Zustimmungsersetzungsverfahren – Erledigung der Hauptsache

Juni 21, 2025

Zustimmungsersetzungsverfahren – Erledigung der Hauptsache

BAG 1 ABR 18/24

RA und Notar Krau

Was ist hier passiert? – Ein Fall über Personalentscheidungen und den Betriebsrat

Dieser Fall dreht sich um eine Meinungsverschiedenheit zwischen einem Arbeitgeber, der Transportdienstleistungen anbietet, und seinem Betriebsrat. Es ging darum, dass der Arbeitgeber eine Mitarbeiterin versetzen und in eine andere Gehaltsgruppe einstufen wollte. Dafür braucht er aber die Zustimmung des Betriebsrats. Wenn der Betriebsrat nicht zustimmt, kann der Arbeitgeber ein sogenanntes „Zustimmungsersetzungsverfahren“ vor Gericht einleiten. Das bedeutet, er bittet das Gericht, die fehlende Zustimmung des Betriebsrats zu ersetzen.

Die Hauptfrage in diesem speziellen Fall war: Hat sich das Verfahren, das der Arbeitgeber ursprünglich eingeleitet hatte, weil der Betriebsrat nicht zugestimmt hatte, mittlerweile „erledigt“? „Erledigt“ bedeutet in diesem Zusammenhang, dass es keinen Grund mehr gibt, über die ursprüngliche Sache zu entscheiden, weil die Situation sich geändert hat.

Die Geschichte des Konflikts

Alles begann am 26. Januar 2022. Der Arbeitgeber wollte die Mitarbeiterin V. auf eine Stelle namens „Manager Operations“ am Standort F versetzen und ihr Gehalt entsprechend anpassen. Er bat den Betriebsrat um Zustimmung. Weil es eilig war, wurde die Mitarbeiterin schon vorläufig ab dem 1. Februar 2022 auf die neue Stelle gesetzt.

Zwei Tage später, am 28. Januar 2022, lehnte der Betriebsrat die Zustimmung ab und zweifelte an der angeblichen Eilbedürftigkeit der Versetzung.

Daraufhin, am 31. Januar 2022, zog der Arbeitgeber vor Gericht. Er wollte, dass das Arbeitsgericht die Zustimmung des Betriebsrats ersetzt und feststellt, dass die vorläufige Versetzung dringend notwendig war. Dies ist das Verfahren, um das es in diesem Urteil geht (Aktenzeichen 1 ABR 18/24).

Im Mai 2023 gab es eine neue Entwicklung: Der Arbeitgeber teilte dem Betriebsrat mit, dass er die ursprünglichen Personalmaßnahmen für den 2. Juni 2023 aufheben und den Antrag vom 26. Januar 2022 zurückziehen würde. Gleichzeitig bat er den Betriebsrat erneut um Zustimmung für dieselbe Mitarbeiterin auf derselben Stelle und informierte ihn über eine neue vorläufige Versetzung ab dem 5. Juni 2023. Der Betriebsrat verweigerte auch diese neue Zustimmung, und der Arbeitgeber leitete ein zweites Zustimmungsersetzungsverfahren ein.

Zustimmungsersetzungsverfahren – Erledigung der Hauptsache

Im Februar 2024 schrieb der Arbeitgeber die Stelle „Manager Operations“ am Standort F wieder intern aus. Die Mitarbeiterin V. bewarb sich erneut, und es gab einen anderen Bewerber als beim ersten Mal.

Am 26. März 2024 informierte der Arbeitgeber den Betriebsrat darüber. Er teilte mit, dass er die Personalmaßnahmen, um die er im Mai 2023 gebeten hatte, für den 2. April 2024 aufheben und diesen Antrag zurückziehen würde. Und wieder bat er den Betriebsrat ein drittes Mal um Zustimmung zur Versetzung der Mitarbeiterin auf dieselbe Stelle und zur Gehaltsanpassung. Auch diese Versetzung sollte ab dem 4. April 2024 vorläufig stattfinden. Als der Betriebsrat erneut die Zustimmung verweigerte, leitete der Arbeitgeber ein drittes gerichtliches Verfahren ein.

Was wurde vor Gericht entschieden?

Im laufenden Verfahren über den allerersten Antrag (der vom 31. Januar 2022) erklärte der Arbeitgeber einseitig, dass die Sache „erledigt“ sei. Der Betriebsrat stimmte dem nicht zu.

Das Hessische Landesarbeitsgericht entschied, dass das Verfahren tatsächlich eingestellt werden sollte, weil es sich erledigt hatte. Dagegen legte der Betriebsrat eine weitere Beschwerde beim Bundesarbeitsgericht ein.

Das Bundesarbeitsgericht hat nun entschieden, dass die Beschwerde des Betriebsrats unbegründet ist. Das bedeutet, das Landesarbeitsgericht hat richtig entschieden: Das Verfahren hat sich erledigt und muss eingestellt werden.

Warum hat sich das Verfahren „erledigt“?

Der Kern der gerichtlichen Begründung ist folgender: Ein Gericht muss einen Fall nur dann weiterverfolgen, wenn der Antragsteller – hier der Arbeitgeber – noch ein echtes Interesse an der gerichtlichen Entscheidung hat. Man spricht hier vom „Rechtsschutzbedürfnis“. Wenn der Arbeitgeber das, wofür er ursprünglich geklagt hat, gar nicht mehr beabsichtigt, dann fehlt dieses Interesse.

Im vorliegenden Fall hat der Arbeitgeber die ursprünglichen Personalmaßnahmen, die er am 26. Januar 2022 beantragt hatte, nicht mehr weiterverfolgt. Er hat den ursprünglichen Antrag zurückgezogen und von diesen spezifischen Maßnahmen Abstand genommen. Das gilt spätestens ab den ersten Monaten des Jahres 2024.

Wichtig dabei ist: Es spielt keine Rolle, dass der Arbeitgeber die Mitarbeiterin V. weiterhin auf dieselbe Stelle „Manager Operations“ versetzen und ihr Gehalt anpassen möchte. Die Gerichte sehen diese späteren Anfragen und Verfahren als neue, eigenständige Personalmaßnahmen an, auch wenn die Stelle und die Person dieselben sind. Der Arbeitgeber hat das Recht, einen neuen Prozess zu starten, selbst wenn ein alter noch läuft, solange er klar macht, dass er die alte Maßnahme aufgegeben hat. Hier hat der Arbeitgeber die Stelle im Februar 2024 sogar neu ausgeschrieben und auf Grundlage neuer Bewerbungen eine neue Entscheidung getroffen.

Auch die Gehaltsanpassung ist eine neue, eigenständige Maßnahme, denn bei jeder Versetzung muss der Arbeitgeber prüfen, wie die Mitarbeiterin nach den gültigen Regeln eingestuft wird.

Was ist mit der vorläufigen Versetzung?

Der Betriebsrat hatte argumentiert, dass der Arbeitgeber die Mitarbeiterin tatsächlich von der Stelle hätte nehmen müssen, damit die alte Maßnahme als „aufgehoben“ gilt. Das Bundesarbeitsgericht erklärte aber, dass dies hier nicht nötig war.

Normalerweise gilt: Wenn ein Arbeitgeber eine Versetzung ohne die nötige Zustimmung des Betriebsrats endgültig durchführt, dann kann er diesen Fehler nur rückgängig machen, indem er die Maßnahme tatsächlich aufhebt. Das ist wichtig, damit der Betriebsrat seine Mitbestimmungsrechte durchsetzen kann.

Aber in diesem Fall ist die Versetzung nie „betriebsverfassungswidrig“ – also nicht im Widerspruch zu den Rechten des Betriebsrats – gewesen. Der Arbeitgeber hat die Mitarbeiterin von Anfang an nur vorläufig versetzt und dies dem Betriebsrat mitgeteilt. Gleichzeitig hat er fristgerecht die Gerichtsverfahren eingeleitet, um die Zustimmung zu ersetzen. Dadurch war der Einsatz der Mitarbeiterin auf der neuen Stelle immer rechtlich in Ordnung, auch wenn die Gerichtsverfahren noch liefen. Es musste also nichts „aufgehoben“ werden, weil es keinen rechtswidrigen Zustand gab.

Kurz gesagt: Der Arbeitgeber hat seine ursprüngliche Absicht für diese spezifische Personalmaßnahme aufgegeben und neue Verfahren eingeleitet. Daher hat sich der erste Fall, in dem es um die Zustimmung für die allererste Versetzung ging, tatsächlich erledigt. Die Rechtsbeschwerde des Betriebsrats wurde daher zurückgewiesen.

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Die auf dieser Homepage wiedergegebenen Gerichtsentscheidungen bilden einen kleinen Ausschnitt der Rechtsentwicklung über mehrere Jahrzehnte ab. Nicht jedes Urteil muss daher zwangsläufig die aktuelle Rechtslage wiedergeben.

Einige Entscheidungen stellen Mindermeinungen dar oder sind später im Instanzenweg abgeändert oder durch neue obergerichtliche Entscheidungen oder Gesetzesänderungen überholt worden.

Das Recht entwickelt sich ständig weiter. Stetige Aktualität kann daher nicht gewährleistet werden.

Die schlichte Wiedergabe dieser Entscheidungen vermag daher eine fundierte juristische Beratung keinesfalls zu ersetzen.

Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.

Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.

Es soll auch nicht der falsche Anschein erweckt werden, als seien die veröffentlichten Urteile von der Kanzlei Krau erzielt worden. Das ist in aller Regel nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um einen allgemeinen Auszug aus dem deutschen Rechtsleben zur Information der Rechtssuchenden.

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