Zwangsmittelantrag bei Auskunftstitel

April 30, 2025

Zwangsmittelantrag bei Auskunftstitel

BGH | I ZB 31/24, 07.11.2024 

RA und Notar Krau

Die Gläubigerin, Inhaberin weltweit bekannter Marken für Landfahrzeuge und deren Teile, klagte gegen die Schuldnerin, die Ersatz- und Zubehörteile für Kraftfahrzeuge vertreibt.

Die Schuldnerin bietet sowohl Originalteile als auch Produkte von Drittanbietern an und bezieht ihre Waren aus verschiedenen Quellen, auch aus dem europäischen Ausland.

Ein Abnehmer der Schuldnerin verkaufte über eBay einen Luftfilter, der mit Marken der Gläubigerin versehen war, es sich jedoch nicht um ein Originalprodukt handelte.

Nachdem die Gläubigerin den Abnehmer abgemahnt hatte, teilte dieser mit, den Filter von der Schuldnerin erworben zu haben.

Die Schuldnerin gab daraufhin eine von der Gläubigerin angenommene Unterlassungsverpflichtungserklärung ab.

Anschließend forderte die Gläubigerin von der Schuldnerin auf markenrechtlicher Grundlage Auskunft, Rückruf, Vernichtung und die Feststellung der Schadensersatzpflicht.

Das Landgericht verurteilte die Schuldnerin zur Auskunft über das Inverkehrbringen oder den Besitz von Luftfiltern mit den Marken der Gläubigerin in Deutschland,

sofern diese nicht von der A. AG oder mit deren Zustimmung im Europäischen Wirtschaftsraum in den Verkehr gebracht wurden.

Die Auskunft sollte Namen und Anschriften der Hersteller, Lieferanten, Vorbesitzer, gewerblichen Abnehmer und Verkaufsstellen sowie die Mengen und Preise der betroffenen Waren umfassen.

Zwangsmittelantrag bei Auskunftstitel

Die Berufung der Schuldnerin gegen dieses Urteil wurde vom Oberlandesgericht zurückgewiesen.

Die Schuldnerin erteilte daraufhin über ihre Anwälte Auskunft zu den Namen und Anschriften der genannten Personen und Stellen.

Die Gläubigerin hielt diese Auskunft jedoch für unvollständig und beantragte die Festsetzung eines Zwangsgeldes, ersatzweise Zwangshaft, gegen die Schuldnerin zur Erzwingung der vollständigen Auskunft.

Die Schuldnerin argumentierte, die von verschiedenen Lieferanten erhaltenen Luftfilter seien nach Anlieferung gemeinsam gelagert worden.

Eine Zuordnung einzelner Filter zu bestimmten Lieferanten sei nachträglich nicht mehr möglich.

Anfragen bei den Lieferanten hätten keine Klärung gebracht, welcher die Plagiate geliefert habe.

Das Landgericht setzte daraufhin ein Zwangsgeld von 300 Euro, ersatzweise Zwangshaft, gegen die Schuldnerin fest,

da diese ihrer Auskunftspflicht bezüglich Lieferanten und gewerblicher Abnehmer überwiegend, aber nicht vollständig nachgekommen sei.

Im Übrigen wies es den Antrag zurück, da die Schuldnerin nicht verpflichtet sei, Namen und Anschriften von Lieferanten zu nennen,

bezüglich derer keine Erkenntnisse über die Lieferung gefälschter Ware vorlägen.

Dies gelte analog für die gewerblichen Abnehmer.

Das Beschwerdegericht änderte auf die sofortige Beschwerde der Schuldnerin den Beschluss des Landgerichts ab und wies den Zwangsgeldantrag insgesamt zurück.

Zwangsmittelantrag bei Auskunftstitel

Die sofortige Beschwerde der Gläubigerin gegen die teilweise Zurückweisung des Antrags durch das Landgericht wurde ebenfalls zurückgewiesen.

Gegen die Zurückweisung ihrer Beschwerde legte die Gläubigerin Rechtsbeschwerde ein, deren Zurückweisung die Schuldnerin beantragte.

Entscheidung des Bundesgerichtshofs

Der Bundesgerichtshof wies die Rechtsbeschwerde der Gläubigerin zurück.

Er bestätigte die Auffassung des Beschwerdegerichts, dass die Schuldnerin die titulierte Auskunftsverpflichtung nicht erfüllen könne

und daher kein Zwangsmittel gegen sie verhängt werden dürfe.

Der BGH stellte zunächst klar, dass das Vollstreckungsgericht den Inhalt der Auskunftspflicht durch Auslegung des Vollstreckungstitels ermitteln muss.

Ausgangspunkt dieser Auslegung ist der Tenor der zu vollstreckenden Entscheidung.

Ergänzend können die Entscheidungsgründe und unter bestimmten Umständen auch die Antrags- oder Klagebegründung sowie der Parteivortrag herangezogen werden.

Maßgeblich für die Auslegung des Vollstreckungstitels sind jedoch nicht die materiell-rechtlichen Ansprüche des Gläubigers.

Im vorliegenden Fall ergab die Auslegung des Urteils des Landgerichts, dass die Schuldnerin lediglich verpflichtet ist,

solche Dritten zu benennen, die markenverletzende Ware an sie geliefert oder von ihr erhalten haben.

Eine Verpflichtung, alle potenziellen Lieferanten und Abnehmer zu nennen, bei denen dies lediglich möglich erscheint, besteht nicht.

Der BGH bestätigte die Feststellung des Beschwerdegerichts, dass es der Schuldnerin aufgrund ihrer Lagerhaltung unmöglich sei,

den konkreten Lieferanten der markenverletzenden Luftfilter zu identifizieren und somit auch die gewerblichen Abnehmer dieser Produkte zu benennen.

Da die Verhängung von Zwangsmitteln gemäß § 888 Abs. 1 Satz 1 ZPO voraussetzt, dass die zu erzwingende Handlung

ausschließlich vom Willen des Schuldners abhängt, scheidet eine solche Anordnung bei objektiver oder subjektiver Unmöglichkeit der Handlung aus.

Zwangsmittelantrag bei Auskunftstitel

Die Darlegungslast für die Unmöglichkeit trägt dabei der Schuldner.

Der BGH setzte sich auch mit der von der Gläubigerin angeführten Rechtsprechung des Oberlandesgerichts Köln auseinander, wonach ein Verletzer, der weder Lieferanten noch Abnehmer

nachweislich markenverletzender Ware benennen kann, die Namen der in Betracht kommenden Lieferanten mitteilen müsse.

Der BGH stellte jedoch klar, dass sich diese Ansicht allein auf den materiell-rechtlichen Auskunftsanspruch gemäß § 19 MarkenG beziehe,

der für die Auslegung des titulierten Auskunftsanspruchs grundsätzlich irrelevant sei.

Auch im Rahmen einer Kontrollüberlegung für die Auslegung des Vollstreckungstitels schloss sich der BGH dieser Auffassung nicht an.

Der Vollstreckungstitel verpflichte die Schuldnerin ausschließlich zur Nennung von Lieferanten und Abnehmern von Luftfiltern, die ohne Zustimmung der Gläubigerin im Europäischen Wirtschaftsraum in Verkehr gebracht wurden und somit Markenrechte verletzten.

Diese Tenorierung entspreche § 19 Abs. 1 und 3 MarkenG sowie Art. 8 der Richtlinie 2004/48/EG zur Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums.

Sowohl die nationale als auch die europäische Regelung beschränkten die Auskunftspflicht auf Lieferanten und Abnehmer

tatsächlich markenrechtsverletzender Ware und nicht auf solche, bei denen dies lediglich in Betracht komme.

Da der Vollstreckungstitel die Schuldnerin nicht zur Benennung potenzieller Lieferanten und Abnehmer verpflichte und die Erfüllung der titulierten Verpflichtung unmöglich sei, erübrigte sich eine Prüfung der

Frage, ob eine weitergehende Auslegung des Titels gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verstoßen würde.

Fazit

Der Bundesgerichtshof bestätigte, dass bei der Vollstreckung eines Auskunftsanspruchs der Wortlaut des Titels maßgeblich ist.

Eine Verpflichtung zur Nennung von lediglich potenziell in Frage kommenden Lieferanten und Abnehmern besteht nicht.

Kann der Schuldner aufgrund tatsächlicher Umstände die im Titel konkretisierte Auskunft nicht erteilen, ist die Festsetzung von Zwangsmitteln zur Erzwingung dieser Auskunft unzulässig.

Schlagworte

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Die auf dieser Homepage wiedergegebenen Gerichtsentscheidungen bilden einen kleinen Ausschnitt der Rechtsentwicklung über mehrere Jahrzehnte ab. Nicht jedes Urteil muss daher zwangsläufig die aktuelle Rechtslage wiedergeben.

Einige Entscheidungen stellen Mindermeinungen dar oder sind später im Instanzenweg abgeändert oder durch neue obergerichtliche Entscheidungen oder Gesetzesänderungen überholt worden.

Das Recht entwickelt sich ständig weiter. Stetige Aktualität kann daher nicht gewährleistet werden.

Die schlichte Wiedergabe dieser Entscheidungen vermag daher eine fundierte juristische Beratung keinesfalls zu ersetzen.

Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.

Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.

Es soll auch nicht der falsche Anschein erweckt werden, als seien die veröffentlichten Urteile von der Kanzlei Krau erzielt worden. Das ist in aller Regel nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um einen allgemeinen Auszug aus dem deutschen Rechtsleben zur Information der Rechtssuchenden.

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