BGH I ZB 15/22

März 26, 2023

BGH I ZB 15/22, Beschluss vom 29.09.2022 – Für die ordnungsgemäße Begründung einer Entscheidung reicht die Bezugnahme auf eine Entscheidung aus, die zwischen denselben Parteien ergangen ist.


Für die ordnungsgemäße Begründung einer Entscheidung reicht die Bezugnahme auf eine Entscheidung aus, die zwischen denselben Parteien ergangen ist.

Dies gilt auch bei Bezugnahme auf einen Hinweisbeschluss gemäß § 522 Abs. 2 Satz 2 ZPO in einem früheren Berufungsverfahren zwischen denselben Parteien, der zur Rücknahme der Berufung geführt hat

(Fortführung von BGH, Urteil vom 18. Mai 2017 – I ZR 21/16, juris Rn. 43 mwN).

Tenor BGH I ZB 15/22


Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des Hanseatischen Oberlandesgerichts Hamburg – 11. Zivilsenat – vom 1. Februar 2022 wird auf Kosten des Antragstellers zurückgewiesen.

Der Gegenstandswert für das Rechtsbeschwerdeverfahren wird auf 304.446,20 € festgesetzt.

Gründe BGH I ZB 15/22


I. Der Antragsteller und die Antragsgegner zu 2 bis 5 gründeten im Mai 2004 eine Gemeinschaftspraxis als Gesellschaft bürgerlichen Rechts (nachfolgend: Gemeinschaftspraxis).

Wenige Monate später schieden die Antragsgegner zu 2 und 3 aus der Gemeinschaftspraxis aus und gründeten andernorts eine weitere Gemeinschaftspraxis als Gesellschaft bürgerlichen Rechts.

Der Antragsteller und die Antragsgegner zu 2 bis 5 schlossen am 26. November 2004 einen Kooperationsvertrag, mit dem sie die Antragsgegnerin zu 1, eine weitere Gesellschaft bürgerlichen Rechts (nachfolgend: Kooperationsgesellschaft), errichteten und die Zusammenarbeit der Gemeinschaftspraxen regelten.

Der Kooperationsvertrag enthält unter anderem die folgende Bestimmung:

§ 10 Schiedsgerichtsvereinbarung

Alle Streitigkeiten aus diesem Vertrag oder über seine Gültigkeit, die zwischen den Gesellschaftern entstehen, werden unter Ausschluss des ordentlichen Rechtsweges vom Schiedsgericht endgültig entschieden. Die Schiedsgerichtsvereinbarung ist in einem gesonderten Vertrag niedergelegt.

Eine in einem gesonderten Vertrag niedergelegte Schiedsgerichtsvereinbarung besteht nicht.

Der Antragsteller kündigte die Gemeinschaftspraxis und die Kooperationsgesellschaft ordentlich zum Ende des Jahres 2010.

Im Dezember 2014 leiteten die Antragsgegner ein Schiedsverfahren gegen den Antragsteller ein, in dem sie ihn auf Entschädigung der Kooperationsgesellschaft in Anspruch nehmen.

Der Antragsteller rügte die Zuständigkeit des Schiedsgerichts und war nicht bereit, einen Vorschuss für die Durchführung des Schiedsverfahrens aufzubringen. Auf die Klage der Antragsgegner verurteilte das Landgericht Hamburg den Antragsteller im Jahr 2018 zur Einzahlung eines Vorschusses.

Die gegen das Urteil des Landgerichts eingelegte Berufung nahm der Antragsteller nach einem Hinweisbeschluss des Oberlandesgerichts Hamburg – 9. Zivilsenat – zurück, in dem dieses mitteilte, die Berufung durch einstimmigen Beschluss zurückweisen zu wollen

(§ 522 Abs. 2 Satz 1 und 2 ZPO; nachfolgend: Hinweisbeschluss).

Nach mündlicher Verhandlung vom 25. August 2021 erklärte sich das Schiedsgericht mit Zwischenentscheid vom 6. Oktober 2021 für zuständig.

Der Antragsteller hat beim Oberlandesgericht Hamburg – 11. Zivilsenat – beantragt, den Zwischenentscheid aufzuheben und festzustellen, dass die ordentliche Gerichtsbarkeit für das dem Zwischenentscheid zugrundeliegende Verfahren zuständig ist. Das Oberlandesgericht hat dies als Antrag auf Feststellung der Unzuständigkeit des Schiedsgerichts ausgelegt und den Antrag zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die Rechtsbeschwerde des Antragstellers, mit der er die genannten Anträge weiterverfolgt. Die Antragsgegner beantragen, die Rechtsbeschwerde zurückzuweisen.

II. BGH I ZB 15/22

Das Oberlandesgericht hat das Schiedsgericht für zuständig gehalten und zur Begründung – soweit für das Rechtsbeschwerdeverfahren relevant – ausgeführt: § 10 des Kooperationsvertrags enthalte eine wirksam zustande gekommene Schiedsabrede. In dieser Frage bestehe keine Bindung an das Urteil des Landgerichts oder den Hinweisbeschluss.

Der 9. Zivilsenat des Oberlandesgerichts habe indessen mit überzeugenden Argumenten dargelegt, warum die Schiedsabrede als wirksam zustande gekommen anzusehen sei.

Zur Vermeidung von Wiederholungen sei auf die erschöpfenden Darlegungen im als Anlage AG 5 eingereichten Beschluss zu verweisen.

Das Schiedsgericht sei zudem für sämtliche im Schiedsverfahren geltend gemachten Ansprüche zuständig.

III. Die gegen diese Beurteilung gerichtete Rechtsbeschwerde des Antragstellers ist statthaft (§ 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 1065 Abs. 1 Satz 1, § 1062 Abs. 1 Nr. 2 Fall 2, § 1040 Abs. 3 Satz 2 ZPO) und auch sonst zulässig (§ 574 Abs. 2 ZPO).

Sie ist jedoch unbegründet.

  1. Entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde ist der Beschluss des Oberlandesgerichts nicht wegen mangelnder Begründung aufzuheben, weil das Oberlandesgericht zur Begründung seiner Entscheidung teilweise Bezug auf einen Hinweisbeschluss in einem früheren Berufungsverfahren zwischen den Parteien genommen hat, der zur Rücknahme der Berufung geführt hat.

a) Nach § 547 Nr. 6 ZPO ist eine Entscheidung stets als auf einer Verletzung des Rechts beruhend anzusehen, wenn sie entgegen den Bestimmungen der Zivilprozessordnung nicht mit Gründen versehen ist; die Vorschrift gilt nach § 576 Abs. 3 ZPO entsprechend im Rechtsbeschwerdeverfahren.

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs reicht die Bezugnahme auf eine Entscheidung, die zwischen denselben Parteien – auch an demselben Tag – ergangen ist, für eine ordnungsgemäße Begründung aus.

BGH I ZB 15/22

Ebenso zulässig ist die Bezugnahme auf eine nicht zwischen denselben Parteien ergangene Entscheidung, sofern sie Gegenstand der mündlichen Verhandlung war

(vgl. BGH, Urteil vom 8. November 1990 – I ZR 49/89, GRUR 1991, 403 [juris Rn. 9];

Urteil vom 12. Oktober 1993 – VI ZR 235/92, NJW 1994, 803 [juris Rn. 15];

Urteil vom 18. Mai 2017 – I ZR 21/16, juris Rn. 43).

b) Nach diesem Maßstab leidet der Beschluss des Oberlandesgerichts nicht an einem Begründungsmangel. Das Oberlandesgericht hat in seiner Begründung auf einen Beschluss verwiesen, der zwischen denselben Parteien in einem früheren Verfahren ergangen ist und den die Antragsgegner zudem als Abschrift zur Akte des vorliegenden Verfahrens gegeben haben.

Damit ist gewährleistet, dass sich die Parteien des vorliegenden Verfahrens Kenntnis von den Gründen des in Bezug genommenen Beschlusses verschaffen konnten und der im Verfahren vor dem Oberlandesgericht unterlegene Antragsteller auf dieser Grundlage eine Entscheidung über die Durchführung eines Rechtsbeschwerdeverfahrens treffen konnte.

Ob der in Rede stehende Beschluss durch die Berufungsrücknahme in entsprechender Anwendung des § 269 Abs. 3 Satz 1 ZPO wirkungslos geworden ist

(vgl. hierzu BeckOK.ZPO/Wulf, 46. Edition [Stand 1. September 2022], § 516 Rn. 14;

Musielak in Musielak/Voit, ZPO, 19. Aufl., § 516 Rn. 13),

ist für die Erreichung der genannten Zwecke, denen das Begründungserfordernis dient, ohne Bedeutung.

Der Durchführung einer mündlichen Verhandlung bedurfte es bereits deswegen nicht, weil der in Bezug genommene Beschluss zwischen den Parteien des vorliegenden Verfahrens ergangen ist.

  1. Das Oberlandesgericht hat § 10 des Kooperationsvertrags in rechtlich nicht zu beanstandender Weise ausgelegt.

a) Für die Auslegung eines Personengesellschaftsvertrags, der keine Publikumsgesellschaft betrifft, gelten die allgemeinen Regeln der §§ 133, 157 BGB (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Beschluss vom 23. September 2021 – I ZB 13/21, SchiedsVZ 2022, 86 [juris Rn. 22]).

Die Auslegung ist dem Tatgericht vorbehalten und vom Rechtsbeschwerdegericht grundsätzlich nur auf Verfahrensfehler oder Verstöße gegen anerkannte Auslegungsgrundsätze, Denkgesetze oder Erfahrungssätze überprüfbar.

Ein Verstoß gegen anerkannte Auslegungsgrundsätze kann auch dann gegeben sein, wenn das Tatgericht nicht alle für die Auslegung wesentlichen Umstände berücksichtigt.

Es muss seine Erwägungen in den Entscheidungsgründen nachvollziehbar darlegen

(st. Rspr.; vgl. nur BGH, SchiedsVZ 2022, 86 [juris Rn. 22];

BGH, Urteil vom 28. Juli 2022 – I ZR 141/20, GRUR 2022, 1427 [juris Rn. 57] = WRP 2022, 1125 – Elektronischer Pressespiegel II).

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Bei der Auslegung sind in erster Linie der von den Parteien gewählte Wortlaut und der dem Wortlaut zu entnehmende objektiv erklärte Parteiwille zu berücksichtigen.

Weiter gilt das Gebot der nach beiden Seiten hin interessengerechten Auslegung und der Berücksichtigung des durch die Parteien beabsichtigten Zwecks des Vertrags

(vgl. BGH, GRUR 2022, 1427 [juris Rn. 57] – Elektronischer Pressespiegel II).

Das nachträgliche Verhalten der Parteien kann zwar den objektiven Vertragsinhalt nicht mehr beeinflussen, hat aber Bedeutung für die Ermittlung des tatsächlichen Willens und das tatsächliche Verständnis der an dem Rechtsgeschäft Beteiligten

(vgl. BGH, Urteil vom 22. Juni 2005 – VIII ZR 214/04, NJW-RR 2005, 1323 [juris Rn. 18]).

Die Frage, ob die Vertragsparteien trotz des Hinweises auf einen gesondert abzuschließenden Schiedsvertrag bereits eine wirksame Schiedsvereinbarung getroffen haben, ist eine Frage des Einzelfalls und vom Tatgericht durch Auslegung gemäß §§ 133, 157 BGB unter Berücksichtigung der Bestimmung des § 154 Abs. 1 Satz 1 BGB zu ermitteln.

Entscheidend ist, ob sich aus der Vereinbarung der Wille der Parteien ergibt, Rechtsstreitigkeiten aus einem bestimmten Rechtsverhältnis unter Ausschluss der staatlichen Gerichte einem Schiedsgericht zuzuweisen

(vgl. BGH, Beschluss vom 6. Februar 2020 – I ZB 44/19, juris Rn. 16).

b) Ohne Erfolg rügt die Rechtsbeschwerde, § 10 des Kooperationsvertrags enthalte nach Wortlaut und Systematik der Klausel keine Schiedsvereinbarung, sondern setze das Bestehen einer gesonderten Schiedsvereinbarung voraus, die im Streitfall nicht abgeschlossen worden sei.

aa) Die Rechtsbeschwerde bringt vor, der Begriff “Schiedsgerichtsvereinbarung” könne entweder im Sinne einer Disposition über die Rechtswegzuständigkeit oder im Sinne einer vertraglichen Regelung der Modalitäten des Schiedsverfahrens verstanden werden.

Im ersten Fall bestimme § 10 Satz 2 des Kooperationsvertrags, dass die Schiedsvereinbarung erst durch einen gesonderten Vertrag zustande kommen solle.

Im zweiten Fall enthalte § 10 Satz 1 nicht die Schiedsvereinbarung, da sich sonst gemäß der Überschrift zu § 10 der Regelungsgehalt der gesamten Klausel im Abschluss eines Vertrags über die Modalitäten des Schiedsverfahrens erschöpfte.

Es verbiete sich, dem Begriff “Schiedsgerichtsvereinbarung” in der Überschrift zu § 10 einen anderen Bedeutungsgehalt beizulegen als in § 10 Satz 2.

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Auch die Wendung “vom Schiedsgericht” – nicht “von einem Schiedsgericht” – zeige, dass § 10 Satz 1 eine Einigung über die Zuständigkeit eines konkreten Schiedsgerichts voraussetze.

Hiermit zeigt die Rechtsbeschwerde keinen Rechtsfehler des Oberlandesgerichts auf, sondern versucht lediglich, ihre eigene Auslegung an die Stelle der Auslegung des Oberlandesgerichts zu setzen. Dieses hat sich die Rechtsauffassung des Hinweisbeschlusses zu eigen gemacht.

Danach deute der Wortlaut von § 10 des Kooperationsvertrags auf den Abschluss einer Schiedsvereinbarung hin, weil § 10 Satz 1 den hierfür notwendigen Inhalt enthalte und § 10 Satz 2 offensichtlich auf eine noch abzuschließende Vereinbarung über die Modalitäten des Schiedsgerichtsverfahrens verweise.

Mangels Anhaltspunkten für eine geänderte Interessenlage sei zudem anzunehmen, dass ein Gleichlauf zu dem ein halbes Jahr zuvor abgeschlossenen Gemeinschaftspraxisvertrag gewollt gewesen sei.

Die Verweise der Rechtsbeschwerde auf einen unterschiedlichen Bedeutungsgehalt des Begriffs “Schiedsvereinbarung” in der Überschrift zu § 10 und in § 10 Satz 2 sowie auf die Wendung “vom Schiedsgericht” stellen schon deswegen keine zwingenden Argumente für die von ihr befürwortete Auslegung dar, weil es sich hierbei auch um redaktionelle Ungenauigkeiten handeln kann.

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Die Beschwerde verweist insoweit auch nicht auf Vorbringen des Antragstellers im Verfahren vor dem Oberlandesgericht, mit dem sich dieses nicht befasst hätte.

bb) Ebenfalls vergeblich macht die Rechtsbeschwerde geltend, bei der Auslegung müsse berücksichtigt werden, dass die Antragsgegner in einem in den Jahren 2011 und 2012 vor dem Landgericht Hamburg geführten Verfahren noch die Auffassung vertreten hätten, § 10 enthalte lediglich einen Hinweis auf eine noch abzuschließende Schiedsvereinbarung. In dem Hinweisbeschluss, auf den das Oberlandesgericht verwiesen hat, wird dieser Umstand berücksichtigt, aber nicht für durchgreifend gehalten.

Das Verhalten der Antragsgegner in den Jahren 2011 und 2012 sage nichts über die Vorstellung der Vertragsparteien bei Abschluss des Kooperationsvertrags im Jahr 2004 aus; zudem sei es nichts Ungewöhnliches, dass eine Partei ihre Rechtsauffassung ändere, wenn ihr dies günstig sei.

Das Oberlandesgericht hätte das genannte Verhalten der Antragsgegner auch nicht unter dem Gesichtspunkt des widersprüchlichen Verhaltens nach § 242 BGB zu Gunsten des Antragstellers berücksichtigen müssen.

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Hierzu besteht dann Anlass, wenn eine Partei im Schiedsverfahren und im Verfahren vor dem staatlichen Gericht zu demselben Streitgegenstand unterschiedliche Positionen zur Zuständigkeit einnimmt, weil ein solches gegensätzliches Verhalten einer Partei auf den Versuch hinausläuft, dem Gegner in jeder der beiden Verfahrensarten den Rechtsschutz abzuschneiden und ihn damit praktisch rechtlos zu stellen

(vgl. BGH, Beschluss vom 30. April 2009 – III ZB 91/07, SchiedsVZ 2009, 287 [juris Rn. 9] mwN;

Beschluss vom 8. November 2018 – I ZB 21/18, NJW 2019, 857 [juris Rn. 17], jeweils mwN).

Das ist hier nicht der Fall, weil Verfahren mit unterschiedlichen Streitgegenständen betroffen sind.

c) Das Oberlandesgericht hat sich (mittelbar) auch mit der Regelung des § 154 Abs. 1 Satz 1 BGB befasst, nach der im Zweifel der Vertrag nicht geschlossen ist, solange nicht die Parteien sich über alle Punkte eines Vertrags geeinigt haben, über die nach der Erklärung auch nur einer Partei eine Vereinbarung getroffen werden soll.

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Der vom Oberlandesgericht in Bezug genommene Hinweisbeschluss setzt sich mit einer Entscheidung des Oberlandesgerichts Hamm

(AG 2007, 910 [juris Rn. 2 bis 4 und 26 bis 35])

auseinander, in dem dieses unter Anwendung des § 154 Abs. 1 Satz 1 BGB zur Unwirksamkeit der dort zu beurteilendenden Abrede gelangt ist.

Im Hinweisbeschluss wird die Auffassung vertreten, der Sachverhalt des Streitfalls sei damit nicht vergleichbar, sondern die Vertragsparteien hätten die grundlegende Entscheidung, alle etwaigen Streitigkeiten den staatlichen Gerichten zu entziehen und einem Schiedsgericht zuzuweisen, bereits getroffen.

  1. Schließlich dringt die Rechtsbeschwerde auch nicht mit ihrer Auffassung durch, das Oberlandesgericht habe die Reichweite der Schiedsbindung rechtsfehlerhaft verkannt.

a) Das Oberlandesgericht hat hierzu ausgeführt, das Schiedsgericht sei für sämtliche im Schiedsverfahren geltend gemachten Ansprüche zuständig.

Das Schiedsverfahren drehe sich zwar im Wesentlichen um die Frage, ob der Antragsteller die Kooperationsgesellschaft und nicht die Mitgesellschafter für vermeintlich treuepflichtwidriges Verhalten zu entschädigen habe.

Es handele sich nicht im ganz vordergründigen Wortsinn um eine Streitigkeit, die zwischen den Gesellschaftern bestehe. Indessen könne kein vernünftiger Zweifel daran bestehen, dass auch die Ansprüche der Kooperationsgesellschaft von der Schiedsabrede umfasst sein sollten.

Schon der Wortlaut schließe ein solches Verständnis von § 10 des Kooperationsvertrags zwanglos mit ein.

Gerade die im Schiedsverfahren bemühte Treuepflicht bestehe nicht allein im Verhältnis zur Gesellschaft, sondern auch zu den Mitgesellschaftern, so dass sich nicht scharf zwischen den beiden Verhältnissen trennen lasse.

Auch eine wirtschaftliche Betrachtung spreche für die Einbeziehung des Verhältnisses jedes Gesellschafters zur Gesellschaft, gehe es doch auch im Fall von Ansprüchen der Gesellschaft letztlich um wirtschaftliche Werte ihrer Gesellschafter.

Die Interessenlage der Parteien lege ebenfalls nahe, dass sie die an ihren Vertrag anknüpfenden Beziehungen und die sich daraus ergebenden Ansprüche demselben und nicht zwei unterschiedlichen Gerichten zur Entscheidung unterbreiten wollten.

Das gelte im vorliegenden Fall umso mehr, als im Schiedsverfahren neben der Kooperationsgesellschaft auch noch deren Gesellschafter als Kläger aufträten.

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Ganz in diesem Sinne hätten die Parteien in der Schiedsvereinbarung zum Gemeinschaftspraxisvertrag präzisierend festgehalten, dass auch Streitigkeiten, die im Zusammenhang mit dem Gemeinschaftsvertrag zwischen einzelnen Gesellschaftern und der Partnerschaft entstünden, umfasst würden.

b) Ohne Erfolg bringt die Rechtbeschwerde hiergegen vor, in dem Urteil, zu dem der vom Oberlandesgericht in Bezug genommene Hinweisbeschluss ergangen sei, habe das Landgericht Hamburg klargestellt, dass die Antragsgegnerin zu 1 nicht Partei der Schiedsvereinbarung des Kooperationsvertrags, sondern durch diesen erst gegründet worden sei.

Das Oberlandesgericht hat sich diese Auffassung des Landgerichts Hamburg nicht zu eigen gemacht, sondern seine abweichende Rechtsauffassung eigenständig begründet.

c) Ebenfalls vergeblich rügt die Rechtsbeschwerde, das Oberlandesgericht habe nicht zwischen subjektiver und objektiver Reichweite der Schiedsbindung differenziert und selbst festgestellt, dass es an einer ausdrücklichen Einbeziehung der Kooperationsgesellschaft in den Anwendungsbereich der Schiedsvereinbarung des Kooperationsvertrags fehle.

Die vom Oberlandesgericht vorgenommene Auslegung der Reichweite der Schiedsvereinbarung, die sich ersichtlich auf die subjektive und die objektive Schiedsbindung bezieht, ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden. Es liegt kein Fall einer unzulässigen Erstreckung der Schiedsbindung auf Dritte vor

(zur Haftung nach § 179 BGB vgl. BGH, Urteil vom 5. Mai 1977 – III ZR 177/74, BGHZ 68, 356 [juris Rn. 21 bis 25];

aA hierzu MünchKomm.ZPO/Münch, 6. Aufl., § 1059 Rn. 57;

Voit in Musielak/Voit, ZPO, 19. Aufl., § 1029 Rn. 8).

Die Gesellschafter einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts können bereits bei der Gründung der Gesellschaft im Gesellschaftsvertrag bestimmen, auch ihre Ansprüche im Verhältnis zur Gesellschaft einem Schiedsgericht zur Entscheidung zuzuweisen.

IV. Danach ist die Rechtsbeschwerde mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.

V. Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens beträgt ein Fünftel des Hauptsachewerts von 1.522.231 €

(zum Verfahren nach § 1032 Abs. 2 ZPO vgl. BGH, Beschluss vom 19. September 2019 – I ZB 4/19, SchiedsVZ 2020, 50 [juris Rn. 26] mwN).

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Löffler

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Einige Entscheidungen stellen Mindermeinungen dar oder sind später im Instanzenweg abgeändert oder durch neue obergerichtliche Entscheidungen oder Gesetzesänderungen überholt worden.

Das Recht entwickelt sich ständig weiter. Stetige Aktualität kann daher nicht gewährleistet werden.

Die schlichte Wiedergabe dieser Entscheidungen vermag daher eine fundierte juristische Beratung keinesfalls zu ersetzen.

Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.

Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.

Es soll auch nicht der falsche Anschein erweckt werden, als seien die veröffentlichten Urteile von der Kanzlei Krau erzielt worden. Das ist in aller Regel nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um einen allgemeinen Auszug aus dem deutschen Rechtsleben zur Information der Rechtssuchenden.

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