Zur wirtschaftlichen Identität von Klage und Widerklage

März 17, 2025

Zur wirtschaftlichen Identität von Klage und Widerklage

RA und Notar Krau

In dem Beschluss des Oberlandesgerichts (OLG) Karlsruhe vom 10. Dezember 2024 (14 W 53/24) wurde die Frage der wirtschaftlichen Identität von Klage und Widerklage

im Rahmen der Streitwertfestsetzung gemäß § 45 Abs. 1 S. 1 und 3 des Gerichtskostengesetzes (GKG) behandelt.

Sachverhalt

Die Klägerin, Schwester der Beklagten zu 1) und Tante der Beklagten zu 2) und 3), erhob Klage gegen die Beklagten als Miterben einer Erbengemeinschaft

und als Gesellschafterinnen einer in Liquidation befindlichen Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR).

Die Klage umfasste zwei Hauptforderungen:

Wertersatz für die Löschung eines im Grundbuch eingetragenen Wohnrechts.
Feststellung eines gesellschaftsrechtlichen Auszahlungsanspruchs nach Schlussrechnung.

Die Beklagten erhoben Widerklage und verlangten die Zustimmung zu einem bestimmten Aufteilungsplan des Nachlasses.

Zur wirtschaftlichen Identität von Klage und Widerklage

Entscheidung des OLG Karlsruhe

Das OLG Karlsruhe entschied, dass zwischen der Klage und der Widerklage keine wirtschaftliche Identität im Sinne von § 45 Abs. 1 S. 3 GKG besteht.

Daher seien die Streitwerte von Klage und Widerklage gemäß § 45 Abs. 1 S. 1 GKG zusammenzurechnen.

Begründung des OLG

Das OLG stellte fest, dass die Klageansprüche und die Widerklage unterschiedliche wirtschaftliche Interessen betreffen.

Die Klageansprüche beziehen sich auf individuelle Forderungen der Klägerin gegenüber den Beklagten als Miterben und Gesellschafterinnen.

Die Widerklage hingegen zielt auf die umfassende Auseinandersetzung des Nachlasses und die Verteilung des Vermögens unter den Erben ab.

Das Gericht betonte, dass die „Identitätsformel“ der Rechtsprechung erfüllt sein müsse, wonach die Ansprüche aus Klage und Widerklage nicht nebeneinander bestehen dürfen.

Im vorliegenden Fall sei dies jedoch nicht gegeben, da die Klage- und Widerklageansprüche zwar in Zusammenhang stünden, sich aber nicht gegenseitig ausschlössen.

Weiterhin führte das Gericht aus, dass der Sinn des § 45 Abs. 1 S. 3 GKG darin besteht, eine „wirtschaftliche Werthäufung“ zu vermeiden,

wenn die gemeinsame Behandlung von Klage und Widerklage die gerichtliche Arbeit vereinfacht.

Im vorliegenden Fall sei dies jedoch nicht gegeben, da die Klage- und Widerklageansprüche unterschiedliche Sachverhalte und Rechtsfragen betreffen.

Die Entscheidung des OLG beruht auf einer wirtschaftlichen Betrachtung der Ansprüche, nicht auf dem zivilprozessualen Streitgegenstandsbegriff.

Es wurde hervorgehoben, dass die Aufteilungsklage (§ 2042 BGB) über die mit der Klage geltend gemachten Ansprüche hinausgehe

und weitere Nachlassverbindlichkeiten sowie die Frage der Anrechnung von Vorempfängen umfasse.

Zur wirtschaftlichen Identität von Klage und Widerklage

Zusammenfassend

Das OLG Karlsruhe hat klargestellt, dass für die Anwendung des § 45 Abs. 1 S. 3 GKG eine wirtschaftliche Identität im engeren Sinne vorliegen muss,

bei der die Verurteilung nach dem einen Antrag zwingend die Abweisung des anderen Antrags zur Folge hat.

Da dies im vorliegenden Fall nicht gegeben war, erfolgte die Zusammenrechnung der Streitwerte von Klage und Widerklage gemäß § 45 Abs. 1 S. 1 GKG.

Schlagworte

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