Zwangsbehandlung – und die Patientenverfügung
Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 5. Februar 2025 (XII ZB 547/24)
Der Bundesgerichtshof (BGH) hat in diesem Beschluss entschieden, dass die Genehmigung der Unterbringung einer an paranoider Schizophrenie leidenden Frau
durch das Landgericht Dresden aufzuheben ist, soweit ihre Beschwerde gegen diese Genehmigung zurückgewiesen wurde.
Bezüglich der bereits abgelaufenen Genehmigung der ärztlichen Zwangsmaßnahme hat der BGH festgestellt,
dass die Beschlüsse des Amtsgerichts Dresden und des Landgerichts Dresden die Betroffene in ihren Rechten verletzt haben.
Die Sache wurde zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht zurückverwiesen.
Die Betroffene war aufgrund ihrer psychischen Erkrankung bereits mehrfach öffentlich-rechtlich untergebracht. Im September 2022 verfasste sie eine Patientenverfügung,
in der sie die Einnahme von Neuroleptika und Antidepressiva grundsätzlich ablehnte, es sei denn, es würde später Parkinson diagnostiziert.
Auf Antrag der Betreuerin genehmigte das Amtsgericht Dresden im September 2024 die Unterbringung der Betroffenen
in einer geschlossenen Einrichtung bis zum 26. März 2025 sowie die Einwilligung der Betreuerin in eine ärztliche Zwangsmedikation bis zum 7. November 2024.
Das Landgericht Dresden bestätigte die Unterbringung im psychiatrischen Krankenhaus, wies die Unterbringung in einer sozialtherapeutischen Wohnstätte jedoch zurück.
Die Betroffene legte daraufhin Rechtsbeschwerde beim BGH ein.
Der BGH gab der Rechtsbeschwerde der Betroffenen teilweise statt und hob die Entscheidung des Landgerichts bezüglich der Unterbringung auf.
Hinsichtlich der bereits abgelaufenen Zwangsbehandlungsmaßnahme stellte der BGH die Rechtswidrigkeit der Entscheidungen der Vorinstanzen fest.
Der BGH stellte fest, dass die Voraussetzungen für eine Unterbringung zur Heilbehandlung gemäß § 1831 Abs. 1 Nr. 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB)
auf Basis der Feststellungen des Landgerichts nicht vorliegen.
Eine Unterbringung zur Heilbehandlung setze voraus, dass die Behandlung auch durchgeführt werden könne.
Dies erfordere entweder den natürlichen Willen des Betreuten zur Behandlung oder die rechtlich zulässige Überwindung eines entgegenstehenden Willens durch eine genehmigte ärztliche Zwangsbehandlung.
Wenn ausgeschlossen sei, dass der Betreute sich freiwillig behandeln lasse, sei die Genehmigung der Unterbringung nur zulässig,
wenn die Voraussetzungen für eine ärztliche Zwangsmaßnahme nach § 1832 Abs. 1 Satz 1 BGB vorlägen und diese gemäß § 1832 Abs. 2 BGB wirksam genehmigt werde.
Im vorliegenden Fall sei die Betroffene nach den Feststellungen des Landgerichts nicht bereit zur freiwilligen Medikamenteneinnahme, was eine Heilbehandlung ohne Zwang unwahrscheinlich mache.
Die vom Amtsgericht genehmigte Zwangsmedikation war jedoch auf einen Zeitraum bis zum 7. November 2024 befristet.
Eine Unterbringung über diesen Zeitraum hinaus wäre nur möglich, wenn davon auszugehen wäre, dass die notwendige Heilbehandlung anschließend sichergestellt ist,
etwa durch freiwillige Behandlung oder eine erneute Genehmigung der Zwangsbehandlung.
Das Landgericht habe jedoch nicht ausreichend begründet, warum nach Ablauf der genehmigten Zwangsbehandlung weiterhin die Voraussetzungen für eine solche vorliegen sollten,
insbesondere im Hinblick auf die Patientenverfügung der Betroffenen.
Der BGH rügte, dass die Vorinstanzen die Patientenverfügung der Betroffenen vom September 2022 bei der Genehmigung der ärztlichen Zwangsmaßnahme nicht ausreichend berücksichtigt hätten.
Nach § 1832 Abs. 1 Nr. 3 BGB könne der Betreuer in eine ärztliche Zwangsmaßnahme nur einwilligen, wenn diese dem nach § 1827 BGB zu beachtenden Willen des Betreuten entspreche.
Eine wirksame Patientenverfügung, die sich gegen Zwangsbehandlungen ausspreche und in der konkreten Situation Geltung beanspruche, stehe einer solchen Einwilligung entgegen.
Das Landgericht habe die Bindungswirkung der Patientenverfügung mit einer fehlerhaften Begründung verneint.
Es habe zwar die Geschäftsfähigkeit der Betroffenen geprüft (obwohl für die Wirksamkeit einer Patientenverfügung die Einwilligungsfähigkeit, also die natürliche Einsichts- und Steuerungsfähigkeit,
maßgeblich ist) und deren Vorliegen nicht ausgeschlossen.
Gleichzeitig habe es die Patientenverfügung als nicht Ergebnis rationaler Überlegung angesehen, was impliziere, dass die Betroffene zum Zeitpunkt der Errichtung nicht einsichtsfähig gewesen sei.
Dieser Widerspruch sei nicht auflösbar.
Das Amtsgericht habe die Patientenverfügung ebenfalls als nicht wirksam angesehen, da keine freie Willensentscheidung zugrunde gelegen habe, ohne dies jedoch ausreichend zu begründen.
Feststellung der Rechtswidrigkeit bezüglich der Zwangsmaßnahme:
Da die Genehmigung der ärztlichen Zwangsmaßnahme durch Zeitablauf erledigt war, hat der BGH auf Antrag der Betroffenen gemäß § 62 Abs. 1 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in
Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FamFG) festgestellt, dass die Entscheidungen der Vorinstanzen die Betroffene
in ihrem grundrechtlich geschützten Recht auf körperliche Integrität und Selbstbestimmung verletzt haben.
Die gerichtliche Genehmigung einer Zwangsbehandlung stelle einen schwerwiegenden Grundrechtseingriff dar, der ein berechtigtes Interesse an der Feststellung der Rechtswidrigkeit begründe.
Der BGH hob die Entscheidung des Landgerichts bezüglich der Unterbringung auf und verwies die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht zurück.
Dieses muss nun die Voraussetzungen für die Unterbringung unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des BGH erneut prüfen und dabei insbesondere die Frage der Sicherstellung der
notwendigen Heilbehandlung und die Bedeutung der Patientenverfügung der Betroffenen umfassend würdigen.
Der BGH sah von einer weiteren Begründung seines Beschlusses ab, da diese nicht zur Klärung von Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung,
zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung beigetragen hätte.
Die auf dieser Homepage wiedergegebenen Gerichtsentscheidungen bilden einen kleinen Ausschnitt der Rechtsentwicklung über mehrere Jahrzehnte ab. Nicht jedes Urteil muss daher zwangsläufig die aktuelle Rechtslage wiedergeben.
Einige Entscheidungen stellen Mindermeinungen dar oder sind später im Instanzenweg abgeändert oder durch neue obergerichtliche Entscheidungen oder Gesetzesänderungen überholt worden.
Das Recht entwickelt sich ständig weiter. Stetige Aktualität kann daher nicht gewährleistet werden.
Die schlichte Wiedergabe dieser Entscheidungen vermag daher eine fundierte juristische Beratung keinesfalls zu ersetzen.
Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.
Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.
Es soll auch nicht der falsche Anschein erweckt werden, als seien die veröffentlichten Urteile von der Kanzlei Krau erzielt worden. Das ist in aller Regel nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um einen allgemeinen Auszug aus dem deutschen Rechtsleben zur Information der Rechtssuchenden.
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