Erteilung von Abschriften aus der Grundakte des Grundbuchs an den Pflichtteilsberechtigten – OLG München Beschluss vom 15.2.2024 – 34 Wx 36/24 e

Juli 19, 2024

Erteilung von Abschriften aus der Grundakte des Grundbuchs an den Pflichtteilsberechtigten – OLG München Beschluss vom 15.2.2024 – 34 Wx 36/24 e

Zusammenfassung RA und Notar Krau

Das Oberlandesgericht (OLG) München hat in seinem Beschluss vom 15. Februar 2024 (Az. 34 Wx 36/24) festgestellt, dass Pflichtteilsberechtigte ein berechtigtes Interesse an der Einsichtnahme in Grundakten und der Erteilung von Abschriften haben können, wenn dies zur Durchsetzung ihrer Ansprüche erforderlich ist.

Dies betrifft insbesondere Informationen, die den Wert des Nachlassgegenstandes betreffen, wie etwa die Kostenrechnung eines Notarvertrags.

Rechtliche Grundlagen und Definitionen:

Berechtigtes Interesse (§ 46 Abs. 1 GBV und § 12 Abs. 1 S. 1 GBO):

Ein berechtigtes Interesse liegt vor, wenn ein verständiges, durch die Sachlage gerechtfertigtes Interesse des Antragstellers dargetan wird.

Dies muss nicht auf einem bereits vorhandenen Recht oder konkreten Rechtsverhältnis beruhen, sondern kann auch auf einem bloß tatsächlichen, insbesondere wirtschaftlichen Interesse basieren.


Unbefugte Zwecke oder reine Neugier sind ausgeschlossen; das Interesse muss sachlich begründet und für das künftige Handeln des Antragstellers erheblich sein.


Besonders strenge Prüfung des berechtigten Interesses ist erforderlich, da die Informationen in den Grundakten nicht zum Grundbuchinhalt gehören und das informationelle Selbstbestimmungsrecht der Betroffenen zu beachten ist.


Pflichtteilsrecht und Pflichtteilsergänzungsanspruch (§§ 2303, 2325 BGB):

Pflichtteilsberechtigte haben nach dem Tod des Erblassers einen Anspruch auf einen bestimmten Anteil des Nachlasses.

Erteilung von Abschriften aus der Grundakte des Grundbuchs an den Pflichtteilsberechtigten – OLG München Beschluss vom 15.2.2024 – 34 Wx 36/24 e


Der Pflichtteilsergänzungsanspruch entsteht, wenn der Erblasser zu Lebzeiten Vermögen verschenkt hat, das bei der Berechnung des Pflichtteils berücksichtigt werden muss.


Sachverhalt:

Hintergrund:

Die Erblasserin H. H. hatte ihren Miteigentumsanteil an einer Immobilie im Wege einer teilentgeltlichen Schenkung an ihren Sohn D. H. übertragen.

Ein weiterer Sohn der Erblasserin, der Antragsteller, beantragte nach dem Tod seiner Mutter beim Grundbuchamt die Erteilung von Abschriften verschiedener Dokumente, um seinen Pflichtteilergänzungsanspruch geltend zu machen.

Anträge und Entscheidungen:

Der Antragsteller erhielt zunächst eine Kopie des Notarvertrags, beantragte jedoch zusätzlich Abschriften weiterer Notarverträge und der Kostenrechnung.


Das Grundbuchamt lehnte die Erteilung weiterer Abschriften mit der Begründung ab, dass kein berechtigtes Interesse bestehe.


Der Antragsteller legte Beschwerde ein, die teilweise Erfolg hatte.

Das OLG entschied, dass ein berechtigtes Interesse an der Erteilung einer Abschrift der Kostenrechnung besteht, da diese Informationen zum Wert des veräußerten Grundstücks enthält, die für die Berechnung des Pflichtteilsergänzungsanspruchs relevant sind.

Erteilung von Abschriften aus der Grundakte des Grundbuchs an den Pflichtteilsberechtigten – OLG München Beschluss vom 15.2.2024 – 34 Wx 36/24 e


Begründung des OLG:

Kostenrechnung:

Das berechtigte Interesse des Antragstellers ergibt sich aus seiner Stellung als Pflichtteilsberechtigter und der Notwendigkeit, den Grundstückswert zur Berechnung seines Anspruchs zu kennen.


Der der Kostenrechnung zugrunde gelegte Gegenstandswert bietet einen Anhaltspunkt für den Grundstückswert, auch wenn er nicht verbindlich ist.


Ein überwiegendes schutzwürdiges Interesse des Erwerbers an der Geheimhaltung besteht nicht, da keine persönlichen finanziellen Verhältnisse offenbart werden.


Bewilligung:

Der Antrag auf Erteilung einer Abschrift der Bewilligung war unbegründet, da der Antragsteller bereits eine Kopie der gesamten Vertragsurkunde erhalten hatte, die die Bewilligung enthielt.


Zusammenfassung:

Das OLG München hat klargestellt, dass Pflichtteilsberechtigte ein berechtigtes Interesse an der Einsichtnahme in Grundakten und der Erteilung von Abschriften haben können, wenn dies zur Durchsetzung ihrer Ansprüche erforderlich ist.

Dabei ist eine sorgfältige Prüfung des berechtigten Interesses erforderlich, um das informationelle Selbstbestimmungsrecht der Betroffenen zu wahren.

Insbesondere bei wirtschaftlichen Interessen, wie der Ermittlung des Grundstückswerts zur Berechnung des Pflichtteilsergänzungsanspruchs, kann die Einsichtnahme gerechtfertigt sein.

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Schlagworte

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Die auf dieser Homepage wiedergegebenen Gerichtsentscheidungen bilden einen kleinen Ausschnitt der Rechtsentwicklung über mehrere Jahrzehnte ab. Nicht jedes Urteil muss daher zwangsläufig die aktuelle Rechtslage wiedergeben.

Einige Entscheidungen stellen Mindermeinungen dar oder sind später im Instanzenweg abgeändert oder durch neue obergerichtliche Entscheidungen oder Gesetzesänderungen überholt worden.

Das Recht entwickelt sich ständig weiter. Stetige Aktualität kann daher nicht gewährleistet werden.

Die schlichte Wiedergabe dieser Entscheidungen vermag daher eine fundierte juristische Beratung keinesfalls zu ersetzen.

Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.

Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.

Es soll auch nicht der falsche Anschein erweckt werden, als seien die veröffentlichten Urteile von der Kanzlei Krau erzielt worden. Das ist in aller Regel nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um einen allgemeinen Auszug aus dem deutschen Rechtsleben zur Information der Rechtssuchenden.

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