Auslegung einer Schlußerbeneinsetzung des Stiefsohns im gemeinschaftlichen Testament – Bayerisches Oberstes Landesgericht 1Z BR 17/92

November 30, 2020

Auslegung einer Schlußerbeneinsetzung des Stiefsohns im gemeinschaftlichen Testament – Bayerisches Oberstes Landesgericht 1Z BR 17/92

Inhaltsverzeichnis

  1. Einleitung
    • Hintergrund des Falls
    • Bedeutsamkeit des Testaments
  2. Sachverhalt
    • Todesfall des Erblassers und Familienverhältnisse
    • Inhalt des gemeinschaftlichen Testaments vom 13. August 1984
    • Inhalt des späteren Testaments vom 1. November 1987
  3. Rechtliche Fragestellungen und Auslegungen
    • Wechselbezüglichkeit der Verfügungen
      • Bedeutung und Definition der Wechselbezüglichkeit
      • Relevanz der Verwandtschaftsverhältnisse für die Wechselbezüglichkeit
    • Anfechtungsrecht des zweiten Ehegatten
      • Fristen und Voraussetzungen für die Anfechtung
      • Tatsachenirrtum des Erblassers
  4. Entscheidungen der Gerichte
    • Beschluss des Nachlassgerichts vom 17. Juli 1991
      • Zurückweisung des Erbscheinsantrags der zweiten Ehefrau
      • Aussicht auf Erteilung eines Erbscheins an den Stiefsohn
    • Beschluss des Landgerichts vom 30. Dezember 1991
      • Aufhebung der Entscheidung des Nachlassgerichts
      • Zurückweisung des Erbscheinsantrags des Stiefsohns
      • Anweisung zur neuen Entscheidung über den Erbscheinsantrag der zweiten Ehefrau
  5. Rechtsbeschwerde und Entscheidung des Bayerischen Obersten Landesgerichts
    • Prüfung der Rechtsfehler durch das Landgericht
    • Bindungswirkung der wechselbezüglichen Verfügungen
    • Fehlerhafte Verneinung der Wechselbezüglichkeit durch das Landgericht
    • Auswirkungen des Tatsachenirrtums des Erblassers auf die Anfechtungsfrist
  6. Schlussfolgerungen und Auswirkungen
    • Bedeutung der Entscheidung für die Testierfreiheit und die Anfechtbarkeit gemeinschaftlicher Testamente
    • Auswirkungen auf zukünftige Fälle ähnlicher Konstellation
  7. Zusammenfassung
    • Kernaussagen der Entscheidung
    • Wichtige rechtliche Lehren und Empfehlungen

Zusammenfassung RA und Notar Krau:

Auslegung einer Schlußerbeneinsetzung des Stiefsohns im gemeinschaftlichen Testament – Bayerisches Oberstes Landesgericht 1Z BR 17/92

Einleitung

Die Auslegung eines gemeinschaftlichen Testaments und die Frage der Anfechtbarkeit durch den zweiten Ehegatten des Erblassers sind zentrale Themen dieses Falles, der vor dem Bayerischen Obersten Landesgericht verhandelt wurde.

Der Fall bietet einen Einblick in die rechtlichen Komplexitäten, die bei der Gestaltung und Auslegung von Testamenten auftreten können.

Sachverhalt

Todesfall des Erblassers und Familienverhältnisse

Der kinderlose Erblasser verstarb im August 1990 im Alter von 84 Jahren. Er war seit 1987 in zweiter Ehe verheiratet. Der Beteiligte zu 1, der Stiefsohn, ist eines von zwei Kindern der ersten, im Jahr 1986 verstorbenen Ehefrau des Erblassers.

Inhalt des gemeinschaftlichen Testaments vom 13. August 1984

Das gemeinschaftliche Testament, eigenhändig von der ersten Ehefrau geschrieben und von beiden Ehegatten unterzeichnet, setzte den Überlebenden der Ehepartner als Alleinerben ein.

Nach dem Tod des Letztversterbenden sollte der Sohn der ersten Ehefrau (Stiefsohn) Alleinerbe werden. Bei dessen vorzeitigem Ableben sollte die Tochter der ersten Ehefrau Ersatzerbin sein.

Auslegung einer Schlußerbeneinsetzung des Stiefsohns im gemeinschaftlichen Testament – Bayerisches Oberstes Landesgericht 1Z BR 17/92

Inhalt des späteren Testaments vom 1. November 1987

Im eigenhändigen Testament nach der Wiederverheiratung bestimmte der Erblasser seine zweite Ehefrau zur Alleinerbin seiner gesamten Wohnungseinrichtung und Ersparnisse. Der Erblasser schloss explizit seinen früheren Stiefsohn und Stieftochter von Erbansprüchen aus.

Wechselbezüglichkeit der Verfügungen

Bedeutung und Definition der Wechselbezüglichkeit

Wechselbezüglichkeit liegt vor, wenn die Verfügung des einen Ehegatten nicht ohne die des anderen getroffen worden wäre. Dies ist besonders relevant bei der Auslegung des gemeinschaftlichen Testaments.

Relevanz der Verwandtschaftsverhältnisse für die Wechselbezüglichkeit

Der Grad der Verwandtschaft oder Schwägerschaft spielt keine entscheidende Rolle bei der Feststellung der Wechselbezüglichkeit. Die rechtliche Bindungswirkung ergibt sich aus den testamentarischen Verfügungen selbst und den Umständen ihrer Errichtung.

Auslegung einer Schlußerbeneinsetzung des Stiefsohns im gemeinschaftlichen Testament – Bayerisches Oberstes Landesgericht 1Z BR 17/92

Anfechtungsrecht des zweiten Ehegatten

Fristen und Voraussetzungen für die Anfechtung

Der zweite Ehegatte kann ein gemeinschaftliches Testament anfechten, wenn die Anfechtungsfrist eingehalten wird und ein beachtlicher Irrtum vorliegt.

Tatsachenirrtum des Erblassers

Ein Tatsachenirrtum kann die Anfechtungsfrist beeinflussen. Hierbei war der Erblasser im Glauben, dass seine Verfügung durch die neue Eheschließung hinfällig geworden sei, was die Anfechtungsfrist verlängerte.

Entscheidungen der Gerichte

Beschluss des Nachlassgerichts vom 17. Juli 1991

Das Nachlassgericht wies den Erbscheinsantrag der zweiten Ehefrau zurück und stellte die Aussicht auf Erteilung eines Erbscheins an den Stiefsohn in den Raum.

Beschluss des Landgerichts vom 30. Dezember 1991

Das Landgericht hob die Entscheidung des Nachlassgerichts auf, wies den Erbscheinsantrag des Stiefsohns zurück und wies das Nachlassgericht an, über den Erbscheinsantrag der zweiten Ehefrau neu zu entscheiden.

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Rechtsbeschwerde und Entscheidung des Bayerischen Obersten Landesgerichts

Prüfung der Rechtsfehler durch das Landgericht

Das Landgericht verneinte fälschlicherweise die Wechselbezüglichkeit der Schlusserbeneinsetzung des Stiefsohns. Die Auslegungsregel des § 2270 Abs. 2 BGB wurde nicht beachtet.

Bindungswirkung der wechselbezüglichen Verfügungen

Die Wechselbezüglichkeit der Verfügungen im gemeinschaftlichen Testament wurde bestätigt, was die Bindungswirkung gemäß § 2271 Abs. 2 BGB zur Folge hat.

Fehlerhafte Verneinung der Wechselbezüglichkeit durch das Landgericht

Das Landgericht stellte rechtsfehlerhaft fest, dass der Grad der Verwandtschaft gegen die Wechselbezüglichkeit spräche, was jedoch nicht zutrifft.

Auswirkungen des Tatsachenirrtums des Erblassers auf die Anfechtungsfrist

Der Erblasser befand sich im Irrtum über die Gültigkeit seiner Verfügung, was die Anfechtungsfrist verlängerte und die Anfechtung durch die zweite Ehefrau ermöglichte.

Schlussfolgerungen und Auswirkungen

Die Entscheidung betont die Bedeutung der Auslegung gemeinschaftlicher Testamente und die strengen Voraussetzungen für deren Anfechtung. Sie zeigt auf, wie wichtig klare testamentarische Verfügungen sind und welche Rolle rechtliche Beratung bei der Testamentserrichtung spielt.

Zusammenfassung

Die Kernaussagen des Falls unterstreichen die rechtlichen Prinzipien der Wechselbezüglichkeit und Anfechtbarkeit gemeinschaftlicher Testamente. Zukünftige Testamente sollten diese Aspekte berücksichtigen, um rechtliche Auseinandersetzungen zu vermeiden.

Schlagworte

Warnhinweis:

Die auf dieser Homepage wiedergegebenen Gerichtsentscheidungen bilden einen kleinen Ausschnitt der Rechtsentwicklung über mehrere Jahrzehnte ab. Nicht jedes Urteil muss daher zwangsläufig die aktuelle Rechtslage wiedergeben.

Einige Entscheidungen stellen Mindermeinungen dar oder sind später im Instanzenweg abgeändert oder durch neue obergerichtliche Entscheidungen oder Gesetzesänderungen überholt worden.

Das Recht entwickelt sich ständig weiter. Stetige Aktualität kann daher nicht gewährleistet werden.

Die schlichte Wiedergabe dieser Entscheidungen vermag daher eine fundierte juristische Beratung keinesfalls zu ersetzen.

Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.

Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.

Es soll auch nicht der falsche Anschein erweckt werden, als seien die veröffentlichten Urteile von der Kanzlei Krau erzielt worden. Das ist in aller Regel nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um einen allgemeinen Auszug aus dem deutschen Rechtsleben zur Information der Rechtssuchenden.

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