Zur Löschung eines mit Wegzugsklausel bestellten Wohnungsrechts im Grundbuch mittels Vorlage einer Meldebescheinigung

November 5, 2025

Zur Löschung eines mit Wegzugsklausel bestellten Wohnungsrechts im Grundbuch mittels Vorlage einer Meldebescheinigung

Zusammenfassung des OLG-Beschlusses (München, 30.07.2024, 34 Wx 134/24e)


Das verflixte Wohnungsrecht und die Wegzugsklausel

Worum ging es?

Stellen Sie sich vor, jemand hat ein Wohnungsrecht an einer Immobilie (darf dort wohnen, auch wenn es einem anderen gehört). Dieses Recht ist im Grundbuch eingetragen, was es sehr sicher macht. Nun wurde dieses Recht aber mit einer „Wegzugsklausel“ versehen. Das bedeutet: Das Wohnungsrecht erlischt automatisch (ist auflösend bedingt), wenn die berechtigte Person das Haus dauerhaft verlässt und ihren Lebensmittelpunkt verlegt.

Im konkreten Fall wollte die Eigentümerin (die Tochter) das Wohnungsrecht ihrer Mutter im Grundbuch löschen lassen, weil die Mutter ausgezogen war. Der Notar reichte dafür eine Meldebescheinigung ein, aus der hervorging, dass die Mutter seit Jahren woanders gemeldet ist.

Das Problem mit dem Grundbuchamt

Das Grundbuchamt weigerte sich, das Recht zu löschen, und bekam vom Oberlandesgericht (OLG) München Recht.

Der Grund: Um ein eingetragenes Recht ohne die Zustimmung des Berechtigten (der Mutter) zu löschen, muss der Eigentümer die Unrichtigkeit des Grundbuchs mit öffentlichen Urkunden beweisen (§ 22 GBO, § 29 GBO). Die Hürden dafür sind sehr hoch, da das Grundbuchverfahren keine „Streitschlichtung“ für unklare Tatsachen ist.

Zur Löschung eines mit Wegzugsklausel bestellten Wohnungsrechts im Grundbuch mittels Vorlage einer Meldebescheinigung

Warum die Meldebescheinigung nicht ausreicht

  • Öffentliche Urkunde, aber schwache Beweiskraft: Die Meldebescheinigung (§ 18 Abs. 2 BMG) ist zwar eine öffentliche Urkunde (wie in § 415 ZPO), aber ihre Beweiskraft ist eingeschränkt.
  • Kein Nachweis der tatsächlichen Nutzung: Die Bescheinigung beweist nur, welche Daten aktuell im Melderegister gespeichert sind. Sie beweist lediglich, dass ein Wohnungswechsel gemeldet wurde. Sie sagt aber nichts darüber aus, ob die Person die ursprüngliche Wohnung tatsächlich dauerhaft verlassen hat und nicht mehr nutzt.
  • Der Kern der Klausel: Die im Vertrag vereinbarte Bedingung war das tatsächliche dauerhafte Verlassen des Anwesens und die Verlegung des Lebensmittelpunkts, nicht nur eine formale Abmeldung.

Kurz gesagt: Melden ist das eine, Ausziehen und den Lebensmittelpunkt verlegen das andere. Für die Löschung im Grundbuch braucht man wasserdichte Beweise. Ein „gewisser Grad an Wahrscheinlichkeit“ genügt hier nicht.

Das OLG München sagt: Die Wegzugsklausel ist an sich OK, aber…

  • Bestimmbarkeit: Das Gericht hält fest: Eine Bedingung wie „dauerhaftes Verlassen des Anwesens“ ist grundsätzlich objektiv bestimmbar und damit für ein dingliches Recht zulässig (anders als vielleicht ein völlig unklares Ereignis). Es bedeutet die Aufgabe des Wohnsitzes mit dem Willen, den Schwerpunkt des Lebens nicht mehr dort zu haben.
  • Die Praxis ist knifflig: Obwohl die Bedingung bestimmbar ist, ist ihr Eintritt im Nachhinein kaum mit öffentlichen Urkunden beweisbar. Man müsste quasi lückenlos beweisen, dass der Berechtigte das Recht nicht mehr ausübt – eine fast unmögliche Aufgabe.

Fazit und Was man besser machen kann

Weil der Nachweis der Unrichtigkeit so schwer ist, bleibt in solchen Fällen oft nur der Weg über eine Löschungsbewilligung des Berechtigten selbst (§ 19 GBO). Wenn dieser die Bewilligung verweigert, obwohl das Recht erloschen ist, muss man ihn ggf. verklagen (§ 894 BGB). Viel Aufwand und Streit!

Der goldene Tipp für die Zukunft: Die Vertragsparteien hätten bei der Bestellung des Wohnungsrechts sogenannte Löschungserleichterungen vereinbaren können. Sie hätten also bestimmen können, dass das Wohnungsrecht spätestens dann erlischt, wenn dem Grundbuchamt eine Meldebescheinigung (oder eine notarielle Eigenurkunde) vorgelegt wird, aus der die Abmeldung des Berechtigten hervorgeht.

Merke: Wer schwere Beweislasten vermeiden will, muss im Voraus klare, leicht nachweisbare Regeln für das Löschen des Rechts im Grundbuch schaffen.


RA und Notar Krau

Schlagworte

Warnhinweis:

Die auf dieser Homepage wiedergegebenen Gerichtsentscheidungen bilden einen kleinen Ausschnitt der Rechtsentwicklung über mehrere Jahrzehnte ab. Nicht jedes Urteil muss daher zwangsläufig die aktuelle Rechtslage wiedergeben.

Einige Entscheidungen stellen Mindermeinungen dar oder sind später im Instanzenweg abgeändert oder durch neue obergerichtliche Entscheidungen oder Gesetzesänderungen überholt worden.

Das Recht entwickelt sich ständig weiter. Stetige Aktualität kann daher nicht gewährleistet werden.

Die schlichte Wiedergabe dieser Entscheidungen vermag daher eine fundierte juristische Beratung keinesfalls zu ersetzen.

Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.

Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.

Es soll auch nicht der falsche Anschein erweckt werden, als seien die veröffentlichten Urteile von der Kanzlei Krau erzielt worden. Das ist in aller Regel nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um einen allgemeinen Auszug aus dem deutschen Rechtsleben zur Information der Rechtssuchenden.

Benötigen Sie eine Beratung oder haben Sie Fragen? 

Rufen Sie uns an oder schreiben Sie uns eine E-Mail, damit wir die grundsätzlichen Fragen klären können.

Durch die schlichte Anfrage kommt noch kein konstenpflichtiges Mandat zustande.

Letzte Beiträge

Notar Schild

Zur Löschung der Berechtigung eines Miterben an einem Grundstück aus dem Grundbuch infolge einer Abschichtungsvereinbarung

November 5, 2025
Zur Löschung der Berechtigung eines Miterben an einem Grundstück aus dem Grundbuch infolge einer AbschichtungsvereinbarungScheidet ein Miterbe d…
bell jar, church bell, bell tower, bronze bell

Grundbuchsache: Unbeschränktes Nutzungsrecht als Inhalt einer Grunddienstbarkeit

November 4, 2025
Grundbuchsache: Unbeschränktes Nutzungsrecht als Inhalt einer GrunddienstbarkeitBGH, Beschluss vom 06.11.2014 – V ZB 131/13Vorinstanzen…

Geschäftsgrundlage eines Erbbaurechtsvertrages: Störung des Äquivalenzverhältnisses

November 4, 2025
Geschäftsgrundlage eines Erbbaurechtsvertrages: Störung des ÄquivalenzverhältnissesVorinstanzen:LG Frankfurt/Main, Entscheidung vom 02.03.20…