Zustimmung aller Vereinsmitglieder bei satzungsänderndem Beschluss 

Juli 19, 2017

Zustimmung aller Vereinsmitglieder bei satzungsänderndem Beschluss

OLG Frankfurt am M 20 W 162/15

Beschl. v. 10.01.2017,

Erfordernis der Zustimmung aller Vereinsmitglieder bei satzungsänderndem Beschluss mit schwerwiegendem Eingriff in Mitgliederrechte

RA und Notar Krau

Kernaussage:

Eine Satzungsänderung, die zum Ausschluss von Mitgliedern führt, erfordert deren Zustimmung,

selbst wenn keine Zweckänderung vorliegt und das Vereinsvermögen bei Auflösung nicht an die Mitglieder fällt.

Sachverhalt:

Ein 1952 gegründeter Verein beschloss eine umfassende Satzungsänderung.

Zustimmung aller Vereinsmitglieder bei satzungsänderndem Beschluss

Wesentliche Punkte waren:

  • Änderung der Mitgliederstruktur: Künftig sollten nur noch Kreditgenossenschaften, die ihren Kunden das vom Verein durchgeführte Gewinnsparen anbieten, Mitglied werden können.
  • Erlöschen bestehender Mitgliedschaften: Die Mitgliedschaft natürlicher Personen sollte enden.
  • Anpassung des Vereinszwecks: Der Zweck des Vereins sollte weiterhin die Pflege des Spargedankens sein, jedoch nicht mehr „für die Mitglieder“, sondern für „die Kunden und Mitglieder der Mitgliedsgenossenschaften“.

Die Satzungsänderung wurde von Vorstand, Aufsichtsrat und der Vertreterversammlung beschlossen.

Das Registergericht lehnte die Eintragung der Satzungsänderung ab, da sie einen schwerwiegenden Eingriff

in die Rechte der Mitglieder darstelle und diese dem nicht zugestimmt hätten.

Der Verein legte Beschwerde gegen diese Entscheidung ein.

Zustimmung aller Vereinsmitglieder bei satzungsänderndem Beschluss

Entscheidung des OLG Frankfurt:

Das OLG Frankfurt wies die Beschwerde zurück und bestätigte die Entscheidung des Registergerichts.

Begründung:

  1. Keine Zweckänderung:

Entgegen der Ansicht des Registergerichts sah das OLG Frankfurt in der Satzungsänderung keine Zweckänderung.

Der Vereinszweck – die Pflege des Spargedankens – blieb im Wesentlichen unverändert.

Die Anpassung der Formulierung („für die Kunden und Mitglieder der Mitgliedsgenossenschaften“)

ändere daran nichts, da es sich im Wesentlichen um denselben Personenkreis handele.

Schwerwiegender Eingriff in Mitgliederrechte:

Die Satzungsänderung stellte jedoch einen schwerwiegenden Eingriff in die Rechte der Mitglieder dar, da sie zum Ausschluss der bisherigen Mitglieder (natürliche Personen) führte.

Dieser Ausschluss erfolgte ohne dass die Voraussetzungen dafür vorlagen.

  1. Zustimmung der Mitglieder erforderlich:

Für einen solchen Ausschluss genügt nicht der Beschluss der Vereinsorgane.

Es ist die Zustimmung aller betroffenen Mitglieder erforderlich, da die Satzungsänderung einem zwangsweisen Vereinsausschluss gleichkommt.

  1. Vergleich mit dem BGH-Urteil vom 14.07.1980:

Der Verein argumentierte, dass die Vertreterversammlung den Verein auflösen könne und die Mitglieder dann ebenfalls ihre Mitgliedschaft verlieren würden.

Das OLG Frankfurt differenzierte jedoch den vorliegenden Fall von dem vom BGH entschiedenen Fall.

Im BGH-Fall bestand die Chance, dass das Vereinsvermögen bei Auflösung an die Mitglieder verteilt würde und diese die Vereinstätigkeit selbst fortführen könnten.

Im vorliegenden Fall war dies nicht gegeben.

  1. Keine Relevanz der fehlenden „materiellen Beeinträchtigung“:

Die Argumentation des Vereins, die Mitglieder hätten sich nicht wie Mitglieder gefühlt und die Satzungsänderung

führe zu keiner „materiellen Beeinträchtigung“, wurde vom OLG Frankfurt zurückgewiesen.

Die maßgebliche Beeinträchtigung liege im Verlust der Mitgliedschaftsrechte, unabhängig davon, ob diese aktiv wahrgenommen wurden.

Fazit:

Das OLG Frankfurt stellte klar, dass eine Satzungsänderung, die zum Ausschluss von Mitgliedern führt, deren Zustimmung erfordert,

selbst wenn keine Zweckänderung vorliegt und das Vereinsvermögen bei Auflösung nicht an die Mitglieder fällt.

Die Entscheidung stärkt die Rechte der Vereinsmitglieder und betont die Notwendigkeit ihrer Zustimmung bei gravierenden Änderungen der Mitgliedschaftsverhältnisse.

Zusätzliche Anmerkungen:

  • Das OLG Frankfurt ließ die Rechtsbeschwerde zu, da die Frage der Zustimmungsbedürftigkeit bei Ausschluss durch Satzungsänderung grundsätzliche Bedeutung hat.
  • Die Entscheidung zeigt, dass Vereinsorgane bei Satzungsänderungen die Rechte der Mitglieder berücksichtigen müssen und diese nicht ohne deren Zustimmung ausschließen können.
  • Die Zustimmungspflicht gilt auch dann, wenn die Mitglieder ihre Rechte nicht aktiv wahrnehmen.
  • Die Entscheidung hat Auswirkungen auf die Gestaltung von Satzungsänderungen und die Beschlussfassung in Vereinen.

Schlagworte

Warnhinweis:

Die auf dieser Homepage wiedergegebenen Gerichtsentscheidungen bilden einen kleinen Ausschnitt der Rechtsentwicklung über mehrere Jahrzehnte ab. Nicht jedes Urteil muss daher zwangsläufig die aktuelle Rechtslage wiedergeben.

Einige Entscheidungen stellen Mindermeinungen dar oder sind später im Instanzenweg abgeändert oder durch neue obergerichtliche Entscheidungen oder Gesetzesänderungen überholt worden.

Das Recht entwickelt sich ständig weiter. Stetige Aktualität kann daher nicht gewährleistet werden.

Die schlichte Wiedergabe dieser Entscheidungen vermag daher eine fundierte juristische Beratung keinesfalls zu ersetzen.

Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.

Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.

Es soll auch nicht der falsche Anschein erweckt werden, als seien die veröffentlichten Urteile von der Kanzlei Krau erzielt worden. Das ist in aller Regel nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um einen allgemeinen Auszug aus dem deutschen Rechtsleben zur Information der Rechtssuchenden.

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