Auslegung Erb- und Pflichtteilsverzichtsvertrag – OLG Frankfurt Beschluss 30.6.1993 – 20 W 201/93

Mai 13, 2020

Auslegung Erb- und Pflichtteilsverzichtsvertrag – OLG Frankfurt Beschluss 30.6.1993 – 20 W 201/93

RA und Notar Krau

Der Beschluss des Oberlandesgerichts (OLG) Frankfurt vom 30. Juni 1993 befasst sich mit der Auslegung eines Erb- und Pflichtteilsverzichtsvertrags.

Die rechtliche Auseinandersetzung betrifft die Frage, ob ein Verzicht auf das gesetzliche Erbrecht auch den Verzicht auf gewillkürte (testamentarische oder erbvertragliche) Zuwendungen umfasst.

Hintergrund des Falls:

Die Eltern der Beteiligten setzten sich in einem Erbvertrag von 1966 gegenseitig zu Alleinerben ein und bestimmten, dass der überlebende Elternteil von den Kindern nach der gesetzlichen Erbfolge beerbt werden sollte.


Am 3. April 1979 schlossen sie mit der Beteiligten zu 1) einen Erbverzichtsvertrag, in dem sie auf ihr gesetzliches Erb- und Pflichtteilsrecht verzichtete und im Gegenzug ein Grundstück als Abfindung erhielt.


1991 übergab der Vater ein weiteres Grundstück an die Beteiligte zu 3), während die Beteiligten zu 1) und 2) auf ihr Pflichtteilsrecht verzichteten, wobei das Grundstück nicht in die Berechnung des Pflichtteils einbezogen werden sollte.


Nach dem Tod des Vaters beantragte die Beteiligte zu 3) einen Teilerbschein, um als Miterbin eingetragen zu werden, da sie annahm, dass der Verzicht der Beteiligten zu 1) aus 1979 auch auf erbrechtliche Zuwendungen bezogen sei.

Die anderen Geschwister widersprachen dem, da sie den Verzicht nur auf das gesetzliche Erbrecht beschränkt sahen.

Auslegung Erb- und Pflichtteilsverzichtsvertrag – OLG Frankfurt Beschluss 30.6.1993 – 20 W 201/93

Entscheidungsfindung:

Das Amtsgericht hatte angekündigt, den Erbschein zu erteilen, woraufhin die Beteiligten zu 1) und 2) Beschwerde einlegten.


Das Landgericht wies die Beschwerden zurück und interpretierte den Vertrag so, dass der Verzicht auch testamentarische Zuwendungen umfasste, da die Umstände und der Gesamtwille der Vertragsparteien diesen Schluss nahelegten.


Das OLG bestätigte diese Entscheidung und führte aus, dass der Erbverzicht von 1979 als Instrument der vorweggenommenen Erbfolge zu verstehen sei.

Dieser diene dazu, sicherzustellen, dass der Begünstigte weder Erb- noch Pflichtteilsansprüche geltend mache, was beim späteren Erbfall den gesamten Nachlass den anderen Kindern zugutekommen ließe.


Rechtliche Begründung:

Gemäß §§ 133, 157 BGB müsse der wirkliche Wille der Vertragspartner ermittelt werden, auch wenn der Wortlaut scheinbar eindeutig sei.


Der Richter dürfe die Erklärung anders deuten, wenn die Umstände darauf hindeuten, dass der erklärende mit seinen Worten einen anderen Sinn verband als der übliche Sprachgebrauch.


Die Auslegung des Landgerichts sei plausibel, da eine doppelte Begünstigung der Beteiligten zu 1) im Kontext der Vereinbarungen nicht beabsichtigt gewesen sei.

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Die auf dieser Homepage wiedergegebenen Gerichtsentscheidungen bilden einen kleinen Ausschnitt der Rechtsentwicklung über mehrere Jahrzehnte ab. Nicht jedes Urteil muss daher zwangsläufig die aktuelle Rechtslage wiedergeben.

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Das Recht entwickelt sich ständig weiter. Stetige Aktualität kann daher nicht gewährleistet werden.

Die schlichte Wiedergabe dieser Entscheidungen vermag daher eine fundierte juristische Beratung keinesfalls zu ersetzen.

Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.

Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.

Es soll auch nicht der falsche Anschein erweckt werden, als seien die veröffentlichten Urteile von der Kanzlei Krau erzielt worden. Das ist in aller Regel nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um einen allgemeinen Auszug aus dem deutschen Rechtsleben zur Information der Rechtssuchenden.

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