voraussetzungen von gerichtlichen Aufklärungsmaßnahmen bezüglich einer demenziellen Testierunfähigkeit des Erblassers

Die Entscheidung des Oberlandesgerichts (OLG) Düsseldorf vom 04. November 2013 (Az. 3 Wx 98/13) befasst sich mit den Aufklärungspflichten eines Nachlassgerichts im Hinblick auf die Testierfähigkeit eines Erblassers.

Der Fall: Stiftung gegen Geschwister

Im Zentrum des Falls stand ein notarielles Ehegattentestament, in dem ein Ehepaar eine Stiftung als Alleinerbin einsetzte. Nach dem Tod der Ehefrau beantragte die Stiftung einen Erbschein. Die Geschwister der verstorbenen Ehefrau legten jedoch Beschwerde ein.

Die Argumentation der Geschwister

Die Geschwister argumentierten, die Erblasserin sei zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung testierunfähig gewesen. Sie führten an, die Erblasserin habe in den letzten 20 Jahren mehrere Aneurysmen erlitten und sei „in die Demenz abgedriftet“. Sie sei ein Pflegefall der Stufe 3 gewesen und nicht mehr geschäftsfähig.

Die Sicht des Notars und des Nachlassgerichts

Der Notar, der das Testament beurkundet hatte, stellte klar, dass die Erblasserin zwar altersbedingt beeinträchtigt gewesen sei und im Rollstuhl gesessen habe, sie ihn jedoch erkannt und über den Sachverhalt informiert gewesen sei. Die Errichtung der Stiftung als Erbin sei der langjährige gemeinsame Wille beider Eheleute gewesen.

Das Amtsgericht (Nachlassgericht) forderte die Geschwister auf, konkrete Beweise für die behauptete Testierunfähigkeit (z. B. durch ärztliche Dokumente oder Benennung behandelnder Ärzte) vorzulegen. Da dies nicht erfolgte und keine belastbaren Anhaltspunkte vorlagen, sah das Gericht keine Zweifel an der Wirksamkeit des Testaments und bewilligte den Erbschein zugunsten der Stiftung.

Die Entscheidung des OLG Düsseldorf

Das OLG Düsseldorf bestätigte die Entscheidung des Amtsgerichts und wies die Beschwerde der Geschwister zurück.

Was ist Testierfähigkeit?

Zunächst stellte das Gericht klar, dass nach §2229 Abs. 4 BGB nur derjenige testierunfähig ist, der wegen einer krankhaften Störung der Geistestätigkeit, Geistesschwäche oder Bewusstseinsstörung nicht in der Lage ist, die Bedeutung seiner letztwilligen Verfügung einzusehen und danach zu handeln. Nicht jede geistige oder altersbedingte Beeinträchtigung führt automatisch zur Testierunfähigkeit.

Die Grenzen der Aufklärungspflicht

Dies ist der Kernpunkt der Entscheidung:

Das Nachlassgericht ist zwar von Amts wegen verpflichtet, alle relevanten Tatsachen zu ermitteln (§26 FamFG), diese Ermittlungspflicht ist aber begrenzt.

Zu den Voraussetzungen von gerichtlichen Aufklärungsmaßnahmen bezüglich einer demenziellen Testierunfähigkeit des Erblassers

Das OLG urteilte:

Besteht kein Anhaltspunkt dafür, dass von ärztlicher Seite eine geistige Erkrankung (wie Demenz) festgestellt oder der Erblasser wegen solcher Symptome behandelt wurde, muss das Gericht nicht von sich aus weitere, auf Testierunfähigkeit abzielende Aufklärungsmaßnahmen (wie die Einholung eines Sachverständigengutachtens) ergreifen.

Fehlende konkrete Anhaltspunkte

Im vorliegenden Fall fehlten laut OLG jegliche konkrete Anhaltspunkte für auffälliges Verhalten der Erblasserin zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung, die auf Testierunfähigkeit hindeuten könnten:

Die Behauptung der Geschwister, die Erblasserin sei „in die Demenz abgedriftet“, beruhte auf einer Vermutung ohne nachprüfbare Tatsachen oder Indizien.

Hinweise auf Alter, Pflegebedürftigkeit der Stufe 3 oder frühere Aneurysmen reichen allein nicht aus, um Zweifel an der Testierfähigkeit zu begründen.

Die Geschwister konkretisierten ihre Zweifel trotz Aufforderung nicht (z. B. durch Benennung behandelnder Ärzte).

Die persönliche Wahrnehmung des Notars zur Testierfähigkeit der Erblasserin sprach eher für deren Fähigkeit.

Da die Geschwister trotz der Möglichkeit, die behandelnden Ärzte zu benennen, dies unterließen und keine Tatsachen vorlegten, sah das Gericht keinen Raum für amtswegige Ermittlungen. Die Testierfähigkeit wird als Regelfall angesehen und muss nicht bewiesen werden – die Testierunfähigkeit muss jedoch glaubhaft gemacht werden.

Fazit

Die Entscheidung macht deutlich, dass wer die Testierfähigkeit eines Erblassers anzweifelt, konkrete, beweisbare Tatsachen vorlegen muss, die einen begründeten Verdacht auf eine schwere geistige Beeinträchtigung zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung zulassen. Allgemeine Hinweise auf Alter, Pflegebedürftigkeit oder eine allgemeine Diagnose wie „Demenz“ genügen nicht, um das Nachlassgericht zu umfangreichen, amtswegigen Ermittlungen zu verpflichten. Testierfähigkeit ist die Regel, und ihre fehlende Fähigkeit muss im Nachlassverfahren substanziiert dargelegt werden.

RA und Notar Krau

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