Zwischenurteil über verlängerte Festsetzungsfrist wegen Steuerhinterziehung bei Erbschaftsteuer

Oktober 29, 2025

Zwischenurteil über verlängerte Festsetzungsfrist wegen Steuerhinterziehung bei Erbschaftsteuer

Der Bundesfinanzhof (BFH) hat in seinem Urteil vom 9. April 2025 (Az. II R 39/21) wichtige Klarstellungen zur Festsetzungsfrist bei Erbschaftsteuer im Zusammenhang mit dem Verdacht der Steuerhinterziehung getroffen.

Was ist das Problem?

Grundsätzlich verjährt die Möglichkeit für das Finanzamt, eine Steuer festzusetzen (Festsetzungsfrist), nach vier Jahren. Liegt jedoch eine Steuerhinterziehung vor, verlängert sich diese Frist auf zehn Jahre (§ 169 Abs. 2 S. 2 AO).

Im vorliegenden Fall hatte ein Erbe (der Kläger) nach dem Tod seiner Frau wesentliche Vermögenswerte (Wertpapiere und Lebensversicherung), die er geerbt oder als Vorschenkung erhalten hatte, nicht im Nachlassverzeichnis gegenüber dem Nachlassgericht angegeben.

Das Finanzamt erfuhr erst Jahre später davon. Es setzte daraufhin nachträglich Erbschaftsteuer fest und berief sich auf die zehnjährige Festsetzungsfrist wegen des Verdachts der Steuerhinterziehung.

Das Finanzgericht (FG) entschied in einem sogenannten Zwischenurteil (§ 99 Abs. 2 FGO), dass die Festsetzungsfrist wegen einer (vermeintlichen) Steuerhinterziehung noch nicht abgelaufen sei, obwohl die Höhe des endgültigen Steueranspruchs noch gar nicht feststand.

Die Entscheidung des BFH

Der BFH hob dieses Zwischenurteil auf. Er stellte klar, dass ein Zwischenurteil über die verlängerte Frist wegen Steuerhinterziehung nicht ergehen darf, wenn noch keine vollständigen Feststellungen über die Hinterziehung vorliegen.

1. Keine Entscheidung ohne Fakten zur Steuerhinterziehung

Die zehnjährige Frist greift nur, soweit tatsächlich eine Steuerhinterziehung (§ 370 AO) vorliegt. Das setzt voraus, dass:

Objektiver Tatbestand: Eine Steuerverkürzung (d. h. eine zu geringe oder nicht festgesetzte Steuer) eingetreten ist.

Zwischenurteil über verlängerte Festsetzungsfrist wegen Steuerhinterziehung bei Erbschaftsteuer

Subjektiver Tatbestand: Der Steuerpflichtige vorsätzlich gehandelt hat, also die Verkürzung zumindest billigend in Kauf genommen hat.

Sowohl das Vorliegen der Steuerverkürzung (Grund und Höhe des Steueranspruchs) als auch der Vorsatz müssen mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit festgestellt werden. Dies ist Aufgabe des Finanzgerichts.

2. Fehler des Finanzgerichts

Das Finanzgericht hatte die verlängerte Frist bejaht, ohne alle Tatsachen zum Grund und zur Höhe des hinterzogenen Steueranspruchs festzustellen. Es war noch unklar, wie hoch die endgültige Erbschaftsteuer überhaupt ist, und damit auch, ob und in welcher Höhe Steuern verkürzt wurden und ob der Erbe dies vorsätzlich in Kauf nahm. Ohne diese konkreten Feststellungen ist ein Zwischenurteil unzulässig und nicht sachdienlich.

3. Konsequenzen für den Fall

Der BFH hat das Verfahren an das Finanzgericht zurückgegeben (genauer: es befindet sich wieder im Zustand vor dem Zwischenurteil). Das FG muss nun im Hauptsacheverfahren alle Fakten sammeln und prüfen, ob die objektiven und subjektiven Voraussetzungen der Steuerhinterziehung in Bezug auf die Erbschaftsteuer erfüllt sind.

Fazit

Die Verlängerung der Festsetzungsfrist auf 10 Jahre ist kein Automatismus, der allein aus einem Verdacht oder einer verspäteten Meldung folgt. Das Finanzamt (und das Gericht) müssen konkret nachweisen, dass Steuerhinterziehung vorliegt – und das beinhaltet die vollständige Klärung des tatsächlichen, hinterzogenen Steuerbetrags und des Vorsatzes des Steuerpflichtigen.

Ohne diese umfassenden Feststellungen darf ein Gericht die verlängerte Frist nicht vorab per Zwischenurteil bestätigen.

Das Urteil unterstreicht, dass die Finanzgerichte die Voraussetzungen der Steuerhinterziehung, insbesondere den Grund und die Höhe des Steueranspruchs, sorgfältig prüfen müssen, bevor sie eine verlängerte Festsetzungsfrist bestätigen.

RA und Notar Krau

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