Auslegung eines gemeinschaftlichen Testaments – Wechselbezüglichkeit einer Schlußerbeneinsetzung – Begriff des Nahestehens – KG Berlin 1 W 6261/91

Dezember 1, 2020

Auslegung eines gemeinschaftlichen Testaments – Wechselbezüglichkeit einer Schlußerbeneinsetzung – Begriff des Nahestehens – KG Berlin 1 W 6261/91

Zusammenfassung RA und Notar Krau:

In einem gemeinschaftlichen Testament, in dem Ehegatten sich gegenseitig zu Erben und die Geschwisterkinder des überlebenden Ehegatten zu Schluss-Erben bestimmt haben,

kann die Wechselbezüglichkeit der Schlusserbeneinsetzung nicht einfach aufgrund einer hypothetischen nahen Beziehung des Schluss-Erben zum vorverstorbenen Ehegatten abgeleitet werden.

Dies entschied das Kammergericht Berlin in der Rechtssache 1 W 6261/91.

Die weitergehende Beschwerde der Beteiligten zu 1. wurde zurückgewiesen, da weder das Amtsgericht noch das Landgericht feststellen konnten,

dass die Einsetzung der Schluss-Erben (die Kinder der Geschwister des Erblassers) im gemeinschaftlichen Testament von 1969 für den Erblasser bindend war.

Der Erblasser hatte 1989 ein weiteres Testament verfasst, das die ursprüngliche Schlusserbeneinsetzung zugunsten anderer Personen widerrief.

Das Gericht betonte, dass nach § 2270 Abs. 2 BGB Wechselbezüglichkeit vorliegt, wenn die gegenseitigen Verfügungen der Ehegatten als innerlich abhängig betrachtet werden können.

Auslegung eines gemeinschaftlichen Testaments – Wechselbezüglichkeit einer Schlußerbeneinsetzung – Begriff des Nahestehens – KG Berlin 1 W 6261/91

Da keine ausdrückliche Regelung im Testament vorlag, musste die Wechselbezüglichkeit durch Auslegung ermittelt werden.

Diese ergab jedoch, dass die persönlichen Beziehungen zwischen der vorverstorbenen Ehefrau und den Schluss-Erben nicht die erforderliche Nähe aufwiesen, die eine Wechselbezüglichkeit begründen könnte.

Insbesondere reichten übliche familiäre Beziehungen nicht aus, um eine solche Bindung anzunehmen.

Daher war der Erblasser nicht an die Schlusserbeneinsetzung gebunden, was seinen späteren Widerruf wirksam machte.

Inhaltsverzeichnis

  1. Einleitung
    • Hintergrund und Problemstellung
  2. Sachverhalt
    • Gemeinschaftliches Testament von 1969
    • Testament des Erblassers von 1989
  3. Rechtliche Grundlagen
    • Wechselbezüglichkeit nach § 2270 Abs. 2 BGB
    • Begriff des Nahestehens
  4. Entscheidungen der Gerichte
    • Amtsgericht
    • Landgericht
    • Kammergericht Berlin (1 W 6261/91)
  5. Auslegung des gemeinschaftlichen Testaments
    • Grundsätze der Testamentsauslegung
    • Feststellung der Wechselbezüglichkeit
  6. Bindungswirkung der Schlusserbeneinsetzung
    • Auslegungsregel des § 2270 Abs. 2 BGB
    • Relevanz der nahestehenden Person
  7. Widerruf des gemeinschaftlichen Testaments
    • Rechtswirksamkeit des Widerrufs durch den Erblasser
  8. Kostenentscheidung
    • Erstattung der außergerichtlichen Kosten
    • Festsetzung des Beschwerdewerts
  9. Schlussfolgerung und Bewertung
    • Bedeutung der Entscheidung für die Testamentspraxis
    • Empfehlungen für künftige Testamente

Auslegung eines gemeinschaftlichen Testaments – Wechselbezüglichkeit einer Schlußerbeneinsetzung – Begriff des Nahestehens – KG Berlin 1 W 6261/91 

Einleitung

In einem gemeinschaftlichen Testament, in dem Ehegatten sich gegenseitig zu Erben und die Geschwisterkinder des überlebenden Ehegatten zu Schluss-Erben bestimmt haben,

kann die Wechselbezüglichkeit der Schlusserbeneinsetzung nicht einfach aufgrund einer hypothetischen nahen Beziehung des Schluss-Erben zum vorverstorbenen Ehegatten abgeleitet werden.

Dies entschied das Kammergericht Berlin in der Rechtssache 1 W 6261/91.

Sachverhalt

Die Beteiligten errichteten im Jahr 1969 ein gemeinschaftliches Testament, in dem sie sich gegenseitig zu Erben und die Geschwisterkinder

des überlebenden Ehegatten zu Schluss-Erben bestimmten. Im Jahr 1989 widerrief der überlebende Ehegatte diese Bestimmung durch ein neues Testament.

Rechtliche Grundlagen

Gemäß § 2270 Abs. 2 BGB liegt Wechselbezüglichkeit vor, wenn die Verfügungen der Ehegatten als innerlich abhängig betrachtet werden können.

Auslegung eines gemeinschaftlichen Testaments – Wechselbezüglichkeit einer Schlußerbeneinsetzung – Begriff des Nahestehens – KG Berlin 1 W 6261/91

Der Begriff des Nahestehens ist dabei entscheidend für die Bindungswirkung der Testamentsverfügungen.

Entscheidungen der Gerichte

Das Amtsgericht und das Landgericht konnten keine Bindungswirkung der Schlusserbeneinsetzung feststellen.

Das Kammergericht Berlin bestätigte diese Entscheidungen und wies die Beschwerde der Beteiligten zu 1 zurück.

Auslegung des gemeinschaftlichen Testaments

Die Auslegung des Testaments musste klären, ob die Ehegatten eine Bindung an die Schlusserbeneinsetzung gewollt hatten.

Das Gericht stellte fest, dass übliche familiäre Beziehungen nicht ausreichen, um eine Wechselbezüglichkeit zu begründen.

Bindungswirkung der Schlusserbeneinsetzung

Die Feststellung der Wechselbezüglichkeit setzt voraus, dass der Schlusserbe dem vorverstorbenen Ehegatten nahesteht.

Auslegung eines gemeinschaftlichen Testaments – Wechselbezüglichkeit einer Schlußerbeneinsetzung – Begriff des Nahestehens – KG Berlin 1 W 6261/91

Das Gericht fand keine hinreichende Nähe zwischen der Ehefrau und den Schlusserben, um eine Bindung anzunehmen.

Widerruf des gemeinschaftlichen Testaments

Der Erblasser war nicht an die Schlusserbeneinsetzung gebunden, was den späteren Widerruf wirksam machte.

Der Widerruf durch das Testament von 1989 wurde als rechtswirksam erachtet.

Kostenentscheidung

Die Beteiligte zu 1. wurde zur Erstattung der außergerichtlichen Kosten der Beteiligten zu 4. bis 6. verpflichtet.

Der Wert des Gegenstandes der weiteren Beschwerde wurde auf 40.000 DM festgesetzt.

Schlussfolgerung und Bewertung

Die Entscheidung des Kammergerichts verdeutlicht die Bedeutung klarer Regelungen in gemeinschaftlichen Testamenten.

Für künftige Testamente wird empfohlen, die Wechselbezüglichkeit ausdrücklich zu regeln und die nahestehenden Personen genau zu benennen.

Schlagworte

Warnhinweis:

Die auf dieser Homepage wiedergegebenen Gerichtsentscheidungen bilden einen kleinen Ausschnitt der Rechtsentwicklung über mehrere Jahrzehnte ab. Nicht jedes Urteil muss daher zwangsläufig die aktuelle Rechtslage wiedergeben.

Einige Entscheidungen stellen Mindermeinungen dar oder sind später im Instanzenweg abgeändert oder durch neue obergerichtliche Entscheidungen oder Gesetzesänderungen überholt worden.

Das Recht entwickelt sich ständig weiter. Stetige Aktualität kann daher nicht gewährleistet werden.

Die schlichte Wiedergabe dieser Entscheidungen vermag daher eine fundierte juristische Beratung keinesfalls zu ersetzen.

Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.

Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.

Es soll auch nicht der falsche Anschein erweckt werden, als seien die veröffentlichten Urteile von der Kanzlei Krau erzielt worden. Das ist in aller Regel nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um einen allgemeinen Auszug aus dem deutschen Rechtsleben zur Information der Rechtssuchenden.

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