Gemeinschaftliches Testament Auslegung Pflichtteilsstrafklausel – OLG Schleswig 3 Wx 59/12

Dezember 1, 2020

Gemeinschaftliches Testament Auslegung Pflichtteilsstrafklausel – OLG Schleswig 3 Wx 59/12

RA und Notar Krau

Das Oberlandesgericht (OLG) Schleswig entschied im Fall 3 Wx 59/12 über die Auslegung eines gemeinschaftlichen Testaments,

das von einem Ehepaar verfasst wurde, welches jeweils ein Kind aus vorherigen Ehen hatte.

In diesem Testament waren die beiden Kinder als Schlusserben zu gleichen Teilen eingesetzt.

Das Testament enthielt eine sogenannte Pflichtteilsstrafklausel, die vorsah, dass ein Kind, das nach dem Tod des zuerst versterbenden Elternteils seinen Pflichtteil fordert,

nach dem Tod des überlebenden Ehegatten nur den Pflichtteil, nicht aber das volle Erbe erhalten sollte.

Der Sohn des zuerst verstorbenen Ehegatten hatte nach dessen Tod seinen Pflichtteil gefordert und sich mit der Erbin, seiner Stiefmutter, über die Auszahlung geeinigt.

Nach dem Tod der Stiefmutter entstand Streit darüber, ob er aufgrund der Pflichtteilsstrafklausel noch Anspruch auf die Hälfte des Nachlasses hatte oder nicht.

Gemeinschaftliches Testament Auslegung Pflichtteilsstrafklausel – OLG Schleswig 3 Wx 59/12

Das OLG Schleswig entschied, dass die Pflichtteilsstrafklausel wirksam sei und dass der Sohn aufgrund der Klausel seine Stellung als Schlusserbe verloren habe.

Die Auslegung der Klausel ergebe, dass das Kind, das den Pflichtteil fordert, „als Strafe“ seine Erbenstellung verliert

und nur einen Betrag in Höhe eines fiktiven Pflichtteils als Vermächtnis erhalten solle, was einem Pflichtteil entspricht, als ob das Kind ein leibliches Kind des überlebenden Ehegatten wäre.

Somit war der Sohn des zuerst Verstorbenen letztlich nur Anspruchsberechtigter auf ein Vermächtnis, nicht jedoch auf eine hälftige Erbschaft.

Diese Entscheidung stützte sich auf den Willen der Testierenden bei Errichtung des Testaments, den überlebenden Ehegatten zu schützen und Ungleichbehandlungen zwischen den Erben zu vermeiden.

Der Einwand des Sohnes, dass die Klausel gegenstandslos sei, weil er als Stiefkind nach dem Tod des überlebenden Ehegatten

ohnehin keinen Pflichtteilsanspruch habe, wurde zurückgewiesen, da die Klausel durch Auslegung eine fiktive Pflichtteilssituation schaffe.

Das Gericht wies die Beschwerde des Sohnes ab und bestätigte die Alleinerbschaft der Tochter der Erblasserin.

Gemeinschaftliches Testament Auslegung Pflichtteilsstrafklausel – OLG Schleswig 3 Wx 59/12

Allgemein:

Pflichtteilsstrafklauseln sind Klauseln in Testamenten oder Erbverträgen, die Pflichtteilsberechtigte davon abhalten sollen, ihren Pflichtteil einzufordern.

Sie werden oft im Zusammenhang mit einem Berliner Testament verwendet, um den überlebenden Ehegatten zu schützen und das Familienvermögen zusammenzuhalten.

Funktionsweise:

  • Die Klausel bestraft den Pflichtteilsberechtigten, wenn er seinen Pflichtteil geltend macht, z. B. durch Enterbung oder Reduzierung des Erbes.
  • Ziel ist es, die Geltendmachung des Pflichtteils unattraktiv zu machen.

Beispiel:

Ein Ehepaar setzt sich im Berliner Testament gegenseitig als Erben ein, die Kinder sind Schlusserben.

Eine Pflichtteilsstrafklausel könnte bestimmen, dass ein Kind, das nach dem Tod des ersten Elternteils den Pflichtteil einfordert, auch beim Tod des zweiten Elternteils nur den Pflichtteil erhält.

Gemeinschaftliches Testament Auslegung Pflichtteilsstrafklausel – OLG Schleswig 3 Wx 59/12

Rechtliche Aspekte:

  • Pflichtteilsstrafklauseln sind zulässig, müssen aber verhältnismäßig sein und dürfen den Pflichtteilsberechtigten nicht unangemessen benachteiligen.
  • Im Streitfall entscheidet ein Gericht über die Gültigkeit der Klausel.

Vor- und Nachteile:

Vorteile:

  • Schutz des überlebenden Ehegatten
  • Erhaltung des Familienvermögens

Nachteile:

  • Eingriff in die Rechte der Pflichtteilsberechtigten
  • Konfliktpotential innerhalb der Familie

Wichtig:

  • Pflichtteilsstrafklauseln sollten sorgfältig formuliert und von einem Anwalt geprüft werden.
  • Es gibt verschiedene Arten von Pflichtteilsstrafklauseln, die individuell angepasst werden können.

Zusätzliche Informationen:

Gemeinschaftliches Testament Auslegung Pflichtteilsstrafklausel – OLG Schleswig 3 Wx 59/12

  • Berliner Testament: Ein Testament, in dem sich Ehepartner gegenseitig als Erben einsetzen und die Kinder erst nach dem Tod beider Elternteile erben.
  • Pflichtteil: Der gesetzlich festgelegte Anteil am Erbe, der bestimmten Personen (z. B. Kindern, Ehegatten) zusteht und nicht entzogen werden kann.
  • Pflichtteilsberechtigter: Eine Person, die einen Anspruch auf den Pflichtteil hat.

Fazit:

Pflichtteilsstrafklauseln sind ein komplexes Thema im Erbrecht.

Sie können sinnvoll sein, um den überlebenden Ehegatten zu schützen, bergen aber auch Konfliktpotential.

Eine sorgfältige Abwägung und rechtliche Beratung sind unerlässlich.

Ihr Notar berät Sie

Schlagworte

Warnhinweis:

Die auf dieser Homepage wiedergegebenen Gerichtsentscheidungen bilden einen kleinen Ausschnitt der Rechtsentwicklung über mehrere Jahrzehnte ab. Nicht jedes Urteil muss daher zwangsläufig die aktuelle Rechtslage wiedergeben.

Einige Entscheidungen stellen Mindermeinungen dar oder sind später im Instanzenweg abgeändert oder durch neue obergerichtliche Entscheidungen oder Gesetzesänderungen überholt worden.

Das Recht entwickelt sich ständig weiter. Stetige Aktualität kann daher nicht gewährleistet werden.

Die schlichte Wiedergabe dieser Entscheidungen vermag daher eine fundierte juristische Beratung keinesfalls zu ersetzen.

Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.

Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.

Es soll auch nicht der falsche Anschein erweckt werden, als seien die veröffentlichten Urteile von der Kanzlei Krau erzielt worden. Das ist in aller Regel nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um einen allgemeinen Auszug aus dem deutschen Rechtsleben zur Information der Rechtssuchenden.

Benötigen Sie eine Beratung oder haben Sie Fragen?

Rufen Sie uns an oder schreiben Sie uns eine E-Mail, damit wir die grundsätzlichen Fragen klären können.

Durch die schlichte Anfrage kommt noch kein kostenpflichtiges Mandat zustande.

Warnhinweis:

Die auf dieser Homepage wiedergegebenen Gerichtsentscheidungen bilden einen kleinen Ausschnitt der Rechtsentwicklung über mehrere Jahrzehnte ab. Nicht jedes Urteil muss daher zwangsläufig die aktuelle Rechtslage wiedergeben.

Einige Entscheidungen stellen Mindermeinungen dar oder sind später im Instanzenweg abgeändert oder durch neue obergerichtliche Entscheidungen oder Gesetzesänderungen überholt worden.

Das Recht entwickelt sich ständig weiter. Stetige Aktualität kann daher nicht gewährleistet werden.

Die schlichte Wiedergabe dieser Entscheidungen vermag daher eine fundierte juristische Beratung keinesfalls zu ersetzen.

Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.

Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.

Es soll auch nicht der falsche Anschein erweckt werden, als seien die veröffentlichten Urteile von der Kanzlei Krau erzielt worden. Das ist in aller Regel nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um einen allgemeinen Auszug aus dem deutschen Rechtsleben zur Information der Rechtssuchenden.

Benötigen Sie eine Beratung oder haben Sie Fragen?

Rufen Sie uns an oder schreiben Sie uns eine E-Mail, damit wir die grundsätzlichen Fragen klären können.

Durch die schlichte Anfrage kommt noch kein kostenpflichtiges Mandat zustande.

Letzte Beiträge

Übertragung der Anwartschaft des Nacherben

Übertragung der Anwartschaft des Nacherben

März 19, 2025
Übertragung der Anwartschaft des NacherbenRA und Notar KrauDer Beschluss des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 24. März 2022 (I-3 Wx 130/2…
Wechselbezüglichkeit testamentarischer Verfügungen

Wechselbezüglichkeit testamentarischer Verfügungen

März 19, 2025
Wechselbezüglichkeit testamentarischer Verfügungen im gemeinschaftlichen Testament kinderloser EhegattenRA und Notar KrauDas Oberlandesger…
Kostentragung bei Bestreiten der Urheberschaft des Erblassers für Testament

Kostentragung bei Bestreiten der Urheberschaft des Erblassers für Testament

März 18, 2025
Kostentragung bei Bestreiten der Urheberschaft des Erblassers für TestamentRA und Notar Krau1. Das Maß des Obsiegens oder Unterli…