Zur Gewinnerzielungsabsicht bei langjährigen gewerblichen Verlusten

Oktober 19, 2025

Zur Gewinnerzielungsabsicht bei langjährigen gewerblichen Verlusten

Gerne fasse ich das Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 21.05.2025 – III R 45/22 zusammen. Es geht dabei um die Frage, wann Verluste aus einer gewerblichen Tätigkeit vom Finanzamt anerkannt werden, insbesondere wenn über viele Jahre Verluste entstehen.

Worum geht es in dem Urteil?

Das Urteil befasst sich mit der Gewinnerzielungsabsicht bei gewerblichen Tätigkeiten, die über einen langen Zeitraum Verluste machen. Nur wenn die Absicht besteht, auf lange Sicht einen Gesamtgewinn (Totalgewinn) zu erzielen, erkennt das Finanzamt die Verluste steuerlich an. Fehlt diese Absicht, wird die Tätigkeit als „Liebhaberei“ eingestuft, und die Verluste sind privat veranlasst und steuerlich irrelevant.

Im konkreten Fall ging es um einen Kläger, der eine historische „Burg“ und weitere Gebäude saniert und zur gewerblichen Vermietung (Gästehaus, Veranstaltungen etc.) nutzen wollte. Über viele Jahre (2008 bis 2016) fielen dabei erhebliche Verluste an, unter anderem wegen Sanierungsstopps.

Der Kernpunkt: Die Totalgewinnprognose

Um die Gewinnerzielungsabsicht zu prüfen, wird eine Totalgewinnprognose erstellt. Diese soll zeigen, ob über die gesamte Dauer der Geschäftstätigkeit – von Beginn bis zur Beendigung – insgesamt ein Gewinn erwartet werden kann.

Fehler des Finanzgerichts (FG)

Das zunächst zuständige Finanzgericht (FG) hatte entschieden, dass mögliche zukünftige Gewinne aus dem Verkauf des Betriebs oder der Betriebsaufgabe (sogenannte stille Reserven, also der Wertzuwachs des Vermögens, wie z.B. der Burg) bei dieser Prognose nicht berücksichtigt werden dürfen. Die Begründung des FG war, dass diese stillen Reserven nicht bereits bei Betriebsbeginn in einem formalen Betriebskonzept erfasst und dokumentiert wurden. Das FG hatte die Verluste des Klägers daher nicht anerkannt.

Die Korrektur durch den BFH

Der BFH widerspricht dieser strengen Auffassung des Finanzgerichts. Er stellt klar, dass es keine Voraussetzung für die Berücksichtigung von stillen Reserven (wie einem möglichen späteren Veräußerungsgewinn) ist, dass diese bereits zu Beginn der Tätigkeit in einem Betriebskonzept erfasst wurden.

Argument:

Die Höhe und die Entstehung stiller Reserven, die oft aus Wertsteigerungen von Grundstücken oder Gebäuden entstehen, sind bei Betriebsbeginn denklogisch kaum präzise zu planen oder zu dokumentieren. Eine solche Forderung wäre unrealistisch.

Zur Gewinnerzielungsabsicht bei langjährigen gewerblichen Verlusten

Wichtig:

Stille Reserven, die bei einer zukünftigen Veräußerung oder Aufgabe des Betriebs voraussichtlich zu steuerbaren Gewinnen führen, müssen in die Totalgewinnprognose einbezogen werden, sowohl bei Gewerbebetrieben als auch in der Land- und Forstwirtschaft.

Ergebnis und Auswirkungen

Der BFH hat das Urteil des Finanzgerichts aufgehoben und den Fall zurückverwiesen. Das bedeutet:

Das Finanzgericht muss nun im zweiten Anlauf erneut prüfen, ob der Kläger die Gewinnerzielungsabsicht hatte.

Dabei muss das FG die möglichen stillen Reserven (also den erwarteten Wertzuwachs der sanierten Burg und Gebäude) als Teil des Totalgewinns berücksichtigen und deren Höhe schätzen.

Nur wenn sich selbst unter Berücksichtigung dieser stillen Reserven kein Gesamtgewinn erwarten lässt, darf das Finanzgericht die Tätigkeit des Klägers als Liebhaberei einstufen.

Hinweise für den weiteren Prozess

Der BFH gibt dem FG noch Hinweise für die erneute Prüfung mit:

Es muss genauer geklärt werden, welche Teile des Anwesens (Burg, Speicher, Stall) welchem Zweck dienten: der gewerblichen Vermietung, der Land- und Forstwirtschaft oder der privaten Nutzung.

Es muss untersucht werden, ob sich die Nutzungsabsicht des Klägers im Laufe der Zeit geändert hat und welche betriebswirtschaftlichen Überlegungen er tatsächlich angestellt hat.

Fazit:

Das Urteil stärkt die Position von Steuerpflichtigen, die in Projekte mit hohem Anfangsverlust und langer Anlaufphase investieren (wie z.B. Sanierung denkmalgeschützter Immobilien). Es stellt klar, dass zukünftige Wertsteigerungen (stille Reserven) auch dann zur Annahme einer Gewinnerzielungsabsicht beitragen können, wenn sie zu Beginn des Projekts nicht detailliert geplant waren, solange sie realistisch zu erwarten sind und insgesamt zu einem positiven Gesamtergebnis führen können.

RA und Notar Krau

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