Zwei Erbverträge fragliche Schlusserbfolge

September 16, 2017

Zwei Erbverträge fragliche Schlusserbfolge

Bayerisches Oberstes Landesgericht 1ZBR 67/92

RA und Notar Krau

In diesem Fall befasste sich das Bayerische Oberste Landesgericht mit der Auslegung von zwei Erbverträgen, die Ehegatten im Abstand von 20 Jahren geschlossen hatten.

Im Mittelpunkt stand die Frage, ob die im ersten Erbvertrag vereinbarte Schlusserbeneinsetzung durch den zweiten Erbvertrag aufgehoben wurde.

Die Fakten des Falles

Ein Ehepaar hatte 1946 einen Erbvertrag geschlossen, in dem sie sich gegenseitig zu Erben einsetzten und die Tochter des Ehemanns aus erster Ehe als Schlusserbin bestimmten.

1967 schlossen die Ehegatten einen weiteren Erbvertrag, in dem sie ihren Grundbesitz an die Tochter übergaben und ihr zwei Grundstücke als Vermächtnis vermachten.

Nach dem Tod der Ehefrau beantragte die Tochter einen Erbschein als Alleinerbin.

Der Bruder der Erblasserin war der Meinung, dass die Tochter nur Vermächtnisnehmerin sei und die gesetzliche Erbfolge eingetreten sei.

Zwei Erbverträge fragliche Schlusserbfolge

Die Entscheidung des Gerichts

Das Bayerische Oberste Landesgericht entschied, dass die Tochter Alleinerbin ist.

Der zweite Erbvertrag hob die Schlusserbeneinsetzung im ersten Erbvertrag nicht auf.

Begründung des Gerichts

  • Vertragsmäßige Verfügungen: Die Schlusserbeneinsetzung im ersten Erbvertrag war vertragsmäßig bindend. Dies ergab sich aus dem Interesse der Ehegatten an der Bindung des jeweils anderen zugunsten der Tochter.
  • Kein Aufhebungsvertrag: Der zweite Erbvertrag enthielt keine ausdrückliche Aufhebung des ersten Erbvertrags. Auch konnte ein Aufhebungswille nicht im Wege der Auslegung festgestellt werden.
  • Keine Widersprüchlichkeit: Der zweite Erbvertrag widersprach dem ersten Erbvertrag nicht. Die Vermächtnisanordnung stand nicht im Widerspruch zur Schlusserbeneinsetzung.
  • Kein Ersetzungswille: Die Ehegatten hatten im zweiten Erbvertrag nicht zum Ausdruck gebracht, dass die Schlusserbeneinsetzung durch die Vermächtnisse ersetzt werden sollte.
  • Interessenlage der Ehegatten: Die Ehegatten hatten ein Interesse daran, dass die Tochter ihr gesamtes Vermögen erhält. Dies sprach für die Aufrechterhaltung der Schlusserbeneinsetzung.

Zwei Erbverträge fragliche Schlusserbfolge

  • Vermächtnis und Schlusserbeneinsetzung: Die Vermächtnisanordnung im zweiten Erbvertrag war nicht „sinnlos“, da auch der Schlusserbe mit einem Vermächtnis bedacht werden kann.
  • Keine Beeinträchtigung der Schlusserbeneinsetzung: Die Regelungen im zweiten Erbvertrag dienten dazu, den Ehegatten zu Lebzeiten wirtschaftliche Unabhängigkeit zu verschaffen. Sie beeinträchtigten die Schlusserbeneinsetzung nicht.

Fazit

Der Fall BayObLG 1Z BR 67/92 zeigt, dass ein späterer Erbvertrag nicht automatisch einen früheren Erbvertrag aufhebt.

Es müssen ausdrückliche oder durch Auslegung zu ermittelnde Anhaltspunkte für einen Aufhebungswillen vorliegen.

Im Zweifel ist davon auszugehen, dass die Verfügungen in beiden Erbverträgen nebeneinander gelten sollen.

Zusätzliche Anmerkungen:

  • Der Fall verdeutlicht die Bedeutung der Auslegung von Erbverträgen im Erbrecht.
  • Die Gerichte achten genau auf den Willen der Erblasser und die Bindungswirkung von erbvertraglichen Verfügungen.

Zusammenfassend lässt sich sagen:

Das BayObLG hat in diesem Fall die Schlusserbeneinsetzung im ersten Erbvertrag bestätigt und entschieden, dass diese durch den zweiten Erbvertrag nicht aufgehoben wurde.

RA und Notar Krau

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