Die Dürftigkeitseinrede des Erben

August 30, 2024

Die Dürftigkeitseinrede des Erben ist ein rechtliches Instrument, das dem Erben ermöglicht, seine Haftung gegenüber den Nachlassgläubigern auf den Nachlass zu beschränken, wenn dieser unzureichend ist, um alle Verbindlichkeiten zu decken.

Diese Einrede ist im deutschen Erbrecht von zentraler Bedeutung, insbesondere wenn der Nachlass überschuldet oder dürftig ist.

Die Regelungen dazu sind in verschiedenen Paragraphen des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) sowie der Zivilprozessordnung (ZPO) verankert.

Beschränkbarkeit der Haftung des Erben

Die Haftung des Erben ist grundsätzlich auf den Nachlass beschränkt, was bedeutet, dass der Erbe nicht mit seinem eigenen Vermögen für die Schulden des Erblassers haftet, sofern er die Dürftigkeitseinrede erhebt.

Dies gilt jedoch nur gegenüber solchen Nachlassgläubigern, denen gegenüber der Erbe nicht unbeschränkt haftet (§ 2013 Abs. 1 BGB).

Bei einem Gerichtsverfahren stellt sich die Frage, ob diese Haftungsbeschränkung im Erkenntnisverfahren (also im Verfahren zur Feststellung des Anspruchs) oder erst im Vollstreckungsverfahren (bei der Durchsetzung des Anspruchs) geklärt wird.

Üblicherweise wird diese Frage im Vollstreckungsverfahren geklärt, um eine klare Kompetenzverteilung zwischen den Verfahren zu gewährleisten.

In Fällen, in denen der Nachlass eindeutig dürftig ist, sollte jedoch aus prozessökonomischen Gründen und zur effektiven Rechtsgewährung die Haftungsfrage bereits im Erkenntnisverfahren geklärt werden.

Der Erbe sollte vermeiden müssen, zwei Prozesse führen zu müssen: einen zur Klärung der Forderung und einen weiteren zur Durchsetzung der Haftungsbeschränkung.

Wenn der Erbe nachweisen kann, welche Nachlassgegenstände konkret vorhanden sind, kann er erreichen, dass diese Gegenstände in den Urteilstenor aufgenommen werden, um eine Vollstreckung in sein eigenes Vermögen zu verhindern.

Sollte ein Gläubiger dennoch in das Eigenvermögen des Erben vollstrecken, wäre eine Erinnerung nach § 766 ZPO ausreichend, anstelle einer Vollstreckungsgegenklage.

Haftungsbeschränkungsvorbehalt im Urteil

Wenn der Erbe verklagt wird, muss er unbedingt darauf achten, dass er sich die Möglichkeit vorbehält, seine Haftung auf den Nachlass zu beschränken.

Dies sollte durch die Aufnahme eines Haftungsbeschränkungsvorbehalts nach § 780 ZPO in den Urteilstenor geschehen.

Dieser Vorbehalt muss spätestens in der letzten mündlichen Verhandlung der Tatsacheninstanz beantragt werden.

Dabei ist es unerheblich, ob die Voraussetzungen für eine Haftungsbeschränkung zu diesem Zeitpunkt bereits eingetreten sind oder nicht; der Erbe kann sich die beschränkte Haftung vorsorglich vorbehalten.

Wird die Haftungsbeschränkung auch auf die Prozesskosten ausgedehnt, sollte der Erbe sicherstellen, dass dieser Vorbehalt auch in den Kostenfestsetzungsbeschluss aufgenommen wird.

Es ist wichtig zu beachten, dass Prozesskosten, die in der Person des Erben als Nachlasserbenschulden entstanden sind, keine Nachlassverbindlichkeiten darstellen und somit nicht unter die Dürftigkeitseinrede fallen.

Art der Forderung

Die Art der Forderung, die gegen den Erben erhoben wird, ist grundsätzlich unerheblich.

Auch Pflichtteilsansprüche oder Ansprüche auf Wertermittlung des Nachlasses können von der Dürftigkeitseinrede erfasst werden.

Der Erbe kann auch die Einholung eines notariellen Nachlassverzeichnisses verweigern, wenn kein ausreichender Aktivnachlass vorhanden ist, um die Kosten zu decken.

Eine Ausnahme besteht, wenn der Pflichtteilsberechtigte bereit ist, die Kosten für das Verzeichnis zu tragen.

Darlegungs- und Beweislast des Erben

Der Erbe trägt die Darlegungs- und Beweislast für die Unzulänglichkeit des Nachlasses.

Das Gericht ist in solchen Fällen verpflichtet, die Sachlage entsprechend aufzuklären.

Wenn der Erbe die Dürftigkeitseinrede erhebt, muss das Prozessgericht entweder den Haftungsumfang sachlich aufklären oder den Vorbehalt der Haftungsbeschränkung aussprechen.

Nicht nur der Erbe selbst, sondern auch der Testamentsvollstrecker oder der Nachlasspfleger können die Dürftigkeitseinrede erheben.

Der maßgebliche Zeitpunkt für die Beurteilung der Dürftigkeit des Nachlasses ist nicht der Erbfall, sondern der Zeitpunkt der Geltendmachung der Einrede, also die letzte mündliche Verhandlung zur Entscheidung über die Einrede.

Der Nachlass kann auch nachträglich dürftig werden, beispielsweise durch Wertverfall von Vermögenswerten.

Zeitpunkt und Geltendmachung der Dürftigkeitseinrede

Die Dürftigkeitseinrede kann zu jedem Zeitpunkt im Prozess geltend gemacht werden, sie ist zeitlich nicht begrenzt und kann auch nach der Vollziehung der Erbteilung erhoben werden.

Der Antrag auf Aufnahme des Vorbehalts nach § 780 ZPO sollte jedoch spätestens in der letzten mündlichen Verhandlung der Tatsacheninstanz gestellt werden.

Es ist möglich, dass eine Berufung darauf beschränkt wird, den Antrag auf Haftungsbeschränkung in der Berufungsinstanz nachzuholen.

Insgesamt stellt die Dürftigkeitseinrede ein wichtiges Schutzinstrument für Erben dar, um zu verhindern, dass sie über den Nachlass hinaus für Schulden des Erblassers haften müssen.

Sie erlaubt es, die Haftung auf den Nachlass zu beschränken und somit das eigene Vermögen zu schützen, wenn der Nachlass selbst nicht ausreicht, um alle Forderungen zu bedienen.

RA und Notar Krau

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