Herausgabe und Auskunft – BGH Urteil vom 22. März 1972 – IV ZR 134/70

Juni 9, 2020

Herausgabe und Auskunft – BGH Urteil vom 22. März 1972 – IV ZR 134/70

Zusammenfassung RA und Notar Krau

Das Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 22. März 1972 (Az. IV ZR 134/70) behandelt die Erbschaftsstreitigkeiten zwischen dem Kläger, dem Sohn des Verstorbenen Hermann W., und der Beklagten, der Schwester des Verstorbenen.

Der Tenor des Urteils besagt, dass die Revision des Klägers zurückgewiesen und er die Kosten des Revisionsverfahrens zu tragen hat.

Tatbestand:


Sachverhalt:


Hermann W. hinterließ zwei handschriftliche Testamente.

Diese verfügten, dass seine Schwester Maria Magdalene van der M. bestimmte Vermögenswerte und Nutzungsrechte erhalten solle, falls sie ihn überlebt.

Das Testament vom 10. Mai 1962 wies der Schwester das Sparkonto, das laufende Konto, alle zukünftigen Renten- und Ruhegehaltszahlungen sowie das Haus und Grundstück zur alleinigen Nutzung und Verwertung zu.

Der Sohn erhielt laut Testamentseintrag als gesetzlicher Erbe nur seine Praxiseinrichtung im Wert von 20.000 DM und keinen Anspruch auf das Hausgrundstück und dessen Einrichtung.

Herausgabe und Auskunft – BGH Urteil vom 22. März 1972 – IV ZR 134/70

Ein Nachtrag zum Testament vom 1. Juli 1965 bestätigte, dass die Schwester seit dem 1. November 1957 den Haushalt geführt habe und ihr daher das alleinige Verfügungsrecht über das Grundstück und die anderen genannten Vermögenswerte zustünde.

Zum Todeszeitpunkt gehörten zum Nachlass des Erblassers außerdem ein neu angeschaffter Ford Taunus, ein neues Sparkonto mit 13.635,71 DM und ein Wertpapierdepot.

Forderungen des Klägers:


Der Kläger forderte die Herausgabe des neuen Sparkassenbuches, die Zahlung der aus dem Grundstücks- und Autoverkauf erzielten 15.000 DM sowie Auskunft über weitere Nachlassgegenstände.

Er argumentierte, dass die Testamente nur Nutzungsrechte und ein Vermächtnis zugunsten der Beklagten eingeräumt hätten, und er als Alleinerbe den restlichen Nachlass erben sollte.

Verteidigung der Beklagten:


Die Beklagte behauptete, dass die Testamente sie zur Alleinerbin machten und nicht nur Nutzungsrechte oder Vermächtnisse begründeten.

Sie argumentierte, dass der Erblasser bestimmte Vermögenswerte nicht erwähnt habe, weil sie von geringem Wert oder aus anderen nachvollziehbaren Gründen nicht im Testament berücksichtigt wurden.

Entscheidungsgründe:


Testamentauslegung:


Das Berufungsgericht stellte fest, dass der Erblasser die Beklagte zur Alleinerbin bestimmt hatte.

Herausgabe und Auskunft – BGH Urteil vom 22. März 1972 – IV ZR 134/70

Dies wurde durch die Auslegung der Testamente und des Nachtrages ermittelt, wobei die Auslegung von Willenserklärungen und Testamenten grundsätzlich Sache des Tatrichters sei und nur beschränkt nachprüfbar sei.

Die Auslegung müsse nach den Denkgesetzen und der Erfahrung möglich und mit den gesetzlichen Auslegungsregeln im Einklang stehen.

Erbeinsetzung der Beklagten:


Das Berufungsgericht interpretierte die Erklärungen des Erblassers nicht als Vermächtnisanordnung, sondern als Erbeinsetzung der Beklagten.

Die testamentarische Zuwendung bestimmter Gegenstände werde zwar nach § 2087 Abs. 2 BGB im Zweifel als Vermächtnis angesehen, aber diese Auslegungsregel greife nicht, wenn durch Auslegung die Zweifel überwunden werden könnten.

Umfang der Erbeinsetzung:


Das Gericht argumentierte, dass der Erblasser den Kläger von der Erbschaft ausschließen wollte, da dieser bereits durch die Praxiseinrichtung im Wert von 20.000 DM bedacht worden war.

Die Beklagte erhielt den Hauptteil des Nachlasses, einschließlich des Hausgrundstücks, was einen Großteil des Vermögens des Erblassers ausmachte.

Herausgabe und Auskunft – BGH Urteil vom 22. März 1972 – IV ZR 134/70

Nichterwähnte Vermögenswerte:


Die Nichterwähnung bestimmter Vermögenswerte wie dem Kraftwagen und dem 1/4-Erbanteil am Nachlass seiner Frau ließ das Gericht nicht als Teilregelung des Nachlasses interpretieren.

Der Wert dieser Vermögenswerte war gering im Vergleich zum Gesamtwert des Nachlasses.

Spätere Vermögenszuflüsse:


Dass dem Erblasser nach der Testamentserrichtung noch weiteres Vermögen zufloss, änderte nichts an der Auslegung des Testaments.

Maßgeblich sei der Wille des Erblassers zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung.

Folgerungen für den Kläger:


Da der Kläger nicht als Erbe, sondern als Pflichtteilsberechtigter behandelt wurde, blieb sein Herausgabeanspruch unbegründet.

Ein solcher Anspruch wäre nur gerechtfertigt, wenn er Erbe gewesen wäre.

Revision:


Die Revision des Klägers wurde als unbegründet zurückgewiesen, da das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei zu dem Ergebnis gekommen war, dass die Beklagte Alleinerbin ist und der Kläger von der Erbschaft ausgeschlossen wurde.

Zusammenfassung:


Der BGH bestätigte, dass die Schwester des Erblassers gemäß den handschriftlichen Testamenten die alleinige Erbin des Nachlasses wurde und der Sohn, der Kläger, von der Erbschaft ausgeschlossen wurde.

Der Kläger erhielt bereits eine Praxiseinrichtung im Wert von 20.000 DM als Erbteil und hatte keinen weiteren Anspruch auf das restliche Vermögen des Verstorbenen.

Die detaillierte Auslegung des Testaments durch die Vorinstanzen wurde bestätigt und als rechtskonform anerkannt.

Die Revision des Klägers wurde daher zurückgewiesen.

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Die schlichte Wiedergabe dieser Entscheidungen vermag daher eine fundierte juristische Beratung keinesfalls zu ersetzen.

Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.

Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.

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