Zustimmungspflicht des Mitgesellschafters zu einer Nachfolgeregelung

April 24, 2019

Zustimmungspflicht des Mitgesellschafters zu einer Nachfolgeregelung

BGH II ZR 86/85

RA und Notar Krau:

Im vorliegenden Fall befasste sich der Bundesgerichtshof (BGH) mit der Frage, ob ein Gesellschafter einer Offenen Handelsgesellschaft (OHG) aus dem Gesichtspunkt der

gesellschaftlichen Treuepflicht gehalten sein kann, der vorzeitigen Übertragung des Gesellschaftsanteils eines Mitgesellschafters auf dessen Erben zuzustimmen.

Konkret ging es um die OHG J Söhne, betrieben von zwei Gesellschaftern, dem 71-jährigen Kläger und dem 67-jährigen Beklagten.

Der Gesellschaftsvertrag sah vor, dass die Gesellschaft nur durch einstimmigen Beschluss, Konkurs oder gerichtliche Entscheidung aufgelöst werden kann

und eine Kündigung ausgeschlossen ist.

Im Todesfall eines Gesellschafters sollte die Gesellschaft fortgesetzt werden, wobei nicht bereits persönlich haftende Erben als Kommanditisten

mit dem Kapitalanteil des Verstorbenen eintreten sollten.

Der Kläger begehrte primär die Zustimmung des Beklagten zur Übertragung seines Geschäftsanteils auf seinen Sohn, hilfsweise seine Bestellung zum angestellten Geschäftsführer

und Prokuristen, und äußerst hilfsweise die Zustimmung zu einer Änderung des Gesellschaftsvertrages, die es jedem persönlich haftenden Gesellschafter ermöglichen sollte,

seine Stellung zu Lebzeiten auf einen geeigneten Nachkommen zu übertragen oder diesen testamentarisch zu bestimmen.

Zur Nachfolge standen der kaufmännisch ausgebildete Sohn des Klägers und die ebenfalls kaufmännisch ausgebildete Tochter des Beklagten zur Verfügung.

Zustimmungspflicht des Mitgesellschafters zu einer Nachfolgeregelung

Der Kläger argumentierte, dass die Regelung der Nachfolge angesichts des Alters der Parteien dringend erforderlich sei,

da die Konkurrenz zugenommen habe und die Parteien den gestiegenen unternehmerischen Anforderungen altersbedingt nicht mehr gewachsen seien.

Er sah die Zustimmungspflicht des Beklagten entweder im bestehenden Gesellschaftsvertrag oder zumindest in der gesellschaftlichen Treuepflicht begründet.

Der Beklagte hingegen war der Ansicht, dass weder der Gesellschaftsvertrag noch die Treuepflicht eine solche Verpflichtung begründeten

und sah auch keine tatsächliche Notwendigkeit für eine vorzeitige Nachfolgeregelung.

Die Vorinstanzen wiesen die Klage ab.

Die Revision des Klägers führte jedoch zur Aufhebung und Zurückverweisung an das Berufungsgericht.

Der BGH stellte zunächst fest, dass Nr. 15 des Gesellschaftsvertrages die Nachfolge ausschließlich im Todesfall eines Gesellschafters regelt

und keine Aussage über eine Übertragung unter Lebenden trifft.

Die Klausel, dass nicht bereits persönlich haftende Erben als Kommanditisten eintreten, schließe nicht aus, dass Erben bereits vor dem Erbfall persönlich haftende Gesellschafter

werden könnten, impliziere aber nicht, dass dies ohne Zustimmung aller Mitgesellschafter möglich sei.

Weiterhin widersprach der BGH der Auslegung des Berufungsgerichts, dass die Gesellschaft auf die Lebenszeit der Gesellschafter geschlossen sei

und nach dem Tod des Letzten liquidiert würde.

Zustimmungspflicht des Mitgesellschafters zu einer Nachfolgeregelung

Das Fehlen einer Nachfolgeregelung für den Fall des Ausscheidens beider persönlich haftender Gesellschafter begründe eine Vertragslücke, die gemäß § 157 BGB zu schließen sei.

Naheliegend sei, dass die verbleibenden Kommanditisten sich auf einen oder mehrere persönlich haftende Gesellschafter einigen müssten.

Eine solche Einigungspflicht sei auch in anderen Fällen des Ausscheidens des einzigen persönlich haftenden Gesellschafters angenommen worden.

Im vorliegenden Fall entspreche dies dem Charakter der Gesellschaft als Familienunternehmen, das auf vertrauensvolle Zusammenarbeit angelegt sei.

Diese Einigungspflicht betreffe jedoch erst die Situation nach dem Tod beider persönlich haftender Gesellschafter und begründe keine Zustimmungspflicht zu Lebzeiten.

Der entscheidende Punkt der BGH-Entscheidung lag in der gesellschaftlichen Treuepflicht.

Der BGH bestätigte seine ständige Rechtsprechung, wonach sich aus der gesellschaftlichen Treuepflicht in besonderen Ausnahmefällen die Verpflichtung eines Gesellschafters ergeben

kann, einer Änderung des Gesellschaftsvertrages zuzustimmen, dies schließe auch einen Wechsel im Gesellschafterbestand ein.

Voraussetzung sei, dass die Änderung zur Erhaltung wesentlicher Werte, die die Gesellschafter gemeinsam geschaffen haben,

oder zur Vermeidung erheblicher Verluste erforderlich und dem anderen Gesellschafter zumutbar sei.

Das Berufungsgericht hatte die Notwendigkeit einer solchen Änderung verneint, da der Kläger im Zeitpunkt der Verhandlung noch leistungsfähig gewesen sei

und das Unternehmen „achtbare“ Ergebnisse erzielt habe.

Der BGH rügte diese Beurteilung als Überspannung der Anforderungen an die Zustimmungspflicht und Verkennung des Kerns des Klägervorbringens.

Entscheidend sei nicht die Leistungsfähigkeit des Klägers in der Vergangenheit, sondern ob der Unternehmenszweck eine

gegenwärtige Vertragsänderung zur Sicherung des Fortbestands und der Wettbewerbsfähigkeit erfordere.

Die Vorsorge für die Zukunft und die Sicherung der Unternehmenskontinuität seien Teil einer verantwortungsbewussten Unternehmensführung. Angesichts des fortgeschrittenen Alters des

Klägers sei ein Wechsel in der Unternehmensführung in den nächsten Jahren unumgänglich und müsse vorbereitet werden,

insbesondere die Einarbeitung eines Nachfolgers und die Übergabe persönlicher Kundenkontakte.

Zustimmungspflicht des Mitgesellschafters zu einer Nachfolgeregelung

Der BGH beanstandete, dass das Berufungsgericht den Vortrag des Klägers bezüglich der Notwendigkeit der Erschließung ausländischer Märkte

und des Weggangs wichtiger Mitarbeiter aufgrund der ungeklärten Nachfolge nicht berücksichtigt habe.

Sollte das Berufungsgericht im erneuten Verfahren feststellen, dass eine Nachfolgeregelung angesichts des Alters beider Parteien bereits gegenwärtig geboten sei,

so sei der Beklagte aufgrund seiner Treuepflicht zur Mitwirkung verpflichtet.

Die Sicherung der Unternehmensführungskontinuität liege im Vertragszweck und sei keine reine Zweckmäßigkeitsfrage, sondern eine zur Erhaltung des Unternehmens dringend gebotene Maßnahme.

Untätiges Zuwarten bis zum Ausfall der Gesellschafter könne den Bestand des Unternehmens gefährden.

Bezüglich der Zumutbarkeit der Vertragsänderung für den Beklagten führte der BGH aus, dass die bloße Gewöhnung an einen neuen Partner nicht ausreiche, zumal die bisherige

Zusammenarbeit ohnehin spannungsreich gewesen sei und gegen die Eignung des Sohnes des Klägers nichts vorgebracht worden sei.

Schwerwiegender sei der Einwand, dass eine vorzeitige Nachfolge des Sohnes des Klägers den nach dem Tod beider Parteien bestehenden Einigungszwang bezüglich eines persönlich

haftenden Gesellschafters beseitigen und die mögliche Nachfolge der Tochter des Beklagten erschweren könnte.

Auch die Konfrontation mit zwei Vertretern des anderen Familienstammes sei ein relevanter Gesichtspunkt.

Der BGH wies darauf hin, dass das Berufungsgericht bei der erneuten Verhandlung auf sachgerechte Klageanträge hinwirken solle,

die die Interessen des Beklagten angemessen berücksichtigen.

Eine mögliche Lösung könnte der hilfsweise gestellte Antrag auf Änderung des Gesellschaftsvertrages bieten,

der es jedem persönlich haftenden Gesellschafter erlauben würde, seinen Nachfolger zu Lebzeiten oder testamentarisch zu bestimmen.

Diese Änderung würde sich bruchlos in den bestehenden Vertrag einfügen und die Besorgnis des Beklagten hinsichtlich einer Präjudizierung der Nachfolge seiner Tochter beseitigen,

da er dann ebenfalls die Möglichkeit hätte, seine Tochter als Nachfolgerin zu bestimmen.

Zusammenfassend stellte der BGH fest, dass die gesellschaftliche Treuepflicht unter besonderen Umständen eine Zustimmungspflicht zur vorzeitigen Nachfolgeregelung begründen kann,

wenn dies zur Sicherung des Unternehmens erforderlich und dem Mitgesellschafter zumutbar ist.

Das Berufungsgericht müsse die Notwendigkeit einer solchen Regelung unter Berücksichtigung des Alters der Gesellschafter, der Wettbewerbssituation und der möglichen Gefährdung des

Unternehmens im Falle des Ausbleibens einer Nachfolgeregelung erneut prüfen und dabei auch die Interessen des Beklagten angemessen berücksichtigen.

Die vom Kläger hilfsweise beantragte Änderung des Gesellschaftsvertrages könne dabei eine interessengerechte Lösung darstellen.

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Warnhinweis:

Die auf dieser Homepage wiedergegebenen Gerichtsentscheidungen bilden einen kleinen Ausschnitt der Rechtsentwicklung über mehrere Jahrzehnte ab. Nicht jedes Urteil muss daher zwangsläufig die aktuelle Rechtslage wiedergeben.

Einige Entscheidungen stellen Mindermeinungen dar oder sind später im Instanzenweg abgeändert oder durch neue obergerichtliche Entscheidungen oder Gesetzesänderungen überholt worden.

Das Recht entwickelt sich ständig weiter. Stetige Aktualität kann daher nicht gewährleistet werden.

Die schlichte Wiedergabe dieser Entscheidungen vermag daher eine fundierte juristische Beratung keinesfalls zu ersetzen.

Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.

Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.

Es soll auch nicht der falsche Anschein erweckt werden, als seien die veröffentlichten Urteile von der Kanzlei Krau erzielt worden. Das ist in aller Regel nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um einen allgemeinen Auszug aus dem deutschen Rechtsleben zur Information der Rechtssuchenden.

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