Zur Unwirksamkeit der Bewilligung einer Vormerkung wegen Verstoßes gegen Treu und Glauben
Gericht: OLG Frankfurt 5. Zivilsenat
Entscheidungsdatum: 27.06.2025
Aktenzeichen: 5 W 16/25
Dokumenttyp: Beschluss
Dieser Beschluss des Oberlandesgerichts Frankfurt befasst sich mit der Frage, ob eine im Grundbuch eingetragene Vormerkung wegen eines Verstoßes gegen Treu und Glauben (Rechtsmissbrauch) unwirksam sein kann und ob ein Widerspruch dagegen eingetragen werden muss.
Grundstück und Schenkung (1996): Der Vater der Antragstellerin (A) schenkte seinen zwei älteren Kindern (V1 und V2) das Grundstück je zur Hälfte. Diese sollten einen Teil davon (jeweils 1/6) an die damals minderjährige A weiterverschenken. Die Schenkung an A war aufschiebend bedingt bis zu ihrer Volljährigkeit (2001). V2 erteilte A eine unwiderrufliche Vollmacht zur Durchführung der Schenkung.
A nahm das Schenkungsangebot von V2 im November 2024 an und erklärte die Auflassung (Einigung über den Eigentumsübergang) in notarieller Form. Der Notar wies A ausdrücklich auf die Möglichkeit hin, eine Auflassungsvormerkung zur Sicherung ihres Anspruchs eintragen zu lassen, was A aber ablehnte.
V2 (Bruder von A) ließ im Februar 2025 zugunsten der Antragsgegnerin (AG), einer von ihm beherrschten Gesellschaft, eine Auflassungsvormerkung an seinem Miteigentumsanteil im Grundbuch eintragen.
Im Mai 2025 wurde A mit ihrem 1/6-Anteil als Miteigentümerin eingetragen.
A sah in der Vormerkung zugunsten der AG einen Rechtsmissbrauch (§ 242 BGB) durch ihren Bruder V2, der sie am Erwerb des ihr zugedachten Anteils hindern wollte. Sie forderte daher die Eintragung eines Widerspruchs gegen diese Vormerkung im Grundbuch. Das Landgericht lehnte dies ab.
Das OLG wies die sofortige Beschwerde der Antragstellerin zurück.
Das Gericht stellte fest, dass ein Widerspruch (§ 899 BGB) gegen eine Vormerkung nur dann in Betracht kommt, wenn die Vormerkung selbst unwirksam ist (z. B. wegen Formfehler). Besteht aber der durch die Vormerkung gesicherte Anspruch gar nicht (hier: der Anspruch der AG auf Eigentumsübertragung), ist die Vormerkung nicht widerspruchsfähig.
Da A selbst argumentiert hatte, der Vertrag zwischen V2 und der AG sei wegen Rechtsmissbrauchs nichtig (also der gesicherte Anspruch fehle), sei ein Widerspruch nicht der richtige Weg.
Selbst wenn man annimmt, dass V2 von der Annahme der Schenkung durch A wusste, als er die Vormerkung für die AG bewilligte, sah das OLG keinen Verstoß gegen Treu und Glauben, der die Vormerkung unwirksam machen würde.
A hat nunmehr das Eigentum erhalten (sie ist im Mai 2025 eingetragen worden). Die Vormerkung der AG kann A nicht mehr daran hindern. Die Vormerkung der AG kann lediglich dazu führen, dass die AG von A die Übertragung des Anteils verlangen kann, da ihr Anspruch (gegen V2) im Verhältnis zu A durch die Vormerkung „besser“ gesichert war. Gegen diesen Anspruch könnte A aber wiederum Einwände erheben (z. B. Sittenwidrigkeit des Geschäfts zwischen V2 und AG).
A hat gegenüber V2 vertragliche Ansprüche aus der Schenkung (auf die Übergabe eines lastenfreien Anteils). Sollte V2 die Löschung der Vormerkung nicht erreichen, liegt ein Rechtsmangel vor. V2 könnte gegenüber A zum Schadensersatz verpflichtet sein (wegen vorsätzlichen Verhaltens).
A wurde vom Notar ausdrücklich auf die Möglichkeit hingewiesen, ihren eigenen Anspruch durch eine Vormerkung zu sichern, was sie ablehnte. Das OLG betont, dass das Immobiliarsachenrecht mit der Vormerkung einen Mechanismus bietet, um diesen Interessenskonflikt (mehrfache Veräußerung) zu lösen. Treu und Glauben gebieten es nicht, einer Person den Schutz einer Vormerkung zuzuerkennen, die zuvor bewusst darauf verzichtet hat. A hätte ihren Anspruch sichern können. Hätte A die Vormerkung eintragen lassen, wäre diese wahrscheinlich vor der Vormerkung der AG im Grundbuch eingetragen worden und hätte den besseren Rang gehabt.
Das Gericht hat entschieden, dass der Bruder V2 zwar widersprüchlich gehandelt hat, indem er einen versprochenen Anteil später mit einer Vormerkung belastet hat. Dieses Verhalten führt aber nicht zur Unwirksamkeit der Vormerkung wegen Rechtsmissbrauchs. Ausschlaggebend war, dass:
Der Fall durch die bereits erfolgte Eigentumseintragung von A rechtlich entschärft ist.
A selbst auf den einfachen und sicheren Weg der Vormerkung zur Sicherung ihres eigenen Anspruchs verzichtet hatte, obwohl sie darauf hingewiesen wurde.
Das Grundbuch wurde als nicht unrichtig angesehen, der Widerspruch wurde abgelehnt.
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