Zur Auslegung eines Ehe- und Verzichtsvertrags im Hinblick auf den Ausschluss auch des vorzeitigen Zugewinnausgleichs
Gerne fasse ich den Hinweisbeschluss des OLG Köln zur Auslegung eines Ehe- und Verzichtsvertrags zusammen.
Der Hinweisbeschluss des Oberlandesgerichts (OLG) Köln vom 18.09.2024 (Az. II-25 UF 69/24) befasst sich mit der Frage, wie ein Ehevertrag auszulegen ist, der den Zugewinnausgleich im Falle der Scheidung ausschließt.
Konkret ging es darum, ob dieser Ausschluss auch den sogenannten vorzeitigen Zugewinnausgleich einschließt, selbst wenn dieser im Vertrag nicht ausdrücklich genannt wurde.
In Deutschland leben Ehepaare, sofern sie nichts anderes vereinbaren, im Güterstand der Zugewinngemeinschaft. Das bedeutet, dass jeder Ehepartner sein Vermögen behält, aber im Falle einer Scheidung derjenige Ehepartner, der während der Ehe einen höheren Vermögenszuwachs (Zugewinn) erzielt hat, dem anderen die Hälfte der Differenz ausgleichen muss.
Normalerweise wird der Zugewinnausgleich erst fällig, wenn die Ehe rechtskräftig geschieden ist (§ 1372 BGB). Der vorzeitige Zugewinnausgleich (§ 1385 BGB) ist eine Ausnahme: Er kann bereits vor der Scheidung beantragt werden, wenn der andere Ehepartner z. B. das Vermögen verschwendet oder seine Ausgleichspflicht vereitelt. Die Zugewinngemeinschaft wird dann vorzeitig beendet.
Die Ehepartner hatten in ihrem notariellen Ehe- und Verzichtsvertrag den Zugewinnausgleich „für den Fall der Ehescheidung“ ausgeschlossen. Einer der Partner forderte später dennoch den vorzeitigen Zugewinnausgleich. Das OLG Köln musste nun entscheiden, ob der formulierte Ausschluss auch diesen vorzeitigen Anspruch umfasst.
Das OLG Köln kam zu dem Ergebnis, dass der Ausschluss des Zugewinnausgleichs auch den vorzeitigen Zugewinnausgleich umfasst, obwohl dieser im Vertrag nicht explizit erwähnt wurde.
Gerichte müssen Verträge so auslegen, wie es Treu und Glauben und die Verkehrssitte erfordern. Dabei ist der wirkliche Wille der Vertragspartner zu erforschen und nicht nur am buchstäblichen Wortlaut festzuhalten.
Der Begriff „Fall der Scheidung“ meint in diesem Kontext keine zeitliche Einschränkung, sondern die gesamte Situation der Scheidung.
Der Senat betonte, dass der Sinn und Zweck des vereinbarten Ausschlusses nur sein konnte, dass beide Partner auf jeglichen Ausgleich eines Zugewinns im Zusammenhang mit der Scheidung verzichten wollten.
Es war kein Interesse erkennbar, warum die Partner den Zugewinnausgleich nur für den Zeitpunkt der rechtskräftigen Scheidung, nicht aber für einen früheren Zeitpunkt hätten ausschließen wollen.
Auch wenn die Partner bei Vertragsschluss möglicherweise nicht über den vorzeitigen Ausgleich nachgedacht haben, ist die getroffene Regelung im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung so zu verstehen, dass sie diesen Fall einschließt.
Es gab keinen Anhaltspunkt dafür, dass sie ihn hätten zulassen wollen.
Die Klägerin hatte kein schützenswertes Interesse daran, die Zugewinngemeinschaft vorzeitig aufzuheben. Im Ehevertrag waren nämlich bereits die sogenannten Verfügungsbeschränkungen (§ 1365 bis § 1369 BGB) aufgehoben worden.
Diese Beschränkungen sollen in der Zugewinngemeinschaft verhindern, dass ein Ehepartner ohne Zustimmung des anderen über sein gesamtes oder wesentliches Vermögen verfügt. Da diese Beschränkungen bereits im Vertrag wegfielen, brachte die vorzeitige Aufhebung der Zugewinngemeinschaft der Klägerin keinen zusätzlichen Vorteil hinsichtlich ihrer Verfügungsgewalt über ihr eigenes Vermögen.
Der Verzicht auf die vorzeitige Beendigung der Zugewinngemeinschaft war nicht sittenwidrig, da der Klägerin dadurch keine Rechte verloren gingen, die den Kernbereich des Scheidungsfolgenrechts berühren. Sie hatte bereits uneingeschränkte Verfügungsgewalt über ihr Vermögen, da die Verfügungsbeschränkungen im Ehevertrag aufgehoben waren.
Der Beschluss verdeutlicht, dass bei der Auslegung eines Ehevertrages nicht nur auf den genauen Wortlaut geachtet wird. Vielmehr entscheidet der erkennbare Wille und der Gesamtzweck der Vereinbarung. Wenn ein Ehevertrag den Zugewinnausgleich im Scheidungsfall ausschließt, ist damit in aller Regel auch der vorzeitige Zugewinnausgleich mit gemeint, da die Ehepartner offensichtlich auf jegliche Ausgleichsansprüche verzichten wollten.
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