Zuwendung Vermögenswerte Erbeinsetzung oder Vermächtnis

September 16, 2017

Zuwendung Vermögenswerte Erbeinsetzung oder Vermächtnis

Bayerisches Oberstes Landesgericht BReg 1 a Z 9/90

Zur Auslegung eines Testaments in dem bestimmten Personen einzelne Gegenstände, darunter ein „Haus mit Inhalt“ und ein Leibgeding, zugewendet sind.

 RA und Notar Krau

Sachverhalt:

Eine Erblasserin vermachte in ihrem Testament ihrem Großneffen ein Haus „mit Inhalt“, ihrer Großnichte ein Sparbuch und ihrem Neffen ein Leibgeding.

Der Großneffe beantragte einen Erbschein als Alleinerbe.

Die übrigen gesetzlichen Erben legten Beschwerde ein, da sie die Zuwendungen als Vermächtnisse und nicht als Erbeinsetzung interpretierten.

Rechtliche Fragestellung:

Liegt in der testamentarischen Zuwendung des Hauses „mit Inhalt“ eine Erbeinsetzung oder lediglich ein Vermächtnis vor?

Entscheidung des BayObLG:

Das BayObLG entschied, dass es sich bei der Zuwendung des Hauses „mit Inhalt“ um ein Vermächtnis und nicht um eine Erbeinsetzung handelt.

Zuwendung Vermögenswerte Erbeinsetzung oder Vermächtnis

Der Großneffe ist somit nicht Alleinerbe.

Begründung:

  • Auslegungsbedürftigkeit des Testaments: Das Testament enthielt keine ausdrückliche Erbeinsetzung. Es war daher auslegungsbedürftig, ob die Erblasserin mit der Zuwendung des Hauses „mit Inhalt“ eine Erbeinsetzung oder ein Vermächtnis beabsichtigte.
  • Auslegungsregel des § 2087 Abs. 2 BGB: Die Zuwendung einzelner Gegenstände spricht grundsätzlich für ein Vermächtnis. Diese Auslegungsregel kann jedoch durchbrochen werden, wenn der Wille des Erblassers auf eine Erbeinsetzung schließen lässt.
  • Wertverhältnis der Zuwendung zum Nachlass: Das BayObLG folgte der Auslegung des Landgerichts, wonach der Wert des Hauses (200.000 DM) im Verhältnis zum Wert des übrigen Nachlasses (600.000 DM) nicht so bedeutend war, dass von einer Erbeinsetzung auszugehen wäre.
  • „Inhalt“ des Hauses: Das BayObLG bestätigte die Auslegung des Landgerichts, dass mit „Inhalt“ des Hauses lediglich die Einrichtung gemeint war und nicht das sonstige Vermögen der Erblasserin (z.B. Sparguthaben).
  • Letzter Absatz des Testaments: Der letzte Absatz des Testaments, in dem die Erblasserin die Pflichtteile der gesetzlichen Erben erwähnte, wurde vom Landgericht dahingehend ausgelegt, dass kein Erbausschluss vorliegen sollte. Diese Auslegung wurde vom BayObLG bestätigt.

Folgen der Entscheidung:

Der Großneffe ist nicht Alleinerbe, sondern erhält lediglich das Haus „mit Inhalt“ als Vermächtnis.

Die übrigen gesetzlichen Erben erben den Rest des Nachlasses.

Zuwendung Vermögenswerte Erbeinsetzung oder Vermächtnis

Fazit:

Der Beschluss des BayObLG verdeutlicht die Bedeutung der Testamentsauslegung bei unklaren Formulierungen.

Die Zuwendung einzelner Gegenstände spricht zwar grundsätzlich für ein Vermächtnis, es kann jedoch im Einzelfall

auch eine Erbeinsetzung vorliegen, wenn dies dem Willen des Erblassers entspricht.

Für die Auslegung ist insbesondere das Wertverhältnis der Zuwendung zum Gesamtnachlass von Bedeutung.

Zusätzliche Erläuterungen:

  • Testament: Eine letztwillige Verfügung, in der der Erblasser seinen Nachlass regelt.
  • Erbeinsetzung: Die Bestimmung einer Person zum Erben.
  • Vermächtnis: Die Zuwendung eines bestimmten Gegenstands oder eines bestimmten Betrags aus dem Nachlass.
  • § 2087 BGB: Diese Vorschrift enthält Auslegungsregeln für die Abgrenzung zwischen Erbeinsetzung und Vermächtnis.
  • § 133 BGB: Diese Vorschrift regelt die Auslegung von Willenserklärungen, insbesondere auch von Testamenten.

Zusammenfassend lässt sich sagen:

Das BayObLG hat in seinem Beschluss die Kriterien für die Auslegung einer testamentarischen Zuwendung von einzelnen Gegenständen dargelegt.

Im vorliegenden Fall wurde die Zuwendung des Hauses „mit Inhalt“ als Vermächtnis und nicht als Erbeinsetzung ausgelegt,

da der Wert des Hauses im Verhältnis zum Gesamtnachlass nicht so bedeutend war, dass von einer Erbeinsetzung auszugehen wäre.

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Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.

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