Grundbucheintragung Nachweis Vertretungsmacht durch Vorlage notariellen Gesellschaftsvertrags GbR – KG Berlin 11 W 326/17

August 8, 2021

Grundbucheintragung Nachweis Vertretungsmacht durch Vorlage notariellen Gesellschaftsvertrags GbR – KG Berlin 11 W 326/17

Inhaltsverzeichnis RA und Notar Krau

  1. Einleitung
    • Hintergrund und Ziel der Entscheidung
    • Relevanz des Beschlusses
  2. Verfahrensbeteiligte
    • Übersicht der Beteiligten
    • Rolle des Notars und der Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR)
  3. Sachverhalt
    • Ausgangssituation und Grundbucheintragungsantrag
    • Vorliegende Urkunden und Nachweise
    • Entscheidungen des Amtsgerichts Charlottenburg
  4. Rechtliche Würdigung
    • Zulässigkeit der Beschwerde
    • Notwendigkeit des Nachweises der Vertretungsmacht
    • Anforderungen nach § 29 GBO und Abweichungen vom gesetzlichen Regelfall
  5. Vertretungsmacht und Nachweisproblematik
    • Rechtliche Grundlagen der Vertretungsmacht in der GbR
    • Gesellschaftsvertrag als Nachweisinstrument
    • Anforderungen an die Vorlage des notariellen Gesellschaftsvertrags
    • Unterschiede zur Vollmachtsurkunde
  6. Entscheidungsgründe des Kammergerichts Berlin
    • Unzureichender Nachweis der Vertretungsmacht
    • Bezugnahme auf frühere Entscheidungen und Literaturmeinungen
    • Gründe für die Ablehnung des Gesellschaftsvertrags als Nachweis
  7. Beseitigung des Eintragungshindernisses
    • Möglichkeiten der rückwirkenden Beseitigung
    • Hinweis des Grundbuchamts zur Genehmigung durch die Beteiligte zu 2
  8. Festsetzung des Verfahrenswerts
    • Ermittlung und Festlegung des Verfahrenswerts
    • Rechtsgrundlagen und Erwägungen
  9. Schlussfolgerung
    • Zusammenfassung der Entscheidung
    • Implikationen für zukünftige Grundbucheintragungen und Nachweispflichten

Zum Entscheidungstext:

Ein vor mehreren Jahren in notarieller Form geschlossener Gesellschaftsvertrag einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts ist zum Nachweis einer von dem gesetzlichen Regelfall abweichend vereinbarten Vertretungsmacht im Verfahren vor dem Grundbuchamt nicht geeignet.

vorgehend AG Charlottenburg, 2. Juni 2017, XX

Tenor

Die Beschwerde wird bei einem Wert in Höhe von 5.000,00 EUR zurückgewiesen.

Grundbucheintragung Nachweis Vertretungsmacht durch Vorlage notariellen Gesellschaftsvertrags GbR – KG Berlin 11 W 326/17 – Gründe

1. Die Beschwerde ist zulässig. Beschwerdeführer sind sämtliche Beteiligte, weil der Notar nicht angegeben hat, in wessen Namen das Rechtsmittel erhoben worden ist. In einem solchen Fall gelten als Beschwerdeführer sämtliche Antragsberechtigte im Sinne von § 13 Abs. 1 S. 2 GBO, wenn sich, wie hier, aus den Umständen nichts anderes ergibt (BGH, NJW 2010, 3300, 3302; Demharter, GBO, 30. Aufl., § 15, Rdn. 20).

2. Das Rechtsmittel bleibt in der Sache ohne Erfolg. Die angefochtene Zwischenverfügung ist im Ergebnis zu Recht ergangen, weil dem Vollzug der mit Schriftsatz des Notars vom 26. Mai 2017 gestellten Anträge Hindernisse entgegenstehen, die aber rückwirkend beseitigt werden können, § 18 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 GBO.

a) Im Falle der Auflassung eines Grundstücks darf die Eintragung nur erfolgen, wenn die erforderliche Einigung des Berechtigten und des anderen Teils erklärt ist, § 20 GBO. Die Einigung muss von den Vertragsparteien nicht persönlich abgegeben, sondern kann auch von Vertretern erklärt werden. In diesem Fall ist dem Grundbuchamt die Vertretungsmacht des Vertreters – in der Form des § 29 Abs. 1 S. 1 GBO – nachzuweisen (Senat, Beschluss vom 13. März 2012 – 1 W 542/11 – FGPrax 2012, 145, 146; Beschluss vom 3. November 2011 – 1 W 495/10 – FGPrax 2012, 7).

Hieran mangelt es vorliegend. Die von den Beteiligten bei dem Grundbuchamt eingereichten Urkunden erbringen nicht den Nachweis für eine wirksame Bevollmächtigung der Beteiligten zu 1, auch im Namen der Beteiligten zu 2 die Auflassung des im Beschlusseingang bezeichneten Wohnungs- und Teileigentums zu erklären.

aa) Die von der Beteiligten zu 1 in Anspruch genommene Vollmacht ist ihr zur UR-Nr. 3… … /2… des Notars Dr. J… B… in I… von der damals noch in Form einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts verfassten Beteiligten zu 2 erteilt worden. Für diese handelten lediglich zwei ihrer vier Gesellschafter, die sich dabei auf eine vom gesetzlichen Regelfall der Gesamtvertretung, vgl. 709 Abs. 1, 714 BGB, abweichende gesellschaftsvertragliche Regelung beriefen.

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Tatsächlich war der UR-Nr. 3… /2… die auszugsweise Ausfertigung der UR-Nr. 3… /2… des Notars Dr. J… B… in I… beigefügt, mit der die vier Gesellschafter eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts gegründet hatten und die in § 6 Regelungen zur Geschäftsführung und Vertretung durch jeweils zwei Geschäftsführer gemeinsam enthält. Damit ist aber in grundbuchtauglicher Form die Vertretungsberechtigung der beiden zur UR-Nr. 3… /2… handelnden Gesellschafter nicht nachgewiesen.

bb) Dem steht nicht entgegen, dass im Anwendungsbereich des § 20 GBO nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (NJW 2011, 1958), der sich der Senat zwischenzeitlich angeschlossen hat (vgl. Beschluss vom 14. Juli 2011 – 1 W 193/11 – MDR 2011, 1368), bei der Eintragung von Rechten für eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts gegenüber § 29 GBO Nachweiserleichterungen bestehen. Danach genügt es, wenn die Gesellschaft und ihre Gesellschafter in der notariellen Auflassungsverhandlung benannt sind und die für die Gesellschaft Handelnden erklären, dass sie deren alleinige Gesellschafter sind (BGH, a.a.O., 1959f.).

Dies setzt jedoch den gesetzlichen Regelfall der aus der gemeinschaftlichen Geschäftsführung der Gesellschafter, § 709 Abs. 1 BGB, folgenden Gesamtvertretung der Gesellschaft, § 714 BGB, voraus. Berufen sich die Gesellschafter auf eine hiervon abweichende Vertretungsbefugnis, ist diese in der Form des § 29 Abs. 1 S. 1 GBO nachzuweisen (Senat, Beschluss vom 8. März 2011 – 1 W 99-100/10 – juris; OLG München, FGPrax 2011, 229, 230; NJW-RR 2010, 888, 890; OLG Celle, MDR 2013, 770, 771; Demharter, a.a.O.; § 47, Rdn. 30.1; Kral, in: Hügel, GBO, 3. Aufl., Gesellschaftsrecht, Rdn. 30; Böttcher, in: Meikel, GBO, 11. Aufl., Einl E, Rdn. 243).

cc) Der Nachweis der Vertretungsbefugnis der zur UR-Nr. 3… /2… handelnden Gesellschafter der Erwerberin kann durch den auszugsweise vorliegenden notariellen Gesellschaftsvertrag vom 9. Mai 2011 nicht erbracht werden.

(1) Allerdings wird dies in der Literatur zum Teil bejaht. Durch die Vorlage eines der Form des § 29 Abs. 1 GBO entsprechenden Gesellschaftsvertrags werde analog § 172 BGB der Rechtsschein der Vertretungsmacht der für die Gesellschaft Handelnden begründet, was zum Nachweis gegenüber dem Grundbuchamt ausreiche (Böttcher, a.a.O.; Lautner, DNotZ 2009, 650, 661; Keller, in: Keller/Munzig, Grundbuchrecht, 7. Aufl., § 47 GBO, Rdn. 26; Knothe, in: Bauer/von Oefele, GBO, 3. Aufl., § 29, Rdn. 39i; a.A. Kral, a.a.O.; Schöner/Stöber, Grundbuchrecht, 15. Aufl., Rdn. 4265; Hertel, DNotZ 2009, 121, 129; Demharter, a.a.O., § 47, Rdn. 30.1).

(2) Dem vermag sich der Senat hingegen nicht anzuschließen.

Durch § 172 BGB wird das Vertrauen des Geschäftsgegners in den Fortbestand einer durch Rechtsgeschäft erteilten Vertretungsmacht, vgl. § 166 Abs. 2 S. 1 BGB, geschützt, wenn der Vertreter eine ihm ausgehändigte Vollmacht vorlegen kann (Palandt/Ellenberger, BGB, 71. Aufl., § 172, Rdn. 1). Hingegen handelt es sich bei der Vertretung einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts um eine gesetzliche Vertretung, die sich aus der gesellschaftsrechtlich vereinbarten Geschäftsführung ableitet, vgl. §§ 709, 714 BGB, und nicht auf einer Willensentscheidung des Vertretenen beruht.

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Ein förmlich geschlossener Gesellschaftsvertrag ist auch keine der Vollmacht vergleichbare Urkunde. Der durch die Vollmachtsurkunde begründete Rechtsschein beruht auf der Entscheidung des Vollmachtgebers, sie dem Bevollmächtigten auszuhändigen.

Demgemäß hat sie der Bevollmächtigte dem Vollmachtgeber nach Erlöschen der Vollmacht zurückzugeben, ohne dass ihm insoweit ein Zurückbehaltungsrecht zusteht, § 175 BGB. Ggf. kann der Vollmachtgeber die Vollmachtsurkunde durch eine öffentliche Bekanntmachung für kraftlos erklären, § 176 Abs. 1 BGB.

Demgegenüber können die Gesellschafter einer wie hier in notarieller Form gegründeten Gesellschaft bürgerlichen Rechts regelmäßig Ausfertigungen sowie einfache und beglaubigte Abschriften des Gesellschaftsvertrags, vgl. § 51 BeurkG. Selbst bei Änderungen des Gesellschaftsvertrags müssen diese Urkunden schon deshalb nicht zurückgegeben werden, weil andere Regelungen nach wie Geltung haben können.

Da die Gesellschafter darüber hinaus nicht gehindert sind, einen förmlich geschlossenen Gesellschaftsvertrag jederzeit formlos zu ändern, kann der Nachweis der Vertretungsmacht der für die Gesellschaft handelnden Gesellschafter mit der Urschrift eines öffentlich beglaubigten oder der Ausfertigung eines notariell beurkundeten Gesellschaftsvertrags gegenüber dem Grundbuchamt nicht nachgewiesen werden (vgl. OLG München, a.a.O.)

(3) Ob hiervon ausnahmsweise bei kürzlich abgeschlossenen Gesellschaftsverträgen abgewichen werden kann (vgl. DNotI-Report 2012, 77), muss nicht entschieden werden, da vorliegend der Gesellschaftsvertrag mehrere Jahre vor der notariellen Verhandlung zur UR-Nr. 374/2015 geschlossen worden war.

Ebenfalls kommt es nicht darauf an, dass die Gesellschafter grundsätzlich nicht gehindert sind, sich ihrerseits bei der Vertretung der Gesellschaft durch von ihnen Bevollmächtigte vertreten zu lassen (BGH, MittBayNot 2011, 494, 495; Senat, Beschluss vom 17. November 2016 – 1 W 562/16 – MittBayNot 2017, 368). Entsprechende Vollmachten liegen nicht vor und solche sind insbesondere auch nicht in dem eingereichten Gesellschaftsvertrag enthalten.

b) Das bestehende Eintragungshindernis kann rückwirkend durch Genehmigung der Beteiligten zu 2 beseitigt werden, vgl. §§ 185 Abs. 2, 184 BGB. Hierauf hat das Grundbuch zutreffend in der angefochtenen Zwischenverfügung hingewiesen und damit das zur Hebung des Hindernisses geeignete Beseitigungsmittel benannt, vgl. § 18 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 GBO.

3. Die Festsetzung des Verfahrenswerts folgt aus §§ 61, 36 Abs. 3 GNotKG. Anlass, die Rechtsbeschwerde zuzulassen, § 78 Abs. 2 S. 1 GBO, besteht nicht.

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Die auf dieser Homepage wiedergegebenen Gerichtsentscheidungen bilden einen kleinen Ausschnitt der Rechtsentwicklung über mehrere Jahrzehnte ab. Nicht jedes Urteil muss daher zwangsläufig die aktuelle Rechtslage wiedergeben.

Einige Entscheidungen stellen Mindermeinungen dar oder sind später im Instanzenweg abgeändert oder durch neue obergerichtliche Entscheidungen oder Gesetzesänderungen überholt worden.

Das Recht entwickelt sich ständig weiter. Stetige Aktualität kann daher nicht gewährleistet werden.

Die schlichte Wiedergabe dieser Entscheidungen vermag daher eine fundierte juristische Beratung keinesfalls zu ersetzen.

Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.

Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.

Es soll auch nicht der falsche Anschein erweckt werden, als seien die veröffentlichten Urteile von der Kanzlei Krau erzielt worden. Das ist in aller Regel nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um einen allgemeinen Auszug aus dem deutschen Rechtsleben zur Information der Rechtssuchenden.

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