Zur Wahrung der gesellschaftsvertraglichen Anfechtungsfrist

November 1, 2025

Zur Wahrung der gesellschaftsvertraglichen Anfechtungsfrist

Gericht: LG Darmstadt 18. Zivilkammer
Entscheidungsdatum: 05.05.2025
Aktenzeichen: 18 O 5/24
Dokumenttyp: Urteil

Urteil des LG Darmstadt: Gesellschafterstreit und verpasste Fristen

Das Landgericht (LG) Darmstadt wies in diesem Urteil die Klage eines Gesellschafters (Kläger) einer GmbH gegen seine Mitgesellschafterin und die Gesellschaft (Beklagte) ab. Der Kläger wollte Beschlüsse einer Gesellschafterversammlung vom 27. Dezember 2023 anfechten und die Wirksamkeit seiner eigenen Beschlüsse feststellen lassen.

Die verspätete Klagezustellung und der zu niedrige Streitwert

Der Hauptgrund für die Abweisung der Klage (Anträge 1 bis 8) war die Nichteinhaltung der gesellschaftsvertraglichen Anfechtungsfrist von einem Monat.

Fristende:

Die Anfechtungsklage gegen die Beschlüsse vom 27.12.2023 musste spätestens am 29.01.2024 zugestellt sein.

Tatsächliche Zustellung:

Die Klage wurde der Beklagten jedoch erst am 18.10.2024 zugestellt – viel zu spät.

Grund:

Die Zustellung gilt nur dann als fristgerecht („demnächst“ im Sinne der Zivilprozessordnung, § 167 ZPO), wenn der Kläger alle notwendigen Schritte unternommen hat. Hier hat der Kläger in der Klageschrift den Streitwert bewusst viel zu niedrig (25.000 € statt später festgesetzter 7.396.464 €) angegeben.

Folge:

Da der Kläger durch die falsche Angabe eine zu geringe Gerichtskostenvorauszahlung veranlasste, war das Gericht nicht verpflichtet, die Klage zuzustellen. Die Zustellung erfolgte erst, nachdem der Kläger am 25.07.2024 den vollen, korrigierten Kostenvorschuss gezahlt hatte. Diese Verzögerung von über zwei Monaten lastete das Gericht dem Kläger als nachlässiges Verhalten an, wodurch die Zustellung nicht mehr als „demnächst“ galt. Die Anfechtungsfrist war somit verpasst.

Zur Wahrung der gesellschaftsvertraglichen Anfechtungsfrist

Unwirksame Beschlüsse der „wiedereröffneten“ Versammlung

Die weiteren Klageanträge (9 bis 11), mit denen der Kläger die Wirksamkeit seiner in der vermeintlich „wiedereröffneten“ Gesellschafterversammlung gefassten Beschlüsse (u.a. Abberufung des Mitgesellschafters) feststellen lassen wollte, wurden ebenfalls abgewiesen.

Kein kompetenzwidriger Abbruch:

Der Versammlungsleiter schloss die Versammlung, nachdem alle von seinem Lager auf die Tagesordnung gesetzten Punkte behandelt waren. Das LG sah dies nicht als „kompetenzwidrigen Abbruch“, der eine Fortsetzung erlaubt hätte.

Unwirksame Ergänzung der Tagesordnung (TOP):

Der Kläger hatte seine zusätzlichen Tagesordnungspunkte durch Selbsthilfe (§ 50 Abs. 3 GmbHG) ergänzt, da er befürchtete, dass der Mitgesellschafter dem Ergänzungsverlangen nicht nachkommen würde. Das Gericht urteilte, dass diese Selbsthilfe unwirksam war. Der Mitgesellschafter hatte die Ergänzung der TOP zwar bestätigt, musste aber noch Zeit haben, die ergänzte TOP formgerecht zu versenden (Frist bis zum 15.12.2023). Der Kläger nutzte sein Selbsthilferecht aber schon am 15.12.2023, bevor diese Frist ablief, und handelte damit zu früh.

Keine wirksame Fortsetzung:

Da die Versammlung vom Versammlungsleiter ordnungsgemäß geschlossen wurde und die vom Kläger eingebrachten TOPs nicht wirksam ergänzt waren, waren die daraufhin vom Kläger gefassten Beschlüsse nicht im Rahmen einer ordnungsgemäßen Gesellschafterversammlung zustande gekommen.

Keine Aussetzung wegen Vorprozessen

Das LG lehnte zudem den Antrag auf Aussetzung des Verfahrens ab, obwohl noch andere Prozesse zwischen den zerstrittenen Brüdern (u.a. über die Wirksamkeit einer früheren Abberufung des Klägers) liefen. Das Gericht sah den vorliegenden Rechtsstreit als entscheidungsreif an, da die Klage bereits aus den genannten Formgründen (verpasste Frist und unwirksame Beschlussfassung) abgewiesen werden musste.

Fazit:

Die Klage des Gesellschafters scheiterte hauptsächlich daran, dass er die gesetzliche Frist zur Anfechtung der Beschlüsse durch bewusste Falschangabe des Streitwerts verstreichen ließ und seine eigenen Beschlüsse in einer nicht ordnungsgemäß ergänzten und beendeten Versammlung fasste.

RA und Notar Krau

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