Zum Nachweis der Erbfolge im Grundbuchverfahren wenn die Erbeinsetzung im notariellen Testament auflösend bedingt wurde (Pflichtteilsstrafklausel)

November 5, 2025

Zum Nachweis der Erbfolge im Grundbuchverfahren wenn die Erbeinsetzung im notariellen Testament auflösend bedingt wurde (Pflichtteilsstrafklausel)

OLG Schleswig, Beschluss vom 16.08.2024, 2 Wx 46/24

Nachweis der Erbfolge bei Pflichtteilsstrafklausel im Grundbuchverfahren

Wenn jemand stirbt und ein Grundstück vererbt, muss das Grundbuch (das amtliche Verzeichnis der Grundstückeigentümer) berichtigt werden. Dazu muss der neue Eigentümer – der Erbe – seine Erbenstellung nachweisen.

Das Problem: Bedingte Erbeinsetzung

Liegt ein notarielles Testament vor, reicht das oft schon aus. Aber in Ihrem Fall enthält das Testament eine sogenannte Pflichtteilsstrafklausel . Das bedeutet: Ein Kind wird zwar Erbe des länger lebenden Elternteils, ABER es verliert dieses Erbrecht automatisch wieder, wenn es nach dem Tod des zuerst verstorbenen Elternteils seinen Pflichtteil gefordert hat.

Juristen nennen das eine auflösende Bedingung der Erbeinsetzung. Sie wissen nicht, ob die Bedingung (Geltendmachung des Pflichtteils) eingetreten ist oder nicht.

Die Forderung des Grundbuchamts

Wegen dieser Ungewissheit reicht das notarielle Testament allein nicht als Nachweis der Erbfolge aus. Das Grundbuchamt (GBA) ist daher verpflichtet, einen zusätzlichen Nachweis zu verlangen. Es hat die Wahl zwischen zwei Hauptwegen:

  1. Der Erbschein: Ein offizielles Zeugnis des Nachlassgerichts über die Erbenstellung. Er ist sicher, aber teuer und zeitaufwendig.
  2. Urkunden in der Form des § 29 GBO: Das sind öffentliche Urkunden wie notarielle Erklärungen. Sie sind schneller und günstiger, müssen aber das GBA überzeugen, dass die Bedingung (Geltendmachung des Pflichtteils) NICHT eingetreten ist.

Zum Nachweis der Erbfolge im Grundbuchverfahren wenn die Erbeinsetzung im notariellen Testament auflösend bedingt wurde (Pflichtteilsstrafklausel)

Eidesstattliche Versicherung? Nicht im Grundbuch!

Das OLG Schleswig stellt klar: Eine eidesstattliche Versicherung (E.V.), wie man sie im Erbscheinsverfahren abgibt, ist kein geeignetes Mittel im Grundbuchverfahren.

  • Der Grund: Eine E.V. ist im Grundbuchverfahren nicht strafbewehrt (falsche Angaben sind nicht automatisch strafbar wie beim Nachlassgericht) – daher fehlt ihr die höhere Glaubwürdigkeit.
  • ABER: Eine vor einem Notar abgegebene E.V. gilt immerhin als einfache Erklärung in der Form des § 29 GBO und ist damit grundsätzlich als Nachweis tauglich.

Was stattdessen genügt: Die „General-Erklärung“

Die gute Nachricht ist: Ein teurer Erbschein kann vermieden werden, wenn die Erben eine besondere notarielle Erklärung abgeben. Hier kommt der vom OLG anerkannte allgemeine Erfahrungssatz ins Spiel:

  • Der Kern: Es reicht aus, wenn alle (potenziellen) Erben (hier die vier Kinder) gemeinsam vor dem Notar eine Erklärung in der Form des § 29 GBO abgeben.
  • Der Inhalt: Jeder Erbe muss erklären, dass weder er selbst NOCH (seines Wissens) die anderen Erben den Pflichtteil nach dem Tod des Erstverstorbenen geltend gemacht haben.

Der allgemeine Erfahrungssatz besagt: Wenn sich alle Geschwister (die potenziellen Konkurrenten ums Erbe) zusammentun und eine solche umfassende Erklärung abgeben, kann das Grundbuchamt davon ausgehen, dass die Aussage stimmt. Wer würde schon für die anderen lügen und damit riskieren, alles zu verlieren?

Fazit im konkreten Fall

Die ursprünglich vom Notar angebotenen Erklärungen reichten nicht aus, weil:

  • Jeder Erbe nur für sich selbst erklärt hatte, den Pflichtteil nicht geltend gemacht zu haben (es fehlte die Erklärung über die anderen Erben).
  • Die Erklärungen wurden nicht gemeinsam vor demselben Notar abgegeben.

Die Erben hatten aber noch die Möglichkeit, die umfassendere Erklärung nachzureichen und damit den Erbschein zu umgehen.

Praktischer Tipp für die Zukunft

Das Urteil zeigt, dass solche Pflichtteilsstrafklauseln in Testamenten im Grundbuchverfahren für unnötigen Aufwand sorgen. Notare raten daher heute oft dazu, stattdessen Abänderungsvorbehalte in die Testamente aufzunehmen: Wer den Pflichtteil fordert, wird vom Überlebenden aktiv enterbt (wenn dieser noch testierfähig ist). Das ist zwar weniger „automatisch,“ aber erspart den Erben später diesen Nachweis-Zirkus beim Grundbuchamt!

RA und Notar Krau

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