OLG München 7 U 4638/15

Januar 15, 2022

Feststellung Alleinerbrecht aufgrund Testament -Erbscheinsverfahren – OLG München 7 U 4638/15

RA und Notar Krau

Kernaussage:

Das Oberlandesgericht München (OLG München) bestätigt in diesem Urteil die Entscheidung des Landgerichts München I, wonach ein Testament aufgrund der Testierunfähigkeit des Erblassers unwirksam ist.

Der Erblasser litt an einer chronischen paranoiden Schizophrenie, die seine Fähigkeit zur freien Willensbestimmung beeinträchtigte und somit die Gültigkeit des Testaments ausschloss.

Sachverhalt:

Die Klägerin, Tochter des Erblassers, begehrte die Feststellung ihres Alleinerbrechts basierend auf einem Testament ihres verstorbenen Vaters.

Der Beklagte, ihr Bruder und ebenfalls Abkömmling des Erblassers, bestritt die Wirksamkeit des Testaments und berief sich auf gesetzliche Erbfolge.

Das Amtsgericht hatte zunächst einen Alleinerbschein für die Klägerin erteilt, dies jedoch im Beschwerdeverfahren aufgrund eines Sachverständigengutachtens, das die Testierfähigkeit des Erblassers verneinte, wieder zurückgenommen.

Feststellung Alleinerbrecht aufgrund Testament -Erbscheinsverfahren – OLG München 7 U 4638/15

Entscheidungsgründe:

  • Testierunfähigkeit: Das OLG München bestätigte die Feststellung des Landgerichts, dass der Erblasser zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung testierunfähig war. Es stützte sich dabei auf das Gutachten des Sachverständigen, das eine chronische paranoide Schizophrenie diagnostizierte.
  • Krankhafte Störung: Der Sachverständige belegte die Diagnose anhand der Kriterien der ICD-10, insbesondere durch das Vorliegen von Gedankeneingebung, Gefühl des Gemachten und anhaltendem, bizarrem Wahn. Diese Merkmale wurden durch schriftliche Äußerungen des Erblassers in Büchern und Briefen sowie durch Zeugenaussagen belegt.
  • Beziehung zum enterbten Sohn: Die krankheitsbedingten Realitätsverzerrungen des Erblassers bezogen sich auch auf den enterbten Sohn, was die Testierunfähigkeit weiter untermauerte. Der Erblasser war nicht in der Lage, die Bedeutung und Tragweite seiner Enterbung frei zu erfassen.
  • Weitere Einwände: Das Gericht wies die Einwände der Klägerin gegen das Sachverständigengutachten zurück. Es betonte, dass eine Diagnose post mortem in diesem Fall aufgrund der umfangreichen schriftlichen Zeugnisse und Zeugenaussagen möglich sei. Auch das Fehlen einer psychiatrischen Diagnose zu Lebzeiten des Erblassers sei nicht entscheidend, da die behandelnden Ärzte keine Kenntnis von den relevanten Symptomen hatten.
  • Rechtsfolge: Da das Testament aufgrund der Testierunfähigkeit des Erblassers unwirksam war, trat die gesetzliche Erbfolge ein. Klägerin und Beklagter wurden zu gleichen Teilen Miterben.

Feststellung Alleinerbrecht aufgrund Testament -Erbscheinsverfahren – OLG München 7 U 4638/15

Fazit:

Das Urteil verdeutlicht die Bedeutung einer sorgfältigen Prüfung der Testierfähigkeit, insbesondere bei Vorliegen psychischer Erkrankungen.

Auch wenn ein Erblasser ein esoterisches Weltbild hat, kann dies eine krankhafte Störung der Geistestätigkeit nicht ausschließen.

Eine umfassende Begutachtung unter Berücksichtigung aller verfügbaren Informationen ist erforderlich, um die Testierunfähigkeit festzustellen und die Gültigkeit eines Testaments zu beurteilen.

RA und Notar Krau

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