BGH II ZR 65/16

Dezember 29, 2019

BGH II ZR 65/16

GmbH – Nichtigkeit eines Beschlusses der Gesellschafterversammlung über die Einziehung eines Geschäftsanteils

RA und Notar Krau

Kernaussage:

Ein Beschluss der Gesellschafterversammlung über die Einziehung eines Geschäftsanteils ist nichtig,

wenn zum Zeitpunkt der Beschlussfassung feststeht, dass das freie Vermögen der Gesellschaft zur Zahlung des Einziehungsentgelts nicht ausreicht.

Dies gilt auch dann, wenn die Gesellschaft über stille Reserven verfügt, deren Auflösung die Zahlung ermöglichen würde.

Hintergrund:

Das Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 26. Juni 2018 befasst sich mit der Frage der Nichtigkeit

eines Gesellschafterbeschlusses über die Einziehung eines Geschäftsanteils in einer GmbH.

BGH II ZR 65/16

Im konkreten Fall hatte die Gesellschafterversammlung beschlossen, den Geschäftsanteil der Klägerin wegen Verletzung von Gesellschafterpflichten einzuziehen.

Streitig war, ob dieser Beschluss wirksam war, obwohl das freie Vermögen der Gesellschaft zum Zeitpunkt der Beschlussfassung nicht ausreichte, um die Abfindung zu zahlen.

Sachverhalt:

  • Die Klägerin war Gesellschafterin einer GmbH.
  • Die Gesellschafterversammlung beschloss im Jahr 2000 die Einziehung ihres Geschäftsanteils wegen Verletzung von Gesellschafterpflichten.
  • Die Klägerin kündigte daraufhin die Gesellschaft.
  • Die Gesellschafterversammlung beschloss die Fortsetzung der Gesellschaft und zahlte der Klägerin eine Abfindung.
  • Im Jahr 2006 beschloss die Gesellschafterversammlung erneut die Einziehung des Geschäftsanteils und die Ermittlung des noch zu zahlenden Abfindungsbetrags.
  • Die Klägerin klagte auf Zahlung einer höheren Abfindung.

Rechtliche Beurteilung:

BGH II ZR 65/16

Der BGH entschied, dass der Einziehungsbeschluss vom 26. Juni 2000 nichtig war, da das freie Vermögen der Gesellschaft zur Zahlung der Abfindung nicht ausreichte.

Der BGH bestätigte damit seine ständige Rechtsprechung, wonach ein Einziehungsbeschluss nichtig ist,

wenn die Abfindung nicht aus dem freien Vermögen der Gesellschaft gezahlt werden kann, ohne das Stammkapital zu beeinträchtigen.

Begründung:

  • Kapitalerhaltung: Die Regelung dient dem Schutz der Gesellschaftsgläubiger. Auszahlungen an Gesellschafter dürfen nicht zur Entstehung oder Vertiefung einer Unterbilanz führen.
  • Bilanzielle Betrachtungsweise: Für das Auszahlungsverbot gilt eine bilanzielle Betrachtungsweise. Stille Reserven werden nicht berücksichtigt.
  • Keine Überspielung des Kapitalerhaltungsgebots: Das Kapitalerhaltungsgebot kann nicht dadurch umgangen werden, dass die Gesellschaft über stille Reserven verfügt.
  • Strikte Trennung: Zwischen den Zahlungspflichten der Gesellschaft gegenüber einem ausgeschiedenen Gesellschafter und den Pflichten der Mitgesellschafter ist zu unterscheiden.

BGH II ZR 65/16

Folgen für die Praxis:

  • Nichtigkeit des Einziehungsbeschlusses: Ist der Einziehungsbeschluss nichtig, kann der betroffene Gesellschafter seinen Anteil behalten.
  • Haftung der Mitgesellschafter: In bestimmten Fällen können die Mitgesellschafter persönlich haften, wenn sie die Auflösung stiller Reserven treuwidrig unterlassen.
  • Treuepflicht: Die Mitgesellschafter können aus Treuepflicht verpflichtet sein, Maßnahmen zu ergreifen, die ein Ausscheiden des Gesellschafters ermöglichen, z.B. die Auflösung stiller Reserven.

Fazit:

Das Urteil des BGH verdeutlicht die Bedeutung des Kapitalerhaltungsgrundsatzes im GmbH-Recht.

Ein Einziehungsbeschluss ist nur dann wirksam, wenn die Abfindung aus dem freien Vermögen der Gesellschaft gezahlt werden kann, ohne das Stammkapital zu beeinträchtigen.

Stille Reserven dürfen dabei nicht berücksichtigt werden.

Zusätzliche Hinweise:

BGH II ZR 65/16

  • Das Urteil befasst sich auch mit der Frage, ob die Klägerin durch ihre Kündigung aus der Gesellschaft ausgeschieden ist. Der BGH entschied, dass dies nicht der Fall war, da der Gesellschaftsvertrag eine zusätzliche Beschlussfassung über die Einziehung oder Abtretung des Geschäftsanteils vorsah.
  • Der BGH hat die Sache an das Berufungsgericht zurückverwiesen, damit dieses prüft, ob ein späterer Einziehungsbeschluss aus dem Jahr 2006 wirksam war.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass das BGH-Urteil eine wichtige Klarstellung zur Nichtigkeit von Einziehungsbeschlüssen in der GmbH darstellt

und die Bedeutung des Kapitalerhaltungsgrundsatzes unterstreicht.

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Warnhinweis:

Die auf dieser Homepage wiedergegebenen Gerichtsentscheidungen bilden einen kleinen Ausschnitt der Rechtsentwicklung über mehrere Jahrzehnte ab. Nicht jedes Urteil muss daher zwangsläufig die aktuelle Rechtslage wiedergeben.

Einige Entscheidungen stellen Mindermeinungen dar oder sind später im Instanzenweg abgeändert oder durch neue obergerichtliche Entscheidungen oder Gesetzesänderungen überholt worden.

Das Recht entwickelt sich ständig weiter. Stetige Aktualität kann daher nicht gewährleistet werden.

Die schlichte Wiedergabe dieser Entscheidungen vermag daher eine fundierte juristische Beratung keinesfalls zu ersetzen.

Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.

Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.

Es soll auch nicht der falsche Anschein erweckt werden, als seien die veröffentlichten Urteile von der Kanzlei Krau erzielt worden. Das ist in aller Regel nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um einen allgemeinen Auszug aus dem deutschen Rechtsleben zur Information der Rechtssuchenden.

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