Auslegung einer Erklärung als Schubladenvollmacht – OLG Karlsruhe 19 W 29/23 (Wx)

Mai 18, 2024

Auslegung einer Erklärung als Schubladenvollmacht – OLG Karlsruhe 19 W 29/23 (Wx)

Inhaltsverzeichnis

  1. Einleitung
    • Hintergrund und Bedeutung der Schubladenvollmacht
    • Ziel der Entscheidung des OLG Karlsruhe
  2. Sachverhalt
    • Bauträgervertrag zwischen Beteiligtem S. und G. GmbH & Co. KG
    • Eintragung und Löschung der Erwerbsvormerkung
    • Notarielle Vollmacht und ihre Bedingungen
  3. Rechtlicher Rahmen
    • Definition und rechtliche Einordnung der Schubladenvollmacht
    • Relevante gesetzliche Bestimmungen (z.B. §§ 883, 894, 181 BGB; § 29 GBO)
  4. Streitpunkt und Argumentation
    • Argumente des Amtsgerichts Mannheim
    • Gegenargumente des Notars und der Beschwerdeführer
  5. Entscheidung des OLG Karlsruhe
    • Zulässigkeit und Begründetheit der Beschwerde
    • Auslegung der Vollmacht im Innen- und Außenverhältnis
    • Relevanz der Notarbindung
  6. Implikationen der Entscheidung
    • Auswirkungen auf die Praxis der Schubladenvollmacht
    • Bedeutung für die Vertragsgestaltung und notarielle Praxis
  7. Rechtliches Gehör und Verfahrensrecht
    • Gewährung des rechtlichen Gehörs nach Art. 103 Abs. 1 GG
    • Verfahrensrechtliche Anforderungen und Maßnahmen
  8. Schlussfolgerungen
    • Zusammenfassung der Entscheidung und ihrer Begründung
    • Zukünftige Auswirkungen auf ähnliche Fälle
  9. Anhang
    • Volltext der Entscheidung des OLG Karlsruhe (19 W 29/23)
    • Wichtige Gesetzestexte und Kommentierungen


Mit Rücksicht auf die Interesslange der Parteien begründet eine sog. “Schubladenvollmacht” regelmäßig eine auf das Innenverhältnis bezogene Ausübungsbeschränkung: Infolge eines Rücktritts verliert der Käufer seinen Übereignungsanspruch, sodass eine typischerweise eingetragene Vormerkung materiell-rechtlich wirkungslos wird.

Dem Instrument einer “Schubladenvollmacht” kommt bei dieser Sachlage grundsätzlich der Zweck zu, einen dementsprechenden Berichtigungsanspruch des Verkäufers gemäß § 894 BGB gegen den Käufer ohne jedweden Aufwand durchzusetzen.

Tenor

1

Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Amtsgerichts Mannheim vom 06.04.2023, Az. MAN012 GRG 306 12023 (…)

    aufgehoben.

    2. Das Grundbuchamt wird angewiesen, den beschwerdegegenständlichen Antrag nicht aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung zurückzuweisen.

    Auslegung einer Erklärung als Schubladenvollmacht – OLG Karlsruhe 19 W 29/23 (Wx) – Gründe


    I.

    Die Beschwerde richtet sich gegen die Zurückweisung des Antrags vom 30.01.2023 auf Löschung einer Erwerbsvormerkung.

    Der Beteiligte S. schloss als Käufer mit der G. GmbH & Co. KG als Verkäuferin am 14.06.2022 einen Bauträgervertrag.

    Darin bewilligte und beantragte die Verkäuferin als Eigentümerin des fraglichen Grundstücks zur Sicherung des käuferseitigen Anspruchs auf Übertragung des Eigentums an dem Vertragsobjekt eine Vormerkung gemäß § 883 BGB (vgl. § 3).

    Auslegung einer Erklärung als Schubladenvollmacht – OLG Karlsruhe 19 W 29/23 (Wx)

    Zur vereinfachten Lastenfreistellung des Vertragsobjekts erteilte der Käufer zugleich der Verkäuferin – unter Befreiung von den Beschränkungen des § 181 BGB – die Vollmacht, alle zur Löschung der bewilligten Auflassungsvormerkung erforderlichen Erklärungen und Anträge abzugeben (vgl. ebenso § 3); weiter heißt es dort wörtlich:

    “Von dieser Vollmacht kann nur vor dem amtierenden Notar, Vertreter oder Amtsnachfolger Gebrauch gemacht werden und erst dann, wenn folgende Voraussetzungen vorliegen:

    a. Der Verkäufer hat dem Notar schriftlich mitgeteilt, dass er von dem vertragsgegenständlichen Kaufvertrag wegen Zahlungsverzuges des Käufers zurückgetreten ist;

    b. der Notar hat dem Käufer Durchschrift dieses Schreibens mit Einschreiben/Rückschein an die in diesem Vertrag genannte Anschrift unter Hinweis auf die hier getroffene Regelung zugestellt; der Notar wies den Käufer in diesem Zusammenhang darauf hin, dass dieser (Käufer) im eigenen Interesse jeden Wechsel seiner Anschrift dem Notar unverzüglich mitteilen sollte, da den Notar insofern keine Nachforschungspflichten treffen;

    c. der Käufer hat nicht innerhalb von vier Wochen nach Zugang des vorgenannten Schreibens,

    entweder die Zahlung des geschuldeten Kaufpreises bzw. der vom Verkäufer angeforderten Beträge nachgewiesen,

    oder Gründe dargelegt, die der Kaufpreisfälligkeit entgegenstehen oder Zurückbehaltungsrechte begründen,

    oder dargelegt, dass Zahlungen erfolgt sind, es sei denn der Verkäufer hat dem Notar die Rückzahlung der genannten Beträge an den Käufer bzw. an das den Kaufpreis finanzierende Kreditinstitut nachgewiesen.”

    Mit Datum vom 13.07.2022 legte der Notar dem Amtsgericht Mannheim – Grundbuchamt diesen Bauträgervertrag – als Urkunde UVZ-Nr. xxx – vor und stellte einen Eintragungsantrag nach § 15 GBO in Bezug auf die Erwerbsvormerkung. Anschließend gelangte die Vormerkung zur Eintragung.

    Mit Datum vom 17.01.2023 wurde die Löschung der Vormerkung beantragt. Der Notar legte dem Amtsgericht Mannheim – Grundbuchamt eine Löschungsbewilligung nebst -antrag von Seiten der Verkäuferin vor.

    Nach wirksamem Rücktritt vom schuldrechtlichen Teil des Bauträgervertrages bewilligte und beantragte diese aufgrund der ihr erteilten Vollmacht in dem Bauträgervertrag vom 14.06.2022 namentlich die Löschung der in Rede stehenden Vormerkung im Grundbuch auf ihre Kosten. Der Notar stellte einen dementsprechenden Eintragungsantrag nach § 15 GBO.

    Insoweit meldete das Amtsgericht Mannheim – Grundbuchamt mit Datum vom 07.02.2023 im Zuge einer Zwischenverfügung Bedenken an. Die Vertretungsmacht der Verkäuferin bei Abgabe der Löschungsbewilligung sei dem Grundbuchamt nicht nachgewiesen worden. Die im fraglichen Vertrag erteilte Vollmacht sei unter der Bedingung des Eintritts der dort genannten Voraussetzungen erteilt worden.

    Der Eintritt dieser Voraussetzungen sei dem Grundbuchamt nicht nachgewiesen. Ein Nachweis in der Form des § 29 GBO werde ohnehin als nicht möglich erachtet. Zur Löschung der Vormerkung bedürfe es somit der Löschungsbewilligung des Käufers oder eines ebendies ersetzenden Urteils (§§ 19, 29 GBO).

    Diesen Bedenken trat der Notar mit Schreiben vom 17.03.2023 entgegen. Die im Bauträgervertrag vereinbarten Vollmachtklauseln beträfen nicht das Außenverhältnis, sondern allein das Innenverhältnis. Dies folge aus einer Auslegung des Vertrages.

    Die fraglichen Voraussetzungen bezögen sich auf Umstände, die sich einem Nachweis durch öffentliche Urkunden (§ 29 GBO) von vornherein entzögen. Gelangte man zu einer Einschränkung im Außenverhältnis, hätten die Beteiligten eine Vollmacht erteilt, von der praktisch kaum jemals Gebrauch gemacht werden könnte.

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    Wenn sich der Nachweis eines (wirksamen) Rücktritts ausnahmsweise in Form des § 29 GBO führen ließe, wäre die Vollmacht bedeutungslos. Denn aufgrund ihrer Akzessorietät wäre die Vormerkung eines Rücktritts kraft Gesetzes gegenstandslos geworden und somit mittels Unrichtigkeitsnachweises (§ 22 GBO) löschbar.

    Vor diesem Hintergrund gehe der übereinstimmende Wille der Parteien dahin, dass das Vorliegen der fraglichen Voraussetzungen nur vom Notar zu prüfen sei. Anderenfalls ergäbe auch die Beschränkung der Vollmacht auf den amtierenden Notar kaum Sinn.

    In der Folge erging der beschwerdegegenständliche Zurückweisungsbeschluss vom 06.04.2023; der Antrag vom 30.01.2023 auf Löschung der eingetragenen Erwerbsvormerkung wurde vom Amtsgericht Mannheim – Grundbuchamt kostenpflichtig zurückgewiesen.

    Dem Vollzug stehe ein Hindernis entgegen. Dieses Hindernis bestehe darin, dass die Vertretungsmacht des Verkäufers bei Abgabe der Löschungsbewilligung dem Grundbuchamt nicht nachgewiesen worden sei. Die im Bauträgervertrag gemäß § 3 erteilte Vollmacht sei unter der Bedingung des Eintritts bestimmter Voraussetzungen erteilt worden.

    Im Falle einer solchen Beschränkung sei festzustellen, ob es sich um eine Beschränkung im Außenverhältnis oder lediglich um eine im Innenverhältnis geltende Verwendungsabrede handele. Diese Frage sei im Wege der Auslegung zu beantworten, wobei im Zweifel bei mehreren Möglichkeiten der geringere Vollmachtumfang anzunehmen sei.

    Im vorliegenden Fall sei bei der Erteilung der Vollmacht ausdrücklich bestimmt worden, dass von ihr nur bei Vorliegen näher bezeichneter Voraussetzungen Gebrauch gemacht werden könne. Ausdrücklich sei die Rede von “Können” und nicht lediglich von “Dürfen”.

    Die gewählte Formulierung lasse daher keine an den Notar gerichtete Anweisung erkennen, die Bewilligung nur unter bestimmten Voraussetzungen zu beurkunden. Vielmehr sei das Vorliegen der nachfolgenden Bedingungen neben dem Gebrauch vor dem beurkundenden Notar, als kumulativ zu erfüllende Voraussetzung genannt. Bei dieser Sachlage sei von einer das Außenverhältnis betreffenden Bedingung auszugehen.

    Allein das Argument, dass die Vollmacht damit zur Abgabe von Erklärungen gegenüber dem Grundbuchamt unbrauchbar sei, genüge nicht, um eine nur interne Anweisung zu begründen. Mithin sei die Vollmacht unter einer aufschiebenden Bedingung erteilt, sodass der Bedingungseintritt in der Form des § 29 GBO nachgewiesen werden müsse; ebendies sei vorliegend weder geschehen noch möglich.

    Hiergegen richtet sich die Beschwerde vom 06.04.2023.

    In der Folge half das Amtsgericht Mannheim – Grundbuchamt der Beschwerde mit Beschluss vom 19.04.2023 nicht ab. Dabei führte es wiederum aus, dass die Vertretungsmacht des Verkäufers bei Abgabe der Löschungsbewilligung dem Grundbuchamt nicht nachgewiesen worden sei.

    Wegen des weiteren Beschwerdevorbringens und des Sachverhalts im Übrigen wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

    II.

    Auslegung einer Erklärung als Schubladenvollmacht – OLG Karlsruhe 19 W 29/23 (Wx)

    Die zulässige Beschwerde hat auch in der Sache Erfolg.

    Die Zulässigkeitsvoraussetzungen sind gegeben.

      Die Beschwerde ist statthaft; gegen die angefochtene Entscheidung ist das Rechtsmittel der unbefristeten Beschwerde gegeben, § 71 Abs. 1 GBO i.V.m. § 11 Abs. 1 RPfIG. Auch ist die Beschwerde in der Form des § 73 Abs. 1, 2 GBO eingelegt worden.

      Die Beschwerdeberechtigung folgt daraus, dass die angefochtene Entscheidung des Grundbuchamtes die Interessen der Eigentümerin beeinträchtigt (vgl. dazu eingehend BeckOK GBO/Kramer, 50. Ed. 01.08.2023, GBO § 71 Rn. 12, 177ff m.w.N.); die Vollmacht des Notars wird gemäß § 15 Abs. 2 GBO vermutet.

      Das Rechtsmittel ist in der Sache begründet. Das Amtsgericht Mannheim – Grundbuchamt durfte den Antrag vom 30.01.2023 auf Löschung der eingetragenen Erwerbsvormerkung nicht aus den genannten Gründen zurückzuweisen.

        Ein Anspruch auf Löschung ergibt sich hier im Grundsatz aus § 19 GBO. Hiernach erfolgt eine Eintragung, wenn derjenige sie bewilligt, dessen Recht von ihr betroffen ist. So liegt der Fall hier, nachdem die Verkäuferin die Bewilligung stellvertretend für den Käufer durch den Notar erklärte.

        Vorliegend hat der Käufer die Verkäuferin vorweg im Wege einer sog. Schubladenvollmacht vertraglich dazu ermächtigt, die Löschung der Erwerbsvormerkung zu beantragen.

        Dem steht der Umstand nicht entgegen, dass im Zusammenhang mit der Vollmacht vertraglich näher bezeichnete Voraussetzungen definiert werden. Vor allem mit Rücksicht auf die Interesslange der Parteien ist insoweit von auf das Innenverhältnis bezogenen Ausübungsbeschränkungen auszugehen; die in § 3 Nr. 1 des Bauträgervertrags enthaltenen Beschränkungen entfalten im gegebenen Außenverhältnis demgemäß keine Wirkung.

        Die dort vertraglich vorgesehene Notarbindung ist ebenfalls gewahrt. Anhaltspunkte für einen Vollmachtmissbrauch sind derzeit ebenfalls nicht ersichtlich. Nach allgemeinen Grundsätzen wäre dem Beteiligten von Seiten des Grundbuchamts vor der Löschung des fraglichen Rechts noch rechtliches Gehör zu gewähren.

        Dieses Ergebnis und das ihm zugrundeliegende Auslegungsergebnis in Gestalt einer Ausübungsbeschränkung im Innenverhältnis folgen im Einzelnen aus den nachstehenden Erwägungen:

        a) Im Grundbuchverfahren ist die Abgabe der Bewilligung durch einen Vertreter zulässig. Dabei ist es nicht notwendig, dass die Bewilligung ausdrücklich im Namen des Vertretenen erklärt wird; vielmehr ist es ausreichend, wenn sich dies aus den Umständen ergibt.

        Die von einem Vertreter abgegebene Bewilligung kann im Eintragungsverfahren nur dann verwendet werden, wenn der Bestand der Vollmacht in dem für den Grundbuchvollzug maßgeblichen Zeitpunkt nachgewiesen ist.

        Bestehen – wie letztlich hier – Zweifel an dem Umfang einer Vollmacht, so ist diese nach den für die Auslegung von Grundbucherklärungen geltenden Grundsätzen auszulegen. Wegen des das Grundbuchverfahren beherrschenden Bestimmtheitsgrundsatzes kommt die Auslegung nur insoweit in Betracht, als sie zu einem zweifelsfreien und eindeutigen Ergebnis führt.

        Dabei gilt § 133 BGB entsprechend; dies allerdings nur mit den Einschränkungen, die sich aus den Besonderheiten des Grundbuchverfahrens im Hinblick auf die Sicherheit des Grundbuchverkehrs ergeben. Bei der Auslegung kann daher nur auf den Wortlaut und den Sinn der Erklärung abgestellt werden, wie er sich für einen unbefangenen Betrachter als nächstliegende Bedeutung ergibt.

        Auslegung einer Erklärung als Schubladenvollmacht – OLG Karlsruhe 19 W 29/23 (Wx)

        Obwohl die Ansicht des beurkundenden Notars in diesem Zusammenhang regelmäßig einen wichtigen Anhaltspunkt darstellt, muss das Grundbuchamt die Wirksamkeit der Vollmacht sowie den Umfang der Vertretungsmacht von Amts wegen selbständig prüfen.

        Hierbei kann auch von lediglich das Innenverhältnis betreffenden Beschränkungen auszugehen sein. Demnach liegt eine im Außenverhältnis umfassende Vertretungsmacht vor, die zwar gegenüber dem Grundbuchamt uneingeschränkt ist, im Innenverhältnis aber Beschränkungen unterliegt.

        In diesem Szenario sind dann vom Grundbuchamt im Grundsatz die Grenzen der Vollmachtausübung im Innenverhältnis von Vollmachtgeber und Handelndem nicht zu prüfen.

        Anderes gilt, wo eine Vollmacht unter einer aufschiebenden Bedingung erteilt wurde; dort muss der Bedingungseintritt in der Form des § 29 GBO nachgewiesen werden.

        Wenn die Auslegung nach diesen Grundsätzen zu keinem eindeutigen Ergebnis führt, ist im Zweifel bei mehreren Möglichkeiten der geringere Vollmachtumfang anzunehmen

        (vgl. zum Ganzen BayObLG, Beschluss vom 21.03.1996 – 2 Z BR 11/96, MittBayNot 1996, 287, beck-online; Demharter, GBO, 33. Auflage 2023, § 19 Rn. 28, 75, 75a, BeckOK GBO/Otto, 50. Ed. 01.08.2023, GBO § 29 Rn. 91, 75ff; BeckOK GBO/Holzer, 50. Ed. 01.08.2023, GBO § 19 Rn. 98f jeweils m.w.N.).

        b) Überträgt man diesen Maßstab auf den vorliegenden Fall, ist die Verkäuferin vom Käufer vorab im Wege einer sog. “Schubladenvollmacht” – bzw. “Schubladenlöschungsbewilligung” – vertraglich zur Löschungsbewilligung ermächtigt worden.

        Bei der insoweit gegebenen Interessenlage kommen die in Rede stehenden Beschränkungen gegenüber dem Grundbuchamt, d. h. im Außenverhältnis nicht zum Tragen. Diese Sicht der Dinge sieht sich von systematischen Überlegungen gestützt, während der Wortlaut des Vertrages keine zwingenden Schlussfolgerungen ermöglicht.

        Im Einzelnen folgt dieses Auslegungsergebnis aus den nachstehenden Erwägungen:

        aa) Der Wortlaut erlaubt keine zwingenden Schlüsse. Zwar ist in dem Vertrag davon die Rede, dass von der fraglichen Vollmacht nur unter näherbezeichneten Voraussetzungen Gebrauch gemacht werden kann, eine Formulierung in Richtung eines rechtlichen Dürfens ist damit ersichtlich nicht gewählt worden.

        Indes kann auch die Annahme von nicht das Außenverhältnis betreffenden Einschränkungen mit der Vokabel “können” sprachlich in Einklang gebracht werden. Im Übrigen wurde die fragliche Vollmacht ausweislich des Vertragstextes zunächst schlechterdings ohne Einschränkungen “hiermit erteilt”.

        bb) In systematischer Hinsicht ist der Vollmachtgebrauch hiervon zu trennen. Die dahingehenden Beschränkungen finden sich in einem getrennten Absatz. Bei dieser Sachlage ist zwischen der unbeschränkten Erteilung und dem beschränkten Gebrauch zu differenzieren.

        cc) Ohnedies ändert die sprachliche bzw. systematische Konstruktion der Vollmacht nichts an der Interessenlage der Vertragsparteien, welche das hier gefundene Auslegungsergebnis mit hinreichender Eindeutigkeit gebietet.

        Auslegung einer Erklärung als Schubladenvollmacht – OLG Karlsruhe 19 W 29/23 (Wx)

        aaa) Dabei ist allgemein vorauszuschicken, dass falls der Käufer den Kaufpreis nicht (vollständig) bezahlt, der Verkäufer nach § 323 BGB vom Kaufvertrag zurücktreten und nach Maßgabe der §§ 280 ff BGB Schadenersatz verlangen kann.

        Infolge eines Rücktritts verliert der Käufer weiterhin seinen Übereignungsanspruch, § 346 Abs. 1 BGB.

        Seine Vormerkung wird dadurch zugleich materiell-rechtlich wirkungslos. Solange sie aber im Grundbuch eingetragen ist, hindert sie den Verkäufer faktisch an jeder weiteren Verfügung, § 883 Abs. 2 S. 1 BGB.

        Um die Vormerkung im Grundbuch zu löschen, müsste der Verkäufer gemäß § 22 Abs. 1 S. 1 GBO die Unrichtigkeit des Grundbuchs nachweisen. Dies kann ihm aber tatsächlich nur gelingen, wenn der Kaufvertrag in der Form des § 29 GBO einvernehmlich aufgehoben worden ist. Ansonsten benötigt er zur Berichtigung des Grundbuchs eine Bewilligung des Käufers (§§ 22 Abs. 1, 19 GBO).

        Den hierauf gerichteten Rechtsanspruch gemäß § 894 BGB gegen den – möglicherweise zahlungsunfähigen, nicht erreichbaren oder schlicht nicht-kooperationsbereiten – Käufer durchzusetzen, kann indes viel Zeit und Geld kosten. Vor diesem Hintergrund bietet das Instrument der sog. Schubladenvollmacht eine Lösung. Dabei wird zur vereinfachten Löschung vorweg eine Vollmacht zur Abgabe einer rein grundbuchrechtlichen Löschungsbewilligung erteilt.

        Dabei obliegt es der Prüfung des Notars, ob die festgelegten Voraussetzungen für die Vorlage der Löschungsbewilligung gegeben sind. Die so genannte “Schubladenlöschungsbewilligung” soll damit sicherstellen, dass dann, wenn der Kaufvertrag wegen Rücktritts nicht zur Durchführung gelangt, die materiell-rechtlich nicht mehr bestehende Auflassungsvormerkung sogleich gelöscht werden kann

        (vgl. zum Ganzen BGH, Beschluss vom 02.12.2010 – V ZB 174/10, BeckRS 2011, 2155 Rn. 14, beck-online, BeckNotar-HdB, § 1. Grundstückskauf Rn. 424, 425, beck-online, Weber, Anwendbarkeit des AGB-Rechts auf notarielle Vollzugsanweisungen: Klauseln zur Löschung der Auflassungsvormerkung, DNotZ 2016, 85ff, beck-online, Schöner/Stöber GrundbuchR, 16. Auflage 2020, Rn. 1537, beck-online; BeckOGK/Hertel, 15.04.2021, BGB § 894 Rn. 71).

        bbb) Im vorliegenden Fall spiegelt sich diese charakteristische Ausrichtung der Vollmacht in der fraglichen Vertragsklausel wider:

        (1) Wörtlich ist davon die Rede, dass dieser der Zweck einer vereinfachten Lastenfreistellung zukommt. Unter teleologischen Gesichtspunkten gebietet die Erreichung dieses Zwecks, keine das Außenverhältnis betreffende Beschränkungen anzunehmen; das Gegenteil ist zutreffend.

        Auslegung einer Erklärung als Schubladenvollmacht – OLG Karlsruhe 19 W 29/23 (Wx)

        Denn die fraglichen Einschränkungen haben Umstände zum Gegenstand, deren Nachweis durch öffentliche Urkunden (§ 29 GBO) regelmäßig unmöglich ist; der Vollmacht verbliebe in der Rechtspraxis bei einer anderen Sicht der Dinge infolge dessen kein sinnvoller Anwendungsbereich.

        Diese Konsequenz ist mit den Grundsätzen der Methodenlehre schwerlich in Einklang zu bringen.

        Unterdessen kann eine “vereinfachte Lastenfreistellung” ohne Weiteres mit einer allein das Innenverhältnis betreffenden Vollmachtbeschränkung erreicht werden.

        (2) Die Einbindung des Notars und die formulierten Voraussetzungen ermöglichen einen Ausgleich der widerstreitenden Interessen und im Ergebnis ausgewogene Ergebnisse.

        Die Notarbindung als Wirksamkeitsvoraussetzung ist damit vom Grundbuchamt zu überprüfen, nicht aber die weiteren Vorgaben, die allein von diesem zu überwachen sind

        (vgl. BeckOK GBO/Otto, 50. Ed. 01.08.2023, GBO § 29 Rn. 91).

        Insoweit bleibt zu bemerken, dass bei der Annahme einer im Außenverhältnis relevanten Vollmachtbeschränkung der Einbindung des Notars schlechterdings kein Sinn beigemessen werden könnte.

        dd) Schließlich rechtfertigt derzeit auch kein evidenter Vollmachtmissbrauch einen anderen Befund.

        Eine im Außenverhältnis unbeschränkte Vollmacht berechtigt den Vollmachtnehmer zwar nicht zur Abgabe von Erklärungen gegenüber dem Grundbuchamt, die ihm durch eine interne Abrede mit dem Vollmachtgeber in derselben Urkunde untersagt sind, wenn evident ist, dass dem Vollmachtgeber durch die Erklärung ein Vermögensschaden entsteht

        (OLG München, Beschluss vom 13.6.2006 – 32 Wx 79/06, BeckRS 2006, 7754, beck-online).

        Von einer erteilten Löschungsvollmacht darf desgleichen der Notar dann keinen Gebrauch machen, wenn deren Wirksamkeit von einer Vertragspartei mit beachtlichen Gründen bestritten wird

        (BGH, Beschluss vom 01.10.2015 – V ZB 171/14, DNotZ 2016, 151, beck-online, Schöner/Stöber GrundbuchR, 16. Auflage 2020, Rn. 1537, beck-online).

        Anhaltspunkte in diese Richtung sind gegenwärtig aber weder dargetan noch im Übrigen ersichtlich.

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        ee) Nach allgemeinen Grundsätzen ist indes dem beteiligten Käufer als Inhaber des fraglichen Rechts noch rechtliches Gehör zu gewähren.

        Denn dem von der Eintragung Betroffenen ist nach Art. 103 Abs. 1 GG rechtliches Gehör zu gewähren. Ob rechtliches Gehör auch tatsächlich gewährt wurde, ist vor der Grundbucheintragung zu prüfen.

        Infolge dessen ist zu überwachen – regelmäßig etwa durch (förmliche) Zustellung oder Beifügung einer rückgabepflichtigen Empfangsbescheinigung – ob der Betroffene in den Besitz der Benachrichtigung mit dem für Geltendmachung etwaiger Einwendungen bestimmten Zeitraum gelangt ist. Die Gewährung rechtlichen Gehörs und damit auch die Ermittlung der Beteiligten obliegt dem Grundbuchamt (vgl. eingehend Schöner/Stöber GrundbuchR, Rn. 369b, beck-online m.w.N.).

        In Ansehung der verfassungsrechtlichen Bedeutung des Rechts auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) rechtfertigt auch das Vorliegen der sog. Schubladenvollmacht – und damit einhergehende teleologische Erwägungen – keine andere Bedeutung.

        Insoweit ist im Übrigen die verfahrensrechtliche Dimension von Grundrechten betroffen, während die fragliche Vertragsgestaltung eine Abrede zwischen Privatrechtssubjekten darstellt, welche ihrer Natur nach in ihrem Anwendungsbereich primär auf dieses Verhältnis beschränkt ist.

        Infolge dessen wird im vorliegenden Fall im Hinblick auf den beteiligten Käufer eine Abfrage beim Einwohnermeldeamt in Betracht zu ziehen sein. Erforderlichenfalls wird eine öffentliche Zustellung tunlich sein, wobei insoweit entsprechend auf die §§ 185ff ZPO zurückgegriffen werden kann

        (vgl. i. A. BeckOK FamFG/Obermann, 47. Ed. 01.08.2023, FamFG § 41 Rn. 11).

        Sodann wird vom Grundbuchamt die Frage zu beantworten sein, ob eine käuferseitige Stellungnahme Anhaltspunkte in Richtung eines evidenten Vollmachtmissbrauchs im vorstehend dargestellten Sinne zutage brachte.

        III.

        Gerichtskosten für die erfolgreiche Beschwerde werden nach § 25 Absatz 1 GNotKG nicht erhoben.

        Eine Entscheidung, die notwendigen Auslagen der Staatskasse aufzuerlegen, kommt im Grundbuchbeschwerdeverfahren auch nicht bei Erfolg des Rechtsmittels in Betracht

        (BeckOK FamFG/Weber, 43. Edition, § 81 Rn. 4, beck-online).

        Gründe für eine Zulassung der Rechtsbeschwerde (§ 78 Absatz 2 Satz 1 GBO) liegen nicht vor.

        Der hiesigen Entscheidung liegt die Auslegung einer individuellen Vertragsklausel zugrunde, wobei insoweit auf das Verständnis der herrschenden Rechtsprechung und Literatur zurückgegriffen werden konnte.

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