Zulässigkeit der Individualvereinbarung einer Quotenabgeltungsklausel

Oktober 26, 2025

Zulässigkeit der Individualvereinbarung einer Quotenabgeltungsklausel

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat in seinem Urteil vom 6. März 2024 (Az. VIII ZR 79/22) entschieden, dass eine Quotenabgeltungsklausel in einem Wohnraummietvertrag, die den Mieter bei vorzeitigem Auszug anteilig an den Kosten für noch nicht fällige Schönheitsreparaturen beteiligt, individuell vereinbart werden kann und dann wirksam ist.

Ziel dieses Urteils ist es, Klarheit über die Zulässigkeit solcher Klauseln zu schaffen, insbesondere im Unterschied zu den in Formularmietverträgen verwendeten und unwirksamen Quotenabgeltungsklauseln.

Was ist eine Quotenabgeltungsklausel?

Eine Quotenabgeltungsklausel (auch Abgeltungsklausel oder Quotenklausel genannt) regelt, dass ein Mieter, der auszieht, bevor Schönheitsreparaturen fällig sind, einen zeitanteiligen (quotalen) Betrag der voraussichtlichen Kosten für diese Reparaturen an den Vermieter zahlen muss. Sie dient dazu, den Vermieter dafür zu entschädigen, dass der Mieter die Wohnung zwar abgenutzt, aber die Schönheitsreparaturen noch nicht durchgeführt hat.

Beispiel:

Sind Schönheitsreparaturen alle fünf Jahre fällig, und der Mieter zieht nach drei Jahren aus, müsste er 3/5 (60%) der geschätzten Kosten bezahlen.

Unwirksamkeit in Formularmietverträgen (Allgemeine Geschäftsbedingungen)

Der BGH hat in früherer Rechtsprechung und nun bestätigt (Punkt 1 des Urteils) entschieden, dass standardisierte Quotenabgeltungsklauseln in vorformulierten Mietverträgen (Allgemeine Geschäftsbedingungen, AGB) unwirksam sind.

Grund:

Solche AGB-Klauseln benachteiligen den Mieter unangemessen (§ 307 Abs. 1 S. 1 BGB), da sie bei Vertragsabschluss keine sichere Einschätzung der tatsächlichen Kostenbelastung erlauben. Der Mieter müsste beim Auszug mehrere „hypothetische Betrachtungen“ (wie hoch sind die voraussichtlichen Kosten? wie viel Zeit ist seit der letzten Reparatur vergangen?) anstellen, was eine verlässliche Kalkulation unmöglich macht.

Zulässigkeit als Individualvereinbarung

Das zentrale Ergebnis des aktuellen Urteils ist die Feststellung, dass eine Quotenabgeltungsklausel wirksam sein kann, wenn sie zwischen Mieter und Vermieter individuell vereinbart wurde (Punkt 2 des Urteils).

a. Abgrenzung von AGB und Individualvereinbarung

Der Unterschied liegt darin, ob die Klausel vom Vermieter standardmäßig gestellt wurde oder ob sie ernsthaft zwischen den Parteien ausgehandelt wurde:

Formularvertrag (AGB):

Eine vom Vermieter einseitig gestellte, vorformulierte Klausel, die der Mieter nur annehmen oder ablehnen kann. Diese ist unwirksam.

Individualvereinbarung:

Eine Klausel, die der Vermieter inhaltlich zur Disposition stellt, sodass der Mieter reale Verhandlungsmöglichkeiten hatte, eigene Textvorschläge einzubringen und deren Durchsetzung zu erreichen. Diese ist grundsätzlich wirksam.

b. Keine Unwirksamkeit wegen Betriebskostenrecht

Das vorinstanzliche Gericht hatte die Klausel auch als unwirksam angesehen, selbst wenn sie individuell vereinbart worden wäre, weil sie angeblich gegen das Verbot verstoße, neben den Betriebskosten weitere Kosten (hier für Instandhaltung/Schönheitsreparaturen) auf den Mieter abzuwälzen (§ 556 Abs. 4 BGB).

Widerspruch des BGH:

Der BGH widerspricht dem. Die Pflicht zu Schönheitsreparaturen ist Teil der Instandhaltungspflicht des Vermieters (§ 535 Abs. 1 S. 2 BGB), die grundsätzlich dispositiv ist (d.h. per Vertrag abweichend geregelt werden kann).

Die Quotenabgeltungsklausel hat ihren Grund in dieser dispositiven Instandhaltungspflicht, nicht im (strengeren) Betriebskostenrecht (§ 556 BGB).

Daher steht das Betriebskostenrecht einer individuell vereinbarten Übertragung dieser Kosten (auch als Quotenklausel) nicht entgegen.

Fazit für Laien

Möchte ein Vermieter den Mieter bei Auszug an den Kosten für Schönheitsreparaturen beteiligen, muss er folgende Regeln beachten:

Standardklauseln sind tabu:

Eine vorformulierte, standardmäßige Quotenabgeltungsklausel in einem Mietvertrag ist unwirksam, weil sie den Mieter beim Vertragsschluss zu stark belastet.

Aushandeln ist der Schlüssel:

Eine solche Klausel ist nur dann wirksam, wenn sie wirklich individuell zwischen Mieter und Vermieter ausgehandelt wurde. Das bloße Anbieten von vorformulierten Alternativen oder das Verhandeln über einen geringeren Mietzins reicht dafür in der Regel nicht aus. Es muss eine echte Verhandlungssituation bestanden haben, in der der Mieter die Möglichkeit hatte, den Vertragsinhalt mitzugestalten.

Beweislast des Vermieters:

Im Streitfall muss der Vermieter beweisen, dass eine solche Individualvereinbarung tatsächlich zustande gekommen ist und die Klausel nicht nur eine versteckte AGB ist.

RA und Notar Krau

Schlagworte

Warnhinweis:

Die auf dieser Homepage wiedergegebenen Gerichtsentscheidungen bilden einen kleinen Ausschnitt der Rechtsentwicklung über mehrere Jahrzehnte ab. Nicht jedes Urteil muss daher zwangsläufig die aktuelle Rechtslage wiedergeben.

Einige Entscheidungen stellen Mindermeinungen dar oder sind später im Instanzenweg abgeändert oder durch neue obergerichtliche Entscheidungen oder Gesetzesänderungen überholt worden.

Das Recht entwickelt sich ständig weiter. Stetige Aktualität kann daher nicht gewährleistet werden.

Die schlichte Wiedergabe dieser Entscheidungen vermag daher eine fundierte juristische Beratung keinesfalls zu ersetzen.

Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.

Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.

Es soll auch nicht der falsche Anschein erweckt werden, als seien die veröffentlichten Urteile von der Kanzlei Krau erzielt worden. Das ist in aller Regel nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um einen allgemeinen Auszug aus dem deutschen Rechtsleben zur Information der Rechtssuchenden.

Benötigen Sie eine Beratung oder haben Sie Fragen? 

Rufen Sie uns an oder schreiben Sie uns eine E-Mail, damit wir die grundsätzlichen Fragen klären können.

Durch die schlichte Anfrage kommt noch kein konstenpflichtiges Mandat zustande.

Letzte Beiträge

Waage Justitia Justiz Recht Gericht

Schadensersatz-Klagen gegen Impfstoffhersteller bleiben erfolglos

November 7, 2025
Schadensersatz-Klagen gegen Impfstoffhersteller bleiben erfolglosLG Düsseldorf, Urteil vom 16.11.2023 – 3 O 141/22Urteil des LG Düsseldorf…
Waage Justiz Gericht

COVID-19-Impfstoff Comirnaty – Schmerzensgeld und Schadensersatz für zukünftige Schäden

November 7, 2025
COVID-19-Impfstoff Comirnaty – Schmerzensgeld und Schadensersatz für zukünftige SchädenWorum ging es in diesem Fall?Eine Klägerin hat den He…
Hammer Gericht Justiz Urteil Vollstreckung

Rechtskraft eines eine altrechtliche Wegedienstbarkeit verneinenden Feststellungsurteils

November 7, 2025
Rechtskraft eines eine altrechtliche Wegedienstbarkeit verneinenden FeststellungsurteilsDer Kampf um den Weg: Feststellungsklage, Dienstbarkeit…