BGH II ZR 209/10

Dezember 9, 2020

BGH II ZR 209/10, Urteil vom 05.07.2011, Gesellschaft bürgerlichen Rechts in Liquidation, Nachtragsliquidation

RA und Notar Krau

Kernaussage

Das Urteil betrifft die Vertretungsbefugnis in einer aufgelösten Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) in Liquidation.

Der Bundesgerichtshof (BGH) bestätigt, dass die Einzelgeschäftsführungsbefugnis eines Gesellschafters mit der Auflösung der GbR erlischt

und die Geschäftsführung dann allen Gesellschaftern gemeinschaftlich zusteht, sofern keine abweichende Regelung getroffen wurde.

Eine analoge Anwendung von Vorschriften des Aktiengesetzes (AktG) oder des GmbH-Gesetzes (GmbHG) ist in der Regel nicht möglich.

Sachverhalt

  • Die Klägerin, eine GbR in Liquidation, wurde 2001 gegründet. Ihr Zweck bestand in der Beteiligung weiterer Gesellschafter und der Verwaltung von Einlagen.
  • Der Beklagte ist einer von ca. 3.400 Gesellschaftern, der eine Forderung gegen die S. GmbH in die GbR einbrachte.
  • Sowohl die S. GmbH als auch die S. Finanzdienstleistungen AG, auf die die Ansprüche der Gesellschafter übergehen sollten, wurden insolvent.
  • Auf einer Gesellschafterversammlung 2002 wurde kein Liquidator bestimmt.
  • Die Klägerin, vertreten durch W. K. als „Liquidator“, klagte gegen den Beklagten auf Zahlung bzw. Feststellung eines geringeren Anspruchs.
  • Landgericht und Berufungsgericht wiesen die Klage als unzulässig ab, da W. K. die Klägerin in der Liquidation nicht vertreten könne.

BGH II ZR 209/10

Entscheidungsgründe

  • Unzulässigkeit der Klage:

    • Der BGH bestätigt die Unzulässigkeit der Klage, da die Klägerin nicht wirksam vertreten wurde.
    • Die Einzelgeschäftsführungsbefugnis von W. K. erlosch mit der Auflösung der GbR.
    • In der Liquidationsphase steht die Geschäftsführung allen Gesellschaftern gemeinschaftlich zu, sofern keine anderslautende Regelung besteht.
    • Im Gesellschaftsvertrag der Klägerin fehlte eine solche Regelung.
  • Keine abweichende Regelung im Gesellschaftsvertrag:

    • Eine ergänzende Vertragsauslegung ist nicht möglich, da das dispositive Gesetzesrecht (§ 730 Abs. 2 Satz 2 BGB) greift.
    • Der Gesellschaftsvertrag und die Umstände bei Vertragsschluss lassen keinen hypothetischen Parteiwillen erkennen, dass W. K. auch in der Liquidation alleinvertretungsberechtigt sein sollte.
    • Die Interessenlage bei Zweckerreichung und Zweckverfehlung unterscheidet sich. Bei Zweckverfehlung ist eine vollständige Auseinandersetzung des Gesellschaftsvermögens notwendig, wobei die Gesellschafter ein stärkeres Interesse an Überwachung und Kontrolle haben.
    • Eine Abwicklung durch den Initiator des gescheiterten Geschäftsmodells widerspricht dem mutmaßlichen Parteiwillen.
  • Keine analoge Anwendung von Kapitalgesellschaftsrecht:

    • Eine analoge Anwendung von § 265 Abs. 1 AktG oder § 66 Abs. 1 GmbHG ist ausgeschlossen.
    • Es besteht keine Regelungslücke, da die Gesellschafter die Handlungsfähigkeit der GbR in Liquidation durch Beschluss oder gerichtliche Bestellung eines Liquidators sicherstellen können.
    • Eine Analogie widerspricht den Interessen der Gesellschafter, da sie ihr Recht auf gemeinschaftliche Entscheidung über Liquidationsmaßnahmen verlieren würden.
    • Die Anwendung kapitalgesellschaftsrechtlicher Regeln auf Publikums-KGs durch den Senat rechtfertigt keine Analogie, wenn der Gesellschaftsvertrag keine entsprechenden Elemente aufweist.
    • Im vorliegenden Fall fehlten solche Elemente im Gesellschaftsvertrag der Klägerin.

BGH II ZR 209/10

Fazit:

  • In einer aufgelösten GbR in Liquidation erlischt die Einzelgeschäftsführungsbefugnis, sofern keine anderslautende Regelung existiert.
  • Die Geschäftsführung steht dann allen Gesellschaftern gemeinschaftlich zu.
  • Eine analoge Anwendung von Kapitalgesellschaftsrecht ist in der Regel ausgeschlossen, insbesondere wenn der Gesellschaftsvertrag keine entsprechenden Regelungen enthält.
  • Die Klage war unzulässig, da die Klägerin in der Liquidation nicht wirksam vertreten wurde.

Zusätzliche Anmerkungen:

  • Das Urteil betont die Bedeutung der gemeinschaftlichen Geschäftsführung in der Liquidationsphase einer GbR, um die Interessen aller Gesellschafter zu wahren.
  • Es unterstreicht die Notwendigkeit klarer Regelungen im Gesellschaftsvertrag, insbesondere für den Fall der Auflösung und Liquidation.
  • Die analoge Anwendung von Kapitalgesellschaftsrecht auf Personengesellschaften ist nur in Ausnahmefällen möglich, wenn der Gesellschaftsvertrag entsprechende Strukturen aufweist.

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Die auf dieser Homepage wiedergegebenen Gerichtsentscheidungen bilden einen kleinen Ausschnitt der Rechtsentwicklung über mehrere Jahrzehnte ab. Nicht jedes Urteil muss daher zwangsläufig die aktuelle Rechtslage wiedergeben.

Einige Entscheidungen stellen Mindermeinungen dar oder sind später im Instanzenweg abgeändert oder durch neue obergerichtliche Entscheidungen oder Gesetzesänderungen überholt worden.

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Die schlichte Wiedergabe dieser Entscheidungen vermag daher eine fundierte juristische Beratung keinesfalls zu ersetzen.

Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.

Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.

Es soll auch nicht der falsche Anschein erweckt werden, als seien die veröffentlichten Urteile von der Kanzlei Krau erzielt worden. Das ist in aller Regel nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um einen allgemeinen Auszug aus dem deutschen Rechtsleben zur Information der Rechtssuchenden.

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