Jastrowsche Klausel Vermächtnisschulden als Nachlassverbindlichkeiten abzugsfähig – FG Hamburg 3 K 191/18

April 22, 2021

Jastrowsche Klausel Vermächtnisschulden als Nachlassverbindlichkeiten abzugsfähig – FG Hamburg 3 K 191/18

RA und Notar Krau

Sachverhalt:

Im vorliegenden Fall stritten die Beteiligten über die erbschaftsteuerliche Behandlung eines Vermächtnisses, das aufgrund einer sogenannten „Jastrowschen Klausel“ in einem Berliner Testament anfiel.

Die Klägerin war neben ihren Schwestern Erbin ihrer Mutter.

Die Eltern der Klägerin hatten sich in ihrem gemeinschaftlichen Testament gegenseitig zu Alleinerben eingesetzt und die Klägerin und ihre Schwestern als Schlusserben bestimmt.

Das Testament enthielt eine Jastrowsche Klausel, die vorsah, dass Kinder, die beim Tod des erstversterbenden Elternteils ihren Pflichtteil nicht geltend machen, beim Tod des Letztversterbenden ein Vermächtnis in Höhe ihres gesetzlichen Erbteils erhalten sollten.

Diese Vermächtnisse sollten zwar mit dem Tod des Erstversterbenden anfallen, aber erst mit dem Tod des Letztversterbenden fällig werden.

Nach dem Tod des Vaters machten zwei Geschwister der Klägerin ihren Pflichtteil geltend.

Jastrowsche Klausel Vermächtnisschulden als Nachlassverbindlichkeiten abzugsfähig – FG Hamburg 3 K 191/18

Die Klägerin und ihre anderen Schwestern erhielten daher beim Tod der Mutter neben ihrem Erbteil auch das ihnen zustehende Vermächtnis aus dem Nachlass des Vaters.

Streitpunkt:

Der Streitpunkt des Verfahrens war, ob die Vermächtnisschulden aus der Jastrowschen Klausel als Nachlassverbindlichkeiten im Sinne des § 10 Abs. 5 Nr. 1 ErbStG abzugsfähig sind

und ob der Klägerin für den Anfall des Vermächtnisses der persönliche Freibetrag des erstversterbenden Ehegatten gemäß § 16 ErbStG zu gewähren ist.

Entscheidung des Finanzgerichts:

Das Finanzgericht Hamburg entschied, dass die Vermächtnisschulden nicht als Nachlassverbindlichkeiten abzugsfähig sind und der Klägerin kein zweiter Freibetrag zusteht.

Begründung:

  1. Einheitlicher Erwerb:

Das Gericht stellte fest, dass die Klägerin durch Erbanfall und Vermächtnis erworben hat, wobei es sich um einen einheitlichen Erwerb handelt.

Die Jastrowsche Klausel führe dazu, dass das Vermächtnis erbschaftsteuerlich als Erwerb vom Letztversterbenden (Mutter) und nicht vom Erstversterbenden (Vater) gilt.

  1. Keine Nachlassverbindlichkeit:

Jastrowsche Klausel Vermächtnisschulden als Nachlassverbindlichkeiten abzugsfähig – FG Hamburg 3 K 191/18

Das Vermächtnis stellt nach Auffassung des Gerichts keine nach § 10 Abs. 5 ErbStG abzugsfähige Verbindlichkeit dar, weder als Vermächtnislast noch als Erblasserschuld.

  • Vermächtnislast: Eine Vermächtnislast im Sinne des § 10 Abs. 5 Nr. 2 ErbStG liegt weder beim Tod des Erstversterbenden noch beim Tod des Letztversterbenden vor, da das Vermächtnis erst mit dem Tod des Letztversterbenden fällig wird und damit die jeweilige Bereicherung durch den Erbanfall nicht mindert.

  • Erblasserschuld: Zwar sind Vermächtnisse, mit denen der Erblasser aus einer eigenen Erbschaft beschwert war, grundsätzlich als Erblasserschulden im Sinne des § 10 Abs. 5 Nr. 1 ErbStG abzugsfähig. Im vorliegenden Fall neutralisieren sich jedoch die auf die Klägerin anteilig entfallenden Erblasserschulden aus dem Vermächtnis des Vaters und das ihr zustehende Vermächtnis, so dass ein Abzug der Erblasserschulden letztlich ohne Auswirkung auf den Umfang des steuerpflichtigen Erwerbs bleibt.

  1. Kein zweiter Freibetrag:

Der Klägerin steht nach Ansicht des Gerichts auch kein zweiter Freibetrag gemäß § 16 ErbStG zu.

Da erbschaftsteuerlich ein einheitlicher Erwerb von der Mutter vorliegt, steht der Klägerin kein weiterer Freibetrag bezüglich des Todes ihres Vaters zu.

Jastrowsche Klausel Vermächtnisschulden als Nachlassverbindlichkeiten abzugsfähig – FG Hamburg 3 K 191/18

Fazit:

Das Urteil des Finanzgerichts Hamburg verdeutlicht die erbschaftsteuerlichen Folgen der Jastrowschen Klausel.

Durch die Gleichstellung des beim Tod des Letztversterbenden fälligen Vermächtnisses mit einer Nacherbschaft kommt es zu einer doppelten Besteuerung desselben Vermögens.

Das Vermächtnis kann weder als Nachlassverbindlichkeit abgezogen werden, noch steht dem Vermächtnisnehmer ein zusätzlicher Freibetrag zu.

Hinweis:

Dieses Urteil ist nicht rechtskräftig.

Die Klägerin hat gegen die Entscheidung des Finanzgerichts Revision beim Bundesfinanzhof eingelegt.

Schlagworte

Warnhinweis:

Die auf dieser Homepage wiedergegebenen Gerichtsentscheidungen bilden einen kleinen Ausschnitt der Rechtsentwicklung über mehrere Jahrzehnte ab. Nicht jedes Urteil muss daher zwangsläufig die aktuelle Rechtslage wiedergeben.

Einige Entscheidungen stellen Mindermeinungen dar oder sind später im Instanzenweg abgeändert oder durch neue obergerichtliche Entscheidungen oder Gesetzesänderungen überholt worden.

Das Recht entwickelt sich ständig weiter. Stetige Aktualität kann daher nicht gewährleistet werden.

Die schlichte Wiedergabe dieser Entscheidungen vermag daher eine fundierte juristische Beratung keinesfalls zu ersetzen.

Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.

Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.

Es soll auch nicht der falsche Anschein erweckt werden, als seien die veröffentlichten Urteile von der Kanzlei Krau erzielt worden. Das ist in aller Regel nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um einen allgemeinen Auszug aus dem deutschen Rechtsleben zur Information der Rechtssuchenden.

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