Zuständigkeit für Ansprüche gegen Impfstoff-Hersteller wegen Impfschäden
Die Frage, welches Gericht für Schadensersatzansprüche gegen Impfstoff-Hersteller zuständig ist, wenn der Schaden auf dem Impfstoff selbst (seiner Zusammensetzung, Herstellung oder Wirkung) und nicht auf einem Fehler bei der Impfung beruht, wurde vom Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt a. M. geklärt (Beschluss vom 4.4.2024 – 11 UH 5/24).
Im Kern ging es darum, ob solche Klagen vor einer spezialisierten Kammer für Heilbehandlungssachen verhandelt werden müssen oder vor einer allgemein zuständigen Zivilkammer. Das OLG entschied, dass die allgemein zuständige Zivilkammer zuständig ist.
In Deutschland gibt es an den Landgerichten (LG) oft spezielle Kammern für bestimmte Rechtsgebiete. Für Streitigkeiten über Ansprüche aus Heilbehandlungen im Sinne der Gesetze (§ 348 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. e ZPO und § 72a Abs. 1 Nr. GVG) gibt es solche Kammern.
Diese Spezialisierung soll sicherstellen, dass Richter mit einem besonderen medizinischen Sachverstand diese Fälle bearbeiten.
Der Fall, über den das OLG zu entscheiden hatte, betraf die Klage eines Geimpften auf Schadensersatz und Schmerzensgeld gegen den Hersteller eines COVID-19-Impfstoffs wegen angeblicher Impfschäden, die er auf die Beschaffenheit des Impfstoffs zurückführte.
Das Gericht musste klären, ob die Klage in die Zuständigkeit der speziellen Kammer für Heilbehandlungssachen fällt.
Das OLG Frankfurt a. M. stellte klar, dass eine Streitigkeit über Ansprüche aus Heilbehandlungen in der Regel zwei Voraussetzungen erfordert: Der Anspruch muss sich auf die Heilbehandlung selbst beziehen, die in irgendeiner Weise als fehlerhaft gerügt wird. Die Ansprüche müssen im Verhältnis zwischen dem Behandelnden (z. B. Arzt, Krankenhaus, Therapeut) bzw. dessen Träger und dem Behandelten geltend gemacht werden.
Behandlungsfehler bei einer Operation, eine fehlerhafte Diagnose, eine nicht erfolgte Aufklärung durch den Arzt oder Ansprüche auf Honorar des Behandlers.
Das OLG begründete die fehlende Zuständigkeit der Spezialkammer wie folgt:
Der Kläger rügt in diesen Fällen nicht die Impfung als solche (d. h. die Verabreichung durch den Arzt/das Impfpersonal) als fehlerhaft. Es wird kein Fehler des behandelnden Arztes oder des Impfzentrums behauptet.
Die Klage richtet sich ausschließlich gegen den Hersteller des Impfstoffs. Die Ansprüche werden aus der Zusammensetzung, Herstellung und Wirkung des Impfstoffs abgeleitet.
Die gesetzliche Regelung zielt auf das Haftungsverhältnis ab, das direkt aus der Durchführung der Behandlung durch den Behandler entsteht. Der Hersteller steht jedoch außerhalb dieses Verhältnisses.
Auch wenn die Impfung selbst als eine Art Heilbehandlung angesehen werden könnte und für die richterliche Beurteilung des Falles medizinischer Sachverstand (etwa zu den Auswirkungen des Impfstoffs auf den Körper) notwendig ist, genügt dies nicht, um die Klage als „Anspruch aus Heilbehandlung“ im Sinne der Zuständigkeitsregeln einzuordnen.
Das OLG entschied, dass die allgemein zuständige Zivilkammer des Landgerichts für die Klage gegen den Impfstoff-Hersteller zuständig ist.
Klagen, die einen Schaden ausschließlich auf den Impfstoff (Produktfehler) zurückführen und sich gegen dessen Hersteller richten, gehören vor die allgemein zuständige Zivilkammer und nicht vor die spezielle Kammer für Heilbehandlungssachen.
Die spezialisierten Kammern sind nur für Fälle zuständig, in denen ein Fehler bei der ärztlichen oder therapeutischen Behandlungshandlung selbst gerügt wird.
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