Auslegung einer Erklärung als Schubladenvollmacht – OLG Karlsruhe 19 W 29/23 (Wx)

Mai 18, 2024

Auslegung einer Erklärung als Schubladenvollmacht – OLG Karlsruhe 19 W 29/23 (Wx)

RA und Notar Krau

Der Beschluss des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 29.09.2023 befasst sich mit der Auslegung einer sogenannten „Schubladenvollmacht“ im Zusammenhang mit der Löschung einer Erwerbsvormerkung im Grundbuch.

Sachverhalt:

Ein Käufer (S.) schloss mit einem Bauträger (G. GmbH & Co. KG) einen Bauträgervertrag über den Kauf eines Grundstücks.

Zur Sicherung des Eigentumsanspruchs des Käufers wurde eine Vormerkung im Grundbuch eingetragen.

Der Käufer erteilte dem Bauträger gleichzeitig eine Vollmacht („Schubladenvollmacht“), die Löschung der Vormerkung zu beantragen,

falls der Käufer in Zahlungsverzug gerät und der Bauträger vom Vertrag zurücktritt.

Der Bauträger trat später vom Vertrag zurück und beantragte aufgrund der Vollmacht die Löschung der Vormerkung.

Das Grundbuchamt wies den Antrag zurück, da die Voraussetzungen für die Ausübung der Vollmacht nicht im Grundbuchverfahren nachgewiesen wurden.

Auslegung einer Erklärung als Schubladenvollmacht – OLG Karlsruhe 19 W 29/23 (Wx)

Entscheidung des OLG:

Das OLG hob die Entscheidung des Grundbuchamts auf und wies dieses an, die Löschung der Vormerkung zu vollziehen.

Begründung:

Das OLG stellte fest, dass die im Vertrag genannten Voraussetzungen für die Ausübung der Vollmacht (Zahlungsverzug, Rücktritt) keine Bedingungen im Sinne einer aufschiebenden Bedingung darstellen,

sondern lediglich eine Ausübungsbeschränkung im Innenverhältnis zwischen Käufer und Verkäufer.

Wesentliche Punkte der Begründung:

  • Schubladenvollmacht: Eine Schubladenvollmacht dient dazu, dem Verkäufer die Möglichkeit zu geben, nach einem Rücktritt vom Kaufvertrag die Vormerkung ohne Mitwirkung des Käufers zu löschen. Dies ist insbesondere dann sinnvoll, wenn der Käufer nicht erreichbar ist oder die Löschung verweigert.
  • Auslegung der Vollmacht: Bei der Auslegung der Vollmacht ist auf die Interessenlage der Parteien abzustellen. Im Zweifel ist der geringere Vollmachtumfang anzunehmen. Im vorliegenden Fall spräche die Interessenlage dafür, dass die Voraussetzungen für die Ausübung der Vollmacht nur im Innenverhältnis gelten. Andernfalls wäre die Vollmacht in der Praxis kaum anwendbar, da die Voraussetzungen im Grundbuchverfahren nur schwer nachzuweisen wären.
  • Notarbindung: Die im Vertrag vorgesehene Notarbindung gewährleistet, dass die Voraussetzungen für die Ausübung der Vollmacht geprüft werden. Der Notar hat sicherzustellen, dass der Verkäufer wirksam vom Vertrag zurückgetreten ist, bevor er die Löschung der Vormerkung bewilligt.
  • Rechtliches Gehör: Das OLG betonte, dass dem Käufer vor der Löschung der Vormerkung rechtliches Gehör zu gewähren ist. Das Grundbuchamt muss daher sicherstellen, dass der Käufer über die beabsichtigte Löschung informiert wird und die Möglichkeit hat, Einwände zu erheben.

Auslegung einer Erklärung als Schubladenvollmacht – OLG Karlsruhe 19 W 29/23 (Wx)

Fazit:

Der Beschluss des OLG Karlsruhe verdeutlicht die Bedeutung der „Schubladenvollmacht“ im Bauträgerrecht.

Sie ermöglicht dem Verkäufer eine effiziente Löschung der Vormerkung nach einem Rücktritt vom Kaufvertrag.

Die Entscheidung zeigt auch, dass die Auslegung von Vollmachten im Grundbuchverfahren anhand der Interessenlage der Parteien und des Zwecks der Vollmacht zu erfolgen hat.

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Die auf dieser Homepage wiedergegebenen Gerichtsentscheidungen bilden einen kleinen Ausschnitt der Rechtsentwicklung über mehrere Jahrzehnte ab. Nicht jedes Urteil muss daher zwangsläufig die aktuelle Rechtslage wiedergeben.

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Das Recht entwickelt sich ständig weiter. Stetige Aktualität kann daher nicht gewährleistet werden.

Die schlichte Wiedergabe dieser Entscheidungen vermag daher eine fundierte juristische Beratung keinesfalls zu ersetzen.

Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.

Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.

Es soll auch nicht der falsche Anschein erweckt werden, als seien die veröffentlichten Urteile von der Kanzlei Krau erzielt worden. Das ist in aller Regel nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um einen allgemeinen Auszug aus dem deutschen Rechtsleben zur Information der Rechtssuchenden.

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