OLG Celle 6 U 22/20

Juni 30, 2021

OLG Celle 6 U 22/20

Feststellung der Testierunfähigkeit eines unter Betreuung stehenden Erblassers

RA und Notar Krau

Zur Feststellung der Testierunfähigkeit eines unter Betreuung stehenden Erblassers ist es notwendig zu überprüfen,

ob der Erblasser zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung in der Lage war, die Bedeutung seiner Erklärungen zu verstehen und nach dieser Einsicht zu handeln.

Dies setzt voraus, dass der Erblasser nicht nur eine allgemeine Vorstellung vom Inhalt des Testaments hatte,

sondern auch die Tragweite seiner Anordnungen verstand und in der Lage war, frei von äußeren Einflüssen zu handeln.

Dabei spielt es keine Rolle, ob der Erblasser unter Betreuung stand; auch für betreute Personen besteht die Vermutung der Testierfähigkeit.

Die Testierunfähigkeit muss nachgewiesen werden, was im Rahmen eines gerichtlichen Verfahrens unter Berücksichtigung ärztlicher Gutachten und Zeugenaussagen geschieht.

OLG Celle 6 U 22/20

Sittenwidrigkeit eines Testaments

Ein notarielles Testament zugunsten einer Berufsbetreuerin und eines Seniorenbetreuers kann sittenwidrig sein,

wenn die Betreuerin ihre gerichtlich verliehene Stellung und ihren Einfluss ausnutzt, um den Erblasser zu manipulieren.

Dies ist besonders relevant, wenn die Betreuerin ihre Machtposition dazu benutzt, den Erblasser dazu zu bringen, ein Testament nach ihren Wünschen zu errichten.

Der Gesetzgeber hat bislang keine spezifische Regelung getroffen, die Zuwendungen des Betreuten an den Betreuer als grundsätzlich sittenwidrig einstuft.

Dennoch können solche Handlungen im Einzelfall als sittenwidrig bewertet werden, wenn sie die besondere Vertrauensstellung und die Abhängigkeit des Betreuten missbrauchen.

Maßstab bei der Anwendung von § 138 BGB

Dass im Fall der Nichtigkeit des Testaments der Fiskus als Erbe eintritt (§ 1936 S. 1 BGB), ändert den Maßstab

bei der Beurteilung der Sittenwidrigkeit nach § 138 BGB nicht zugunsten der eingesetzten Erben.

Feststellung der Testierunfähigkeit eines unter Betreuung stehenden Erblassers

OLG Celle 6 U 22/20

Die Sittenwidrigkeit eines Rechtsgeschäfts beurteilt sich nach objektiven Maßstäben und bleibt unabhängig von der Person des Erben bestehen.

Entscheidend ist, dass der Erblasser in unzulässiger Weise beeinflusst wurde und dies zu einer Verfügung zugunsten der Betreuer führte.

Im vorliegenden Fall des OLG Celle wurde die Berufung der Beklagten gegen das Teilurteil des Landgerichts Hannover zurückgewiesen.

Das Testament, das der Erblasser am 4. Mai 2005 errichtete, wurde für unwirksam erklärt, weil der Erblasser

zu diesem Zeitpunkt testierunfähig war und das Testament sittenwidrig zustande gekommen ist.

Der Erblasser, geboren 1929, verstarb 2012.

Aufgrund eines Hirninfarkts und weiterer gesundheitlicher Probleme wurde ihm eine Berufsbetreuerin zur Seite gestellt, die ihn seit 2005 betreute.

Im Mai 2005 errichtete der Erblasser in Anwesenheit seiner Betreuerin ein notarielles Testament, das diese und einen weiteren Betreuer begünstigte.

Gutachten und Zeugenaussagen bestätigten, dass der Erblasser zu diesem Zeitpunkt aufgrund seiner schweren Erkrankung

und der damit verbundenen geistigen Beeinträchtigungen nicht in der Lage war, die Bedeutung seiner Testamentsverfügungen zu erfassen.

Feststellung der Testierunfähigkeit und Sittenwidrigkeit im konkreten Fall –

OLG Celle 6 U 22/20

Darüber hinaus wurde festgestellt, dass die Betreuerin ihre Position ausnutzte, um den Erblasser zur Errichtung des Testaments zu bewegen.

Das Gericht beurteilte das Verhalten der Betreuerin als sittenwidrig, da sie ihre Vertrauensstellung missbrauchte,

um sich selbst und einen Kollegen als Erben einsetzen zu lassen.

Die Revision wurde nicht zugelassen, und die Kosten des Berufungsverfahrens wurden den Beklagten auferlegt.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wurde auf bis zu 290.000 Euro festgesetzt.

Schlagworte

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Die auf dieser Homepage wiedergegebenen Gerichtsentscheidungen bilden einen kleinen Ausschnitt der Rechtsentwicklung über mehrere Jahrzehnte ab. Nicht jedes Urteil muss daher zwangsläufig die aktuelle Rechtslage wiedergeben.

Einige Entscheidungen stellen Mindermeinungen dar oder sind später im Instanzenweg abgeändert oder durch neue obergerichtliche Entscheidungen oder Gesetzesänderungen überholt worden.

Das Recht entwickelt sich ständig weiter. Stetige Aktualität kann daher nicht gewährleistet werden.

Die schlichte Wiedergabe dieser Entscheidungen vermag daher eine fundierte juristische Beratung keinesfalls zu ersetzen.

Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.

Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.

Es soll auch nicht der falsche Anschein erweckt werden, als seien die veröffentlichten Urteile von der Kanzlei Krau erzielt worden. Das ist in aller Regel nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um einen allgemeinen Auszug aus dem deutschen Rechtsleben zur Information der Rechtssuchenden.

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