Differenzierung zwischen beschränkt und unbeschränkt Steuerpflichtigen bei der Erbschaftsteuer – Eine Frage der Gleichbehandlung im Europäischen Gemeinschaftsrecht
Das Finanzgericht München hatte in seinem Urteil vom 05.11.2003 über die Klage einer österreichischen Staatsbürgerin zu entscheiden, die in Deutschland Erbschaftsteuer zahlen sollte.
Der Fall wirft die Frage auf, ob die deutsche Erbschaftsteuergesetzgebung mit dem Europäischen Gemeinschaftsrecht vereinbar ist,
insbesondere im Hinblick auf die unterschiedliche Behandlung von beschränkt und unbeschränkt Steuerpflichtigen.
Sachverhalt:
Die Erblasserin und ihre Tochter, die Klägerin, waren beide österreichische Staatsbürgerinnen mit Wohnsitz in Österreich.
Die Erblasserin vererbte ihrer Tochter einen Anteil an einem in Deutschland gelegenen Grundstück.
Das Finanzamt setzte die Erbschaftsteuer fest und gewährte dabei lediglich den niedrigeren Freibetrag für beschränkt Steuerpflichtige.
Die Klägerin argumentierte, dass diese Regelung gegen das Europäische Gemeinschaftsrecht verstoße, da sie eine Diskriminierung aufgrund der Staatsangehörigkeit und des Wohnsitzes darstelle.
Rechtliche Würdigung:
Das Finanzgericht München wies die Klage ab und stellte fest, dass kein Verstoß gegen das Europäische Gemeinschaftsrecht vorliegt.
1. Keine Diskriminierung aufgrund der Staatsangehörigkeit:
Zunächst stellte das Gericht klar, dass die Differenzierung zwischen beschränkt und unbeschränkt Steuerpflichtigen
in § 2 Abs. 1 Nr. 1 a und Nr. 3 ErbStG nicht an die Staatsangehörigkeit, sondern an den Wohnsitz anknüpft.
Da die Klägerin keinen Wohnsitz in Deutschland hatte, wurde sie als beschränkt steuerpflichtig eingestuft.
Dies stellt keine Diskriminierung aufgrund der Staatsangehörigkeit dar.
2. Indirekte Diskriminierung aufgrund des Wohnsitzes:
Das Gericht prüfte jedoch, ob die Ungleichbehandlung bei der Gewährung des Steuerfreibetrags eine indirekte Diskriminierung aufgrund des Wohnsitzes darstellen könnte.
Eine solche Diskriminierung läge vor, wenn unterschiedliche Vorschriften auf gleichartige Situationen angewendet würden,
also für gleichartige Erwerbe unterschiedliche Freibeträge gelten würden.
Im vorliegenden Fall sah das Gericht jedoch keine gleichartige Situation.
Der unbeschränkt Steuerpflichtige, dem der höhere Freibetrag zusteht, unterliegt mit seinem gesamten Weltvermögen der deutschen Erbschaftsteuer.
Bei beschränkt Steuerpflichtigen wird hingegen nach dem mit Österreich abgeschlossenen Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) nur das in Deutschland belegene Vermögen besteuert.
Diese Differenzierung rechtfertigt die unterschiedliche Gestaltung der Freibetragsregelung.
3. Ausnahmefall: Nahezu gesamtes Vermögen im Inland
Eine mittelbare Diskriminierung im Ausland wohnender EG-Bürger könnte nach Ansicht des Gerichts nur dann vorliegen, wenn der gesamte oder nahezu der gesamte Erwerb
(ab 90 % des gesamten Vermögens) aus in Deutschland gelegenem Vermögen bestehen würde.
In diesem Fall wäre die unterschiedliche Behandlung nicht mehr gerechtfertigt.
Im Streitfall war das in Deutschland gelegene Vermögen jedoch weit niedriger.
4. Keine Verletzung der Niederlassungsfreiheit:
Das Gericht stellte außerdem fest, dass kein Verstoß gegen die Niederlassungsfreiheit (Art. 43 EGV) vorliegt,
da diese nur auf eine wirtschaftliche Betätigung abstellt, unter die die Erbeinsetzung nicht fällt.
5. Keine Verletzung des freien Kapitalverkehrs:
Auch eine Verletzung des freien Kapitalverkehrs (Art. 56 f EGV) sah das Gericht nicht, da im vorliegenden Fall nicht ersichtlich war, inwieweit dieser berührt sein könnte.
Fazit:
Das Urteil des Finanzgerichts München verdeutlicht die komplexe Rechtslage im Bereich der Erbschaftsteuer bei grenzüberschreitenden Sachverhalten.
Die Differenzierung zwischen beschränkt und unbeschränkt Steuerpflichtigen ist grundsätzlich zulässig,
solange sie nicht zu einer Diskriminierung aufgrund der Staatsangehörigkeit oder des Wohnsitzes führt.
Eine indirekte Diskriminierung kann jedoch vorliegen, wenn der Großteil des Erwerbs aus in Deutschland gelegenem Vermögen besteht.
In diesem Fall müsste der höhere Freibetrag gewährt werden, um eine Gleichbehandlung mit inländischen Steuerpflichtigen zu gewährleisten.
Revision:
Das Finanzgericht München ließ die Revision zum Bundesfinanzhof zu, da die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat.
Dies zeigt, dass die Frage der Vereinbarkeit der deutschen Erbschaftsteuergesetzgebung mit dem Europäischen Gemeinschaftsrecht weiterhin diskussionswürdig ist.
Hinweis:
Dieses Urteil ist ein Beispiel für die Anwendung des Europäischen Gemeinschaftsrechts im Bereich der Erbschaftsteuer.
Es ist jedoch wichtig zu beachten, dass die Rechtslage im Einzelfall von den konkreten Umständen abhängt.
Bei grenzüberschreitenden Erbfällen ist daher immer eine individuelle Beratung durch einen Steuerberater oder das Finanzamt ratsam.
FG München 4 K 4790/01
Die auf dieser Homepage wiedergegebenen Gerichtsentscheidungen bilden einen kleinen Ausschnitt der Rechtsentwicklung über mehrere Jahrzehnte ab. Nicht jedes Urteil muss daher zwangsläufig die aktuelle Rechtslage wiedergeben.
Einige Entscheidungen stellen Mindermeinungen dar oder sind später im Instanzenweg abgeändert oder durch neue obergerichtliche Entscheidungen oder Gesetzesänderungen überholt worden.
Das Recht entwickelt sich ständig weiter. Stetige Aktualität kann daher nicht gewährleistet werden.
Die schlichte Wiedergabe dieser Entscheidungen vermag daher eine fundierte juristische Beratung keinesfalls zu ersetzen.
Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.
Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.
Es soll auch nicht der falsche Anschein erweckt werden, als seien die veröffentlichten Urteile von der Kanzlei Krau erzielt worden. Das ist in aller Regel nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um einen allgemeinen Auszug aus dem deutschen Rechtsleben zur Information der Rechtssuchenden.
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Durch die schlichte Anfrage kommt noch kein kostenpflichtiges Mandat zustande.