BGH, Urteil vom 12. März 1953 – IV ZR 131/52 –, BGHZ 9, 113-117 Haben Eheleute ihren letzten Willen ohne Bezugnahme aufeinander auf verschiedenen Papierbogen niedergelegt, dann liegt ein gemeinschaftliches Testament nur dann vor, wenn ihr Wille, gemeinsam letztwillig über ihren Nachlaß zu verfügen, zu einer gemeinschaftlichen Erklärung beider Ehegatten geführt hat, die aus den beiden Einzeltestamenten selbst nach außen erkennbar ist.

April 14, 2019

BGH, Urteil vom 12. März 1953 – IV ZR 131/52 –, BGHZ 9, 113-117
Haben Eheleute ihren letzten Willen ohne Bezugnahme aufeinander auf verschiedenen Papierbogen niedergelegt, dann liegt ein gemeinschaftliches Testament nur dann vor, wenn ihr Wille, gemeinsam letztwillig über ihren Nachlaß zu verfügen, zu einer gemeinschaftlichen Erklärung beider Ehegatten geführt hat, die aus den beiden Einzeltestamenten selbst nach außen erkennbar ist.

Tenor
Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des 3. Zivilsenats des Oberlandesgerichts in Frankfurt/Main vom 7. März 1952 wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Am 20. November 1949 starb in W der Ehemann der Beklagten (Erblasser). Er hinterließ zwei Testamente folgenden Wortlauts:
I.
“Testament
Ich bestimme hiermit meine Frau Ma C, geb. R zu meiner Alleinerbin. Alles was ich besitze an Hab und Gut, Geld, Wertsachen etc. soll sie bekommen. Auch mein Anteil an dem Anwesen meines Schwagers Fr B, Ca A, C H in P, welcher sich auf Frs. schw. 10.000,– (zehntausend Schweizer Franken) beläuft, soll von ihr nach meinem Ableben beansprucht werden. Desgleichen soll meine Frau Ma meinen Teil des elterlichen Vermögens in W teilhaftig werden. Ein weiteres Testament besteht nicht.
Hei C.
L, den 21. Dezember 1947.”
II.
“Ich, der Unterzeichnete, bestimme hiermit, dass im Fall meines Ablebens mein sich in Deutschland befindliches Vermögen, d.h. mein halber Anteil an dem Haus F-A-Str. …, sowie der mir aus der Erbmasse von unserer Mutter, Frau Lu C geb. Br zugefallene Anteil. an meine Schwester Lu B, geb. C, fällt.
W, den 15. März 1949
He C
Ferner erkläre ich, dass die Nutzniessung aus meinen obigen Vermögensanteilen in meiner Abwesenheit an meine Schwester Lu B, geb. C fällt.
W, den 15. März 1949
He C.”
Lu B hat gegen die Beklagte auf Übertragung der ihr im Testament vom 15. März 1949 zugewandten Anteile geklagt. Die Beklagte hat zunächst geltend gemacht, durch dieses Vermächtnis sei ihr Erbteil auf weniger als die Hälfte des gesetzlichen Erbteils gemindert worden; sie brauche es deshalb nach § 2306 BGB nicht zu erfüllen.
Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Die Beklagte hat Berufung eingelegt und u.a. neu vorgetragen:
Das erste Testament des Erblassers sei Teil eines gemeinschaftlichen Testaments mit wechselbezüglichen Verfügungen. Sie habe nämlich am selben Tage auf einem besonderen Blatt wie folgt letztwillig verfügt:
“Testament
Ich bestimme hiermit meinen Ehemann, He C, Sohn von Chr C und geboren zu W am … zu meinem Alleinerben.
Ma C, geb. R
L, 21.12.1947.”
Jeder von ihnen habe sein Testament im Hinblick auf das Testament des anderen errichtet. Sie hätten die Testamente dann ausgetauscht, damit jeder die zu seinen Gunsten lautende letztwillige Verfügung habe aufbewahren können. Der Erblasser habe daher von dem Testament vom 21. Dezember 1947 nicht einseitig abweichen können. Der Erblasser habe sich ferner bei Errichtung des zweiten Testamentes über die Beitreibbarkeit der im ersten Testament erwähnten Forderung von 10.000,– Schweizer Franken gegen seinen Schwager Fr und über Charaktereigenschaften der Eheleute B geirrt. Mindestens sei der Anspruch auf Erfüllung des Vermächtnisses noch nicht fällig. Notfalls habe sie ein Zurückbehaltungsrecht, weil sie Geldforderungen gegen Lu B, ihren Ehemann und ihre Mutter habe und Lu B ferner Nachlassgegenstände (2 Notizbücher, einen Gehpelz und 125 Schweizer Franken in bar) besitze.
Das Oberlandesgericht hat die Berufung durch Versäumnisurteil zurückgewiesen und dieses nach Einspruch der Beklagten aufrechterhalten.
Mit der Revision verfolgt die Beklagte ihren Antrag auf Klagabweisung weiter. Für die inzwischen verstorbene Luise Basse sind die Kläger als deren Testamentsvollstrecker in den Rechtsstreit eingetreten. Sie bitten, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision greift das angefochtene Urteil nur an, soweit dieses verneint hat, dass die Eheleute C am 21. Dezember 1947 ein gemeinschaftliches Testament errichtet hätten. Der Revisionsangriff ist jedoch unbegründet.
Das Berufungsgericht hat zutreffend die deutschen Gesetze angewendet, da beide Eheleute unstreitig Deutsche waren (Art 11 Abs 1 in Verbindung mit Art 24 Abs 1 EGBGB). Als Ehegatten konnten sie nach § 28 Abs 1 TestG ein gemeinschaftliches Testament errichten. Auch wenn der gesamte bisher nicht in allen Teilen festgestellte Tatsachenvortrag der Beklagten als richtig unterstellt wird, liegt hier jedoch kein gemeinschaftliches Testament vor. Der Begriff des gemeinschaftlichen Testaments ist weder im Bürgerlichen Gesetzbuch (§§ 2265 ff) noch in dem an die Stelle der §§ 2265 – 2267 BGB getretenen § 28 TestG näher umschrieben worden. Nach der Rechtsprechung des Reichsgerichts zu den §§ 2265 – 2267 BGB konnte ein gemeinschaftliches Testament nur dann angenommen werden, wenn die Erklärungen der Eheleute äußerlich in einer Urkunde – wenn auch auf mehreren Bogen oder Blättern – zusammengefasst waren, wobei der Inhalt der Verfügungen, die Einheitlichkeit oder Gemeinschaftlichkeit des Errichtungsaktes und die Absichten der Eheleute ohne Belang sein sollten (vgl RGZ 50, 309; 72, 204; RG-Urteil vom 14. Juni 1917 IV 120/17). Nach Ansicht des Reichsgerichts konnte ein gemeinschaftliches Testament nicht in der Weise errichtet werden, dass jeder der Ehegatten die beabsichtigten letztwilligen Verfügungen niederschrieb, datierte und unterschrieb und der andere Teil sie nur mitunterschrieb (RGZ 72, 204). Der Oberste Gerichtshof für die Britische Zone ist dieser Rechtsprechung für den Geltungsbereich des § 28 TestG nicht gefolgt. Er hat im Anschluss an eine Entscheidung des Oberlandesgerichts Freiburg vom 20. Dezember 1947 (DRZ 1948, 179) dargelegt, dass bei äußerlich scheinbar selbständigen Einzelverfügungen – auch ohne ausdrückliche Bezugnahme dieser Erklärungen aufeinander – aus der Willensrichtung der Erblasser auf ein gemeinschaftliches Testament geschlossen werden könne. Ein solcher Wille könne sich im Einzelfalle aus dem den Urkunden zu entnehmenden räumlichen, zeitlichen und inhaltlichen Zusammenhang der beiderseitigen Verfügungen in Verbindung mit der Lebenserfahrung und den Auslegungsregeln der §§ 2084, 133 BGB ergeben (OGHZ 1, 333 (337)). Es kann hier dahingestellt bleiben, welcher der beiden Rechtsauffassungen beizutreten ist. Auch wenn bei der Entscheidung der Frage, wann ein gemeinschaftliches Testament vorliegt, dem Willen der Erblasser maßgebliche Bedeutung beigelegt wird, muss sich doch, soweit die beiderseitigen Erklärungen äußerlich selbständig in besonderen Urkunden enthalten sind, aus den Urkunden selbst eine gemeinschaftliche Erklärung ersehen lassen (im Ergebnis ähnlich Coing in JZ 1952, 611 Anm 14). Dass eine gemeinschaftliche Erklärung erforderlich ist, ist schon dem Wort “Gemeinschaftliches Testament” zu entnehmen, außerdem aber auch in § 28 Abs 2 TestG ausdrücklich ausgesprochen worden. Nach dieser Bestimmung genügt es zur Errichtung eines gemeinschaftlichen Testaments nach § 21 TestG, wenn einer der Ehegatten das Testament in der dort vorgeschriebenen Form errichtet und der andere Ehegatte die gemeinschaftliche Erklärung eigenhändig mit unterzeichnet. Wird aber neben dem Willen der Erblasser, gemeinschaftlich letztwillig zu verfügen, auch eine gemeinschaftliche Erklärung vorausgesetzt, dann ergibt sich hieraus die weitere Folgerung, dass diese aus den beiderseitigen Urkunden selbst erkennbar sein muss. Denn es handelt sich in diesem Falle nicht bloß um die Auslegung einer Willenserklärung im Sinne des § 133 BGB, für die auch Umstände außerhalb der Urkunden maßgebend sein können, sondern um die Feststellung, ob die vom Gesetz geforderte gemeinschaftliche Erklärung als solche abgegeben worden ist. Auch die Vorschriften über die Eröffnung eines gemeinschaftlichen Testaments (§ 44 TestG) sprechen für die Ansicht, dass die gemeinschaftliche Erklärung sich aus den Verfügungen der Ehegatten selbst ergeben muss. Diese Bestimmungen gehen stillschweigend davon aus, dass ein gemeinschaftliches Testament als solches erkennbar ist und regeln demgemäß seine Eröffnung in besonderer Weise. Ihre Anwendbarkeit wäre in Frage gestellt, soweit eine äußerlich völlig selbständige letztwillige Verfügung eines Ehegatten Teil eines gemeinschaftlichen Testaments sein könnte, ohne dass diese Einheit irgendwie in Erscheinung tritt. Besondere Klarheit ist jedoch in dieser Hinsicht umso dringlicher, als das Gesetz für das gemeinschaftliche Testament weitgehende Vermutungen der Wechselbezüglichkeit begründet hat (§ 2270 Abs 2 BGB).
Die dargelegten Einschränkungen entsprechen allein der Forderung nach Rechtssicherheit auf dem Gebiete des Testamentsrechts und stehen auch mit dem Geiste des Testamentsgesetzes in Einklang. Nach Absatz 2 der Präambel zum Gesetz über die Errichtung von Testamenten und Erbverträgen vom 31. Juli 1938 (RGBl I 973) sind die Anforderungen an die Errichtung oder Aufhebung einer Verfügung von Todes wegen so zu gestalten, dass unnötige Formenstrenge vermieden wird, andererseits eine zuverlässige Wiedergabe des Willens des Erblassers sichergestellt ist. Auch das Testamentsgesetz von 1938 stellt hiernach nicht allein auf den Willen der Erblasser ab, sondern legt auf eine “zuverlässige Wiedergabe” ihres Willens Gewicht. Darauf kommt es hier aber umso mehr an, als die gemeinschaftliche Erklärung schon nach dem Gesetzeswortlaut begriffliches Erfordernis des gemeinschaftliche Testaments ist.
Eine gemeinschaftliche Erklärung ist aber, auch wenn man alle von der Revision angeführten Umstände zusammennimmt den beiden Testamenten der Ehegatten vom 21. Dezember 1947 selbst nicht zu entnehmen. Dass sie am selben Tage und am selben Orte (L) errichtet worden sind, sich nach Inhalt und Fassung im wesentlichen gleichen und angeblich als äußeres Zeichen gemeinschaftlichen Wollens von den Ehegatten ausgetauscht worden sind, ist angesichts der entscheidenden Tatsache, dass beide nicht als gemeinschaftlich handelnd (erklärend) aufgetreten sind, unerheblich. Nach außen sind die beiden Testamente gleichwohl selbständige Einzelverfügungen geblieben und in keiner Weise – jedenfalls nicht aus den Urkunden selbst erkennbar – als Einheit in Erscheinung getreten. Das Testament des Erblassers ist daher auch allein eröffnet worden, ohne dass irgendein Zweifel daran auftreten konnte, es handele sich um ein gewöhnliches eigenhändiges Testament einer Einzelperson. Ob ein gemeinschaftliches Testament dann angenommen werden könnte, wenn die beiden Einzeltestamente auf einem Bogen Papier zusammengeschrieben oder die auf verschiedenen Blättern niedergeschriebenen Testamente zusammengeheftet oder in einen Umschlag gesteckt oder in anderer Weise miteinander verbunden und zusammen aufbewahrt worden wären, kann hier dahingestellt bleiben, da die Beklagte keinerlei äußere Verbindung der Testamente behauptet hat. Ein solcher aus den Niederschriften selbst ersichtlicher äußerer Zusammenhang der beiderseitigen Erklärungen hatte übrigens auch in den in DRZ 1948, 179 und OGHZ 1, 333 entschiedenen Fällen bestanden. Er ist vom Obersten Gerichtshof in seiner rechtlichen Beurteilung besonders hervorgehoben worden (S 337 aaO). Die Beklagte kann sich schon aus diesem Grunde nicht auf jene Entscheidungen berufen.
Im übrigen hat die Revision keine Rügen erhoben und sind in dem angefochtenen Urteil auch keine Gesetzesverletzungen ersichtlich.
Die Revision der Beklagten war daher mit Kostenfolge aus § 97 ZPO zurückzuweisen.

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Die auf dieser Homepage wiedergegebenen Gerichtsentscheidungen bilden einen kleinen Ausschnitt der Rechtsentwicklung über mehrere Jahrzehnte ab. Nicht jedes Urteil muss daher zwangsläufig die aktuelle Rechtslage wiedergeben.

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Das Recht entwickelt sich ständig weiter. Stetige Aktualität kann daher nicht gewährleistet werden.

Die schlichte Wiedergabe dieser Entscheidungen vermag daher eine fundierte juristische Beratung keinesfalls zu ersetzen.

Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.

Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.

Es soll auch nicht der falsche Anschein erweckt werden, als seien die veröffentlichten Urteile von der Kanzlei Krau erzielt worden. Das ist in aller Regel nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um einen allgemeinen Auszug aus dem deutschen Rechtsleben zur Information der Rechtssuchenden.

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