Auslegung einer Schlußerbeneinsetzung des Stiefsohns im gemeinschaftlichen Testament – Bayerisches Oberstes Landesgericht 1Z BR 17/92
Die Auslegung eines gemeinschaftlichen Testaments und die Frage der Anfechtbarkeit durch den zweiten Ehegatten des Erblassers sind zentrale Themen dieses Falles, der vor dem Bayerischen Obersten Landesgericht verhandelt wurde.
Der Fall bietet einen Einblick in die rechtlichen Komplexitäten, die bei der Gestaltung und Auslegung von Testamenten auftreten können.
Der kinderlose Erblasser verstarb im August 1990 im Alter von 84 Jahren. Er war seit 1987 in zweiter Ehe verheiratet. Der Beteiligte zu 1, der Stiefsohn, ist eines von zwei Kindern der ersten, im Jahr 1986 verstorbenen Ehefrau des Erblassers.
Das gemeinschaftliche Testament, eigenhändig von der ersten Ehefrau geschrieben und von beiden Ehegatten unterzeichnet, setzte den Überlebenden der Ehepartner als Alleinerben ein.
Nach dem Tod des Letztversterbenden sollte der Sohn der ersten Ehefrau (Stiefsohn) Alleinerbe werden. Bei dessen vorzeitigem Ableben sollte die Tochter der ersten Ehefrau Ersatzerbin sein.
Im eigenhändigen Testament nach der Wiederverheiratung bestimmte der Erblasser seine zweite Ehefrau zur Alleinerbin seiner gesamten Wohnungseinrichtung und Ersparnisse. Der Erblasser schloss explizit seinen früheren Stiefsohn und Stieftochter von Erbansprüchen aus.
Wechselbezüglichkeit liegt vor, wenn die Verfügung des einen Ehegatten nicht ohne die des anderen getroffen worden wäre. Dies ist besonders relevant bei der Auslegung des gemeinschaftlichen Testaments.
Der Grad der Verwandtschaft oder Schwägerschaft spielt keine entscheidende Rolle bei der Feststellung der Wechselbezüglichkeit. Die rechtliche Bindungswirkung ergibt sich aus den testamentarischen Verfügungen selbst und den Umständen ihrer Errichtung.
Der zweite Ehegatte kann ein gemeinschaftliches Testament anfechten, wenn die Anfechtungsfrist eingehalten wird und ein beachtlicher Irrtum vorliegt.
Ein Tatsachenirrtum kann die Anfechtungsfrist beeinflussen. Hierbei war der Erblasser im Glauben, dass seine Verfügung durch die neue Eheschließung hinfällig geworden sei, was die Anfechtungsfrist verlängerte.
Das Nachlassgericht wies den Erbscheinsantrag der zweiten Ehefrau zurück und stellte die Aussicht auf Erteilung eines Erbscheins an den Stiefsohn in den Raum.
Das Landgericht hob die Entscheidung des Nachlassgerichts auf, wies den Erbscheinsantrag des Stiefsohns zurück und wies das Nachlassgericht an, über den Erbscheinsantrag der zweiten Ehefrau neu zu entscheiden.
Das Landgericht verneinte fälschlicherweise die Wechselbezüglichkeit der Schlusserbeneinsetzung des Stiefsohns. Die Auslegungsregel des § 2270 Abs. 2 BGB wurde nicht beachtet.
Die Wechselbezüglichkeit der Verfügungen im gemeinschaftlichen Testament wurde bestätigt, was die Bindungswirkung gemäß § 2271 Abs. 2 BGB zur Folge hat.
Das Landgericht stellte rechtsfehlerhaft fest, dass der Grad der Verwandtschaft gegen die Wechselbezüglichkeit spräche, was jedoch nicht zutrifft.
Der Erblasser befand sich im Irrtum über die Gültigkeit seiner Verfügung, was die Anfechtungsfrist verlängerte und die Anfechtung durch die zweite Ehefrau ermöglichte.
Die Entscheidung betont die Bedeutung der Auslegung gemeinschaftlicher Testamente und die strengen Voraussetzungen für deren Anfechtung. Sie zeigt auf, wie wichtig klare testamentarische Verfügungen sind und welche Rolle rechtliche Beratung bei der Testamentserrichtung spielt.
Die Kernaussagen des Falls unterstreichen die rechtlichen Prinzipien der Wechselbezüglichkeit und Anfechtbarkeit gemeinschaftlicher Testamente. Zukünftige Testamente sollten diese Aspekte berücksichtigen, um rechtliche Auseinandersetzungen zu vermeiden.
Die auf dieser Homepage wiedergegebenen Gerichtsentscheidungen bilden einen kleinen Ausschnitt der Rechtsentwicklung über mehrere Jahrzehnte ab. Nicht jedes Urteil muss daher zwangsläufig die aktuelle Rechtslage wiedergeben.
Einige Entscheidungen stellen Mindermeinungen dar oder sind später im Instanzenweg abgeändert oder durch neue obergerichtliche Entscheidungen oder Gesetzesänderungen überholt worden.
Das Recht entwickelt sich ständig weiter. Stetige Aktualität kann daher nicht gewährleistet werden.
Die schlichte Wiedergabe dieser Entscheidungen vermag daher eine fundierte juristische Beratung keinesfalls zu ersetzen.
Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.
Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.
Es soll auch nicht der falsche Anschein erweckt werden, als seien die veröffentlichten Urteile von der Kanzlei Krau erzielt worden. Das ist in aller Regel nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um einen allgemeinen Auszug aus dem deutschen Rechtsleben zur Information der Rechtssuchenden.
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