Auslegung bei aufeinanderfolgenden Testamente ohne ausdrücklichen Widerruf des früheren – Saarländisches OLG 5 W 30/20

Mai 10, 2021

Auslegung bei aufeinanderfolgenden Testamente ohne ausdrücklichen Widerruf des früheren – Saarländisches OLG 5 W 30/20

Neu formatiert von RA und Notar Krau

Der Beschluss des Saarländischen Oberlandesgerichts vom 07.09.2020 (Az. 5 W 30/20) befasst sich mit der Auslegung letztwilliger Verfügungen,

wenn zwei aufeinanderfolgende Testamente vorliegen und das spätere keinen ausdrücklichen Widerruf des früheren enthält.   

Der Fall:

Die Erblasserin hatte zunächst ein notarielles Testament errichtet, in dem sie ihren Lebensgefährten als Alleinerben einsetzte.

Einige Monate später verfasste sie ein handschriftliches Testament, in dem sie verschiedenen Personen einzelne Gegenstände vermachte.

Der Freund der Erblasserin beantragte einen Erbschein als Alleinerbe basierend auf dem handschriftlichen Testament.

Er argumentierte, dass die Erblasserin ihm durch die Zuwendung von Bargeld und Schmuck zum Alleinerben bestimmt habe.

Auslegung bei aufeinanderfolgenden Testamente ohne ausdrücklichen Widerruf des früheren – Saarländisches OLG 5 W 30/20

Der Lebensgefährte der Erblasserin widersprach dem Erbscheinsantrag und beantragte seinerseits einen Erbschein als Alleinerbe basierend auf dem notariellen Testament.

Die Entscheidung:

Das OLG Saarbrücken entschied, dass der Lebensgefährte der Erblasserin Alleinerbe ist. Das handschriftliche Testament enthielt lediglich Vermächtnisse und keine Erbeinsetzung.

Begründung:

  • Kein Widerruf des früheren Testaments: Das handschriftliche Testament enthielt keinen ausdrücklichen Widerruf des notariellen Testaments. Ein konkludenter Widerruf nach § 2258 BGB lag ebenfalls nicht vor, da die Anordnungen in beiden Testamenten nicht im Widerspruch zueinander standen.
  • Auslegung des handschriftlichen Testaments: Das handschriftliche Testament war als Ergänzung zum notariellen Testament zu verstehen. Die Erblasserin wollte mit dem handschriftlichen Testament lediglich Vermächtnisse aussetzen und nicht die Erbfolge neu regeln.
  • Keine Erbeinsetzung im handschriftlichen Testament: Das handschriftliche Testament enthielt keine eindeutige Erbeinsetzung. Die bloße Formulierung, dass bestimmte Personen einzelne Gegenstände „bekommen“ sollten, reichte nicht aus, um eine Erbeinsetzung anzunehmen.
  • Kein Widerspruch zwischen den Testamenten: Die Anordnungen in beiden Testamenten waren miteinander vereinbar. Die Vermächtnisse im handschriftlichen Testament ließen die Erbeinsetzung des Lebensgefährten im notariellen Testament unberührt.

Auslegung bei aufeinanderfolgenden Testamente ohne ausdrücklichen Widerruf des früheren – Saarländisches OLG 5 W 30/20

Fazit:

Der Beschluss verdeutlicht, dass bei der Auslegung aufeinanderfolgender Testamente der wirkliche Wille des Erblassers zu erforschen ist. Im Zweifel wird davon ausgegangen, dass ein späteres Testament ein früheres Testament nicht widerruft, sondern ergänzt.

Zusätzliche Hinweise:

  • Die Entscheidung ist relevant für die Praxis, da sie die Regelung des § 2258 BGB zur konkludenten Testamentsaufhebung präzisiert.
  • Es ist ratsam, bei der Errichtung mehrerer Testamente klarzustellen, in welchem Verhältnis diese zueinander stehen.
  • Im Zweifel sollte anwaltliche Beratung in Anspruch genommen werden.

Schlagworte

Warnhinweis:

Die auf dieser Homepage wiedergegebenen Gerichtsentscheidungen bilden einen kleinen Ausschnitt der Rechtsentwicklung über mehrere Jahrzehnte ab. Nicht jedes Urteil muss daher zwangsläufig die aktuelle Rechtslage wiedergeben.

Einige Entscheidungen stellen Mindermeinungen dar oder sind später im Instanzenweg abgeändert oder durch neue obergerichtliche Entscheidungen oder Gesetzesänderungen überholt worden.

Das Recht entwickelt sich ständig weiter. Stetige Aktualität kann daher nicht gewährleistet werden.

Die schlichte Wiedergabe dieser Entscheidungen vermag daher eine fundierte juristische Beratung keinesfalls zu ersetzen.

Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.

Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.

Es soll auch nicht der falsche Anschein erweckt werden, als seien die veröffentlichten Urteile von der Kanzlei Krau erzielt worden. Das ist in aller Regel nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um einen allgemeinen Auszug aus dem deutschen Rechtsleben zur Information der Rechtssuchenden.

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