Zuwendungsverbot bei Pflege und betreutem Wohnen
Dieser Text beleuchtet ein wichtiges Thema für ältere oder pflegebedürftige Menschen, die in betreuten Wohnformen leben, und beschäftigt sich damit, wie gesetzliche Regelungen aus dem Heimrecht die Möglichkeit beeinflussen, Vermögen zu vererben.
Das Hauptproblem ist, dass Menschen in solchen Einrichtungen aufgrund ihres Alters, möglicher Demenz oder Pflegebedürftigkeit oft in einer Abhängigkeit vom Personal und Träger der Einrichtung stehen. Diese Abhängigkeit könnte theoretisch ausgenutzt werden, um sich durch ein Testament oder einen Erbvertrag Vermögen zusichern zu lassen.
Um die Bewohner zu schützen, gibt es ein Zuwendungsverbot. Dieses besagt, dass sich der Betreiber einer stationären Pflege- oder Betreuungseinrichtung sowie deren Leitung und Mitarbeiter kein Geld oder geldwerte Leistungen über die vertraglich vereinbarten Entgelte hinaus von den Bewohnern versprechen oder geben lassen dürfen. Geringwertige Aufmerksamkeiten sind davon ausgenommen.
Dieses Verbot existierte ursprünglich im Bundes-Heimgesetz und wurde nach einer Reform des Föderalismus (2006) in Landesgesetze überführt, wie zum Beispiel in Bayern das „Pflege- und Wohnqualitätsgesetz“ (PflegWoqG).
Dieses Verbot soll die Bewohner vor Ausnutzung schützen, verhindern, dass sie sich die ohnehin zustehenden Pflegeleistungen „erkaufen“ müssen, und die Testierfreiheit (das Recht, frei ein Testament zu errichten) sichern.
Ein Testament oder ein Erbvertrag, das gegen dieses Verbot verstößt, ist ungültig (nichtig). Es handelt sich um ein sogenanntes Verbotsgesetz.
Die große Herausforderung ist die Unterscheidung zwischen einem klassischen Pflegeheim (stationäre Einrichtung) und dem Betreuten Wohnen, da das Zuwendungsverbot nur für Ersteres gilt.
Das Gesetz in Bayern (PflegWoqG) legt fest, dass es auf Formen des Betreuten Wohnens angewendet wird, außer wenn die Bewohner vertraglich nur zur Abnahme von Grundleistungen (wie Notruf, Vermittlung von Diensten, Beratung) verpflichtet sind und Zusatzleistungen (wie Pflege und intensive Betreuung) frei wählen können.
Es kommt darauf an, ob der Bewohner verpflichtet ist, bestimmte Zusatzleistungen von einem festen Anbieter zu beziehen. Ist das der Fall, gilt die Einrichtung als stationär und das Zuwendungsverbot greift.
Es ist umstritten, ob nur die rechtliche Verpflichtung zur Annahme von Zusatzleistungen relevant ist oder auch die tatsächliche Abhängigkeit und das Fehlen einer faktischen Wahlmöglichkeit.
Das Zuwendungsverbot richtet sich nur an den Träger, die Leitung und die Mitarbeiter der stationären Einrichtung/Wohnanlage.
Ambulante Pflegedienste, die ihre Dienste in den Wohnungen der betreuten Wohnanlage erbringen, fallen nicht direkt unter dieses Verbot.
Viele Bewohner sind jedoch vom ambulanten Pflegedienst genauso oder sogar noch stärker abhängig als von der Wohnanlage selbst. Der Pflegedienst greift tief in den Alltag und Intimbereich ein, und ein Wechsel des Dienstes ist oft schwierig und mit großem Aufwand verbunden. Diese Situation birgt ebenfalls die Gefahr der Ausnutzung.
Trotz dieser vergleichbaren Abhängigkeit wird die Analogie (die entsprechende Anwendung des Verbots auf die Pflegedienste) von Experten abgelehnt. Die Gründe hierfür sind:
Das Verbot greift stark in die Testierfreiheit ein und muss daher vom Gesetzgeber klar geregelt werden.
Es fehlt die sogenannte planwidrige Regelungslücke, da dem Gesetzgeber die Problematik der ambulanten Dienste bekannt war, er sie aber bewusst nicht in das Verbot aufgenommen hat.
Das Gesetz schützt Bewohner von betreuten Wohnformen vor Zuwendungen an die Einrichtung und deren Personal, aber nicht vor Zuwendungen an den ambulanten Pflegedienst, der vor Ort tätig ist.
Es wird die Notwendigkeit einer Gesetzesänderung betont, um auch ambulante Pflegedienste in das Zuwendungsverbot aufzunehmen – allerdings nur, wenn sie in solchen Anlagen arbeiten und nicht bei der häuslichen Pflege in der eigenen Wohnung, um die Testierfreiheit nicht übermäßig einzuschränken.
Solange es keine Gesetzesänderung gibt, bleibt nur die Möglichkeit, die Gültigkeit eines Testaments zugunsten des Pflegedienstes nach dem allgemeinen Zivilrecht wegen Sittenwidrigkeit zu überprüfen. Sittenwidrigkeit liegt vor, wenn das Testament nicht Ausdruck der freien Entscheidung des Vererbenden, sondern das Ergebnis von Fremdbestimmung oder unzulässigem Druck durch den Pflegedienst war. Dabei muss die strukturelle Unterlegenheit des Gepflegten berücksichtigt werden.
Dieser rechtliche Bereich ist komplex, da er die grundlegende Testierfreiheit mit dem Schutz von hilfsbedürftigen Menschen in Einklang bringen muss. Es zeigt sich eine klare Schutzlücke bei den ambulanten Pflegediensten im betreuten Wohnen.