Zur Mitunternehmerstellung des durch einen Nießbrauch an einem Kommanditanteil Begünstigten
Das Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 02. Juli 2025 (Az. IV R 36/22) behandelt eine zentrale Frage im Erbschafts- und Gesellschaftssteuerrecht: Bleibt jemand, der seinen Anteil an einer Personengesellschaft (hier: Kommanditgesellschaft, KG) verschenkt, sich aber ein sogenanntes Nießbrauchrecht (Recht auf Fruchtziehung, d.h. die Gewinne) vorbehält, weiterhin steuerlicher Mitunternehmer der Gesellschaft?
Der BFH stellte klar, dass dies in dem verhandelten Fall nicht der Fall ist. Die Entscheidung hat wichtige Konsequenzen für die Gestaltung von Vermögensübertragungen im Rahmen der vorweggenommenen Erbfolge.
Im Kern ging es um einen Mann (den Kläger), der seinen Kommanditanteil an einer KG im Wege der vorweggenommenen Erbfolge an seine Söhne verschenkte.
Die Schenkung war mit zwei Auflagen verbunden:
Es musste zugunsten einer Holdinggesellschaft (deren Gesellschafter der Vater war) ein Nießbrauch an 70 % der künftigen entnahmefähigen Gewinne bestellt werden. Der Vater behielt sich also das Recht auf den Großteil der Gewinnausschüttungen vor.
Die Söhne mussten den erhaltenen Anteil sofort in eine Familien-Holding-KG (die Beigeladene F KG) einbringen.
Das Finanzamt sah den Vater trotz der Schenkung weiterhin als Mitunternehmer der KG an. Die Begründung: Er übte durch den vorbehaltenen Nießbrauch weiterhin maßgeblichen Einfluss aus und ihm stand der Großteil der Gewinne zu. Dies hätte zur Folge gehabt, dass der auf ihn entfallende Gewinnanteil direkt bei ihm besteuert worden wäre.
Für das Steuerrecht ist ein Gesellschafter nur dann ein Mitunternehmer im Sinne des Einkommensteuergesetzes, wenn zwei wesentliche Merkmale erfüllt sind:
Die Möglichkeit zur Teilnahme an unternehmerischen Entscheidungen (z.B. Stimm- und Kontrollrechte).
Die Teilhabe am Erfolg und Misserfolg des Unternehmens. Dies bedeutet in der Regel eine Beteiligung am Gewinn und Verlust sowie an den stillen Reserven (im Laufe der Zeit entstandene, aber noch nicht realisierte Wertsteigerungen) des Gesellschaftsvermögens.
Beide Merkmale müssen gegeben sein. Eine besonders starke Initiative kann ein fehlendes Risiko nicht ausgleichen.
Der BFH entschied, dass der Vater durch den vorbehaltenen Nießbrauch kein Mitunternehmerrisiko mehr trug und damit nicht länger Mitunternehmer war.
Das gesetzliche Leitbild des Nießbrauchs sieht vor, dass der Nießbraucher (hier: der Vater) nur die Früchte (die Gewinne) zieht. Er ist nicht verpflichtet, die Verluste der Gesellschaft zu tragen.
Im konkreten Fall schlossen die Verträge eine Beteiligung des Vaters an den Verlusten ausdrücklich aus.
Die bloße Tatsache, dass der Nießbraucher bei Verlusten künftig keine Gewinne mehr erhält, weil sein Kapitalanteil aufgefüllt werden muss, ist kein unternehmerisches Verlustrisiko. Ein solches Risiko liegt nur vor, wenn sein eigenes Vermögen durch Verluste der Gesellschaft belastet werden kann. Dies war hier nicht der Fall.
Die stillen Reserven und andere außerordentliche Gewinne standen nach den vertraglichen Regelungen allein den Gesellschaftern (den Söhnen bzw. der F KG) zu, nicht aber dem Nießbraucher. Auch dieser Punkt, der eine Teilhabe am gesamten Vermögenswert des Unternehmens voraussetzt, war nicht erfüllt.
Da der Vater kein Mitunternehmerrisiko trug, war er nach der Übertragung kein Mitunternehmer mehr.
Da der Vater nicht mehr Mitunternehmer war, konnte ihm kein Anteil am Gesamtgewinn der KG zugerechnet werden.
Der gesamte Gewinnanteil muss nun der neuen Gesellschafterin, der F KG, zugerechnet werden.
Die Auszahlung der 70 % des Gewinns an den Vater aufgrund des Nießbrauchs ist steuerlich lediglich eine Gewinnverwendung (also eine Art privater Entnahme) bei der F KG, die den gesamten Gewinn der KG nicht mindert.
Die Kläger argumentierten hilfsweise, dass die Übertragung der Anteile nicht unentgeltlich (als Schenkung) erfolgte, sondern als entgeltlich (bezahlt) anzusehen sei, da der Nießbrauch als eine Art Gegenleistung zu werten sei. Wäre die Übertragung entgeltlich, hätte die F KG Anschaffungskosten gehabt, die über eine Ergänzungsbilanz steuermindernd geltend gemacht werden könnten.
Der BFH lehnte dies ebenfalls ab:
Die F KG hat die Anteile nicht direkt vom Vater erworben, sondern von den Söhnen (die sie zuvor geschenkt bekommen hatten).
Der Vorbehaltsnießbrauch – d.h. die Schenkung eines Wirtschaftsguts (hier: des KG-Anteils) unter Vorbehalt der Nutzungsrechte durch den Schenker – gilt nicht als Gegenleistung. Der Beschenkte (hier: die Söhne bzw. die F KG) erwirbt von vornherein nur das bereits mit dem Nießbrauch belastete Vermögen. Es handelt sich somit um eine unentgeltliche (geschenkte) Übertragung.
Eine steuermindernde Ergänzungsbilanz konnte für die F KG nicht festgestellt werden.
Das Urteil ist ein klares Signal für die steuerliche Würdigung von Nießbrauchsgestaltungen im Rahmen der vorweggenommenen Erbfolge bei Personengesellschaften:
Der Nießbraucher, der sich lediglich die Gewinne vorbehält und keine Verluste oder stillen Reserven trägt, ist kein Mitunternehmer mehr.
Die Zahlung aufgrund des Nießbrauchs ist eine Gewinnverwendung (Privatsache des Gesellschafters), die den Gesamtgewinn der Gesellschaft nicht mindert.
Der vorbehaltene Nießbrauch führt nicht dazu, dass die Vermögensübertragung als entgeltliche (bezahlte) Anschaffung gilt, welche eine steuerliche Ergänzungsbilanz rechtfertigen würde.
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