Grundbuch: Berichtigungsanspruch trotz Nichtvorlage des Gesellschaftsvertrages einer GbR
LG Mainz 8. Zivilkammer, 8 T 147/07
Grundbuch: Berichtigungsanspruch trotz Nichtvorlage des Gesellschaftsvertrages einer GbR
Ausnahmsweiser Verzicht auf Vorlage des Gesellschaftsvertrags bei Grundbuchunrichtigkeit, falls Unrichtigkeitsnachweis in anderer Form erbracht wird.(Rn.6)
Tenor
Der Beschluss des Amtsgerichtes Bingen vom 14. Mai 2007 wird aufgehoben.
Die Rechtspflegerin wird angewiesen, den Antrag auf Eintragung der Grundbuchberichtigung nicht aus den Gründen des angefochtenen Beschlusses zurückzuweisen.
Gründe
Die Beschwerdeführer wenden sich mit ihrer Beschwerde gegen die Zurückweisung ihres Antrages auf Berichtigung des Grundbuches für den oben genannten Grundbesitz. Für diese Grundbuchstellen sind Herr G. Gg. Wd. und seine Ehefrau W. Hg. Wd. als Gesellschafter bürgerlichen Rechtes eingetragen. Nach dem Tod des Gesellschafters G. Wd. am 27. März 1999 wurden der Antragsteller zu 1) sowie Frau Hg. W. Wd. gesetzliche Erben zu je ½. Alleinerbe der am 03. Juni 2005 verstorbenen Frau Hg. W. Wd. wurde der Antragsteller zu 1).
Die Antragsteller haben durch notarielle Urkunde vom 16. März 2007 beantragt, das Grundbuch dahingehend zu berichtigen, dass die BGB-Gesellschaft nach dem Tod von Herrn G. Gg. Wd. mit den Erben weitergeführt worden sei. Darüber hinaus sei aufgrund Vereinbarung vom 28. März 1999 die Beteiligung des Antragstellers zu 1) an der BGB-Gesellschaft auf seine Mutter, Frau Hg. W. Wd. übertragen worden. Diese habe dann gleichzeitig einen 6 %-Anteil an der BGB-Gesellschaft an die Antragstellerin zu 2) – unter Zustimmung aller Gesellschafter – übertragen. Ferner wird beantragt, die Liquidationsgesellschaft in Erbengemeinschaft nach dem Tode der Frau Hg. W. Wd. einzutragen. Der notarielle Grundbuchberichtigungsantrag und die Berichtigungsbewilligung wurden von den Antragstellern am 16. März 2007 handschriftlich unterzeichnet.
Das Grundbuchamt hat mit Beschluss vom 14. Mai 2007 die Eintragung der Grundbuchberichtigung kostenpflichtig zurückgewiesen und im Wesentlichen ausgeführt, dass der Gesellschaftsvertrag nicht vorgelegt und der Inhalt in anderer Weise nicht zur Überzeugung des Grundbuchamtes nachgewiesen worden sei. Gegen diesen Beschluss hat der Verfahrensbevollmächtigte der Antragsteller mit Schreiben vom 21. Mai 2007 Beschwerde eingelegt und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, dass die Gesellschaft lediglich durch konkludentes Handeln zustande gekommen sei, einen Gesellschaftsvertrag weder bei Gründung der Gesellschaft noch später schriftlich abgefasst worden sei. Daher sei die Vorlage eines Gesellschaftsvertrages faktisch nicht möglich.
Die gemäß § 71 GBO statthafte und zulässige Beschwerde ist auch begründet. Der Beschluss des Amtsgerichtes Bingen hält einer rechtlichen Überprüfung nicht stand.
Änderungen im Gesellschafterbestand einer im Grundbuch eingetragenen BGB-Gesellschaft führen zur Grundbuchunrichtigkeit. Insoweit zutreffend hat das Amtsgericht Bingen ausgeführt, dass im Falle des Todes eines Gesellschafters dem Grundbuchamt grundsätzlich der Gesellschaftsvertrag in der Form des § 29 GBO vorgelegt werden muss, weil nur ihm entnommen werden kann, welche Rechtsfolgen mit dem Tode eingetreten sind (Meikel/Böttcher, Grundbuchrecht, 9. Aufl., § 22 RdNr. 124; OLG Zweibrücken, Rechtspfleger 1996, 192; BayObLG, BNotZ 1998, 811). Der Grund für dieses Erfordernis liegt darin, dass sich beim Tod eines BGB-Gesellschafters die Rechtsfolge hinsichtlich des Gesellschaftsanteiles nicht nach dem Erbrecht vollzieht, vielmehr gesellschaftsrechtliche Regeln maßgebend sind. Damit reicht allein eine Berichtigungsbewilligung der Erben in keinem Falle aus (BayObLG, a.a.O.).
Umstritten ist allerdings, wie zu verfahren ist, wenn der Gesellschaftsvertrag nicht in der Form des § 29 GBO oder wenn – wie vorliegend – gar kein schriftlicher Gesellschaftsvertrag vorgelegt werden kann. Die obergerichtliche Rechtsprechung billigt insoweit Ausnahmen von dem oben genannten Grundsatz in der Weise zu, dass statt eines Gesellschaftsvertrages in der Form des § 29 GBO auch ein privatschriftlicher Vertrag ausreichend sei (OLG Zweibrücken, a.a.O.). Noch weiter geht das Bayerische Oberste Landesgericht (DNotZ, a.a.O.), das in den Fällen, in denen gar kein schriftlicher Gesellschaftsvertrag vorliegt, demjenigen, der die Grundbuchberichtigung betreibt, die rechtliche Möglichkeit einräumt, zur Überzeugung des Grundbuchamtes darzulegen, welchen Inhalt der Gesellschaftsvertrag unter Berücksichtigung späterer Änderungen hat. Insoweit liegt hierin auch kein Widerspruch zur grundsätzlichen Rechtsprechung, da in Rechtsprechung und Schrifttum allgemein anerkannt ist, dass in Ausnahmefällen auf einen formgerechten Nachweis verzichtet werden kann und eine freie Beweiswürdigung durch das Grundbuchamt möglich ist (BayObLG, a.a.O.; Demharter, GBO, 25. Auflage, § 29 RdNr. 63 ff. m.w.N.).
Demgegenüber vertritt Schöner (Schöner/Stöber, Grundbuchrecht, 13. Auflage, RdNr. 983 a; Schöner, Anmerkung zur Entscheidung des Bayerischen Obersten Landesgerichtes, DNotZ 1998, Blatt 815) die Auffassung, dass in den Fällen, in denen der Gesellschaftsvertrag nicht in der Form des § 29 GBO hinsichtlich der Rechtsnachfolgeklausel nachgewiesen werden könne, die Grundbuchberichtigung nur durch Berichtigungsbewilligung aller verbleibenden Gesellschafter und aller Erben, die ihre Erbenstellung nach § 35 GBO nachzuweisen haben, erreicht werden könne.
Vorliegend erübrigt sich eine Entscheidung zwischen den beiden vorgenannten Alternativen, da die nun von den Antragstellern vorgelegte notarielle Berichtigungsbewilligung vom 16. März 2007 den Erfordernissen sowohl der Rechtsprechung als auch der von Schöner vertretenen Auffassung entspricht. Durch die vorgelegte Urkunde haben die Antragsteller den Unrichtigkeitsnachweis – in der für sie möglichen und von der Rechtsprechung ermöglichten Form – erbracht. Zwar hat das Grundbuchamt bei dem Nachweis der Unrichtigkeit strenge Anforderungen zu stellen, da es ja hier gegen oder zumindest ohne den Willen des Betroffenen eine Änderung des Buchinhaltes vornehmen soll. Es genügt also weder irgendein Grad der Wahrscheinlichkeit oder gar nur Glaubhaftmachung, sondern das Grundbuchamt muss von der gegenwärtigen Grundbuchunrichtigkeit voll und ganz überzeugt sein. Ganz entfernte Möglichkeiten brauchen nicht widerlegt zu werden (Meikel/Böttcher, a.a.O., § 22 RdNr. 104).
Durch ihre Erklärungen in der notariellen Urkunde des Notariatsverwalters Dr. H. (Urkunden Nr. …/2007 V) vom 16. März 2007 über die einzelnen Gesellschaftsvereinbarungen haben die Antragsteller allerdings in ausreichender Form nachgewiesen, dass sich die Gesellschaft in der oben beschriebenen Weise fortentwickelt hat.
Gleichzeitig erfüllt die notarielle Erklärung auch die Anforderungen, die Schöner aufgestellt hat. Danach genügt der Vortrag, dass alle Beteiligten lediglich darüber übereinstimmen, dass der vorhandene Eintrag unrichtig und die verlangte Eintragung richtig ist, nicht. Die Bewilligung hat vielmehr die Ursache (den Grund) der Grundbuchunrichtigkeit darzustellen, somit Tatsachen zu bezeichnen, aus denen die Grundbuchunrichtigkeit schlüssig folgt (Schöner/Stöber, a.a.O., RdNr. 364). Die Berichtigungsbewilligung hat dabei von allen verbleibenden Gesellschaftern und allen nach § 35 GBO ausgewiesenen Erben des durch Tod ausgeschiedenen Gesellschafters zu erfolgen.
Auch diese Kriterien sind hier erfüllt. Bei den Antragstellern handelt es sich sowohl um die – noch lebenden – Erben der eingetragenen Gesellschafter als auch um die – früheren – Mitgesellschafter. Hinweise auf weitere Erben bzw. sonstige Gesellschafter liegen nicht vor. Im Übrigen ist im Rahmen der notariellen Urkunde seitens der Antragsteller nachvollziehbar und schlüssig dargelegt worden, wie sich die Gesellschaft des bürgerlichen Rechtes weiter entwickelt hat.
Nach alledem war der Beschluss des Amtsgerichtes Bingen aufzuheben. Über den Berichtigungsantrag der Antragsteller ist unter Beachtung der vorgenannten Rechtsauffassung der Kammer neu zu entscheiden.
Das Verfahren ist gebührenfrei (§ 131 Abs. 1 Satz 2 KostO).