KG Berlin 1 W 361/10

August 23, 2017

KG Berlin 1 W 361/10

Gemeinschaftliches Testament:

Wirksamkeit eines Widerrufs wechselbezüglicher Verfügungen

RA und Notar Krau

Die Erblasserin hatte in einem gemeinschaftlichen Testament mit ihrem ersten Ehemann ihre Tochter (Beteiligte zu 1) als Erbin eingesetzt.

Nach dem Tod des Ehemannes errichtete die Erblasserin ein neues Testament, in dem sie ihre Tochter enterbte und ihren Lebensgefährten (Beteiligten zu 2) als Erben einsetzte.

Das Landgericht hatte entschieden, dass die Enterbung unwirksam ist, da die Erblasserin an die Erbeinsetzung ihrer Tochter im gemeinschaftlichen Testament gebunden war.

Kernaussage des Beschlusses:

Das Kammergericht (KG) Berlin hob den Beschluss des Landgerichts auf und verwies die Sache zurück.

Die Erblasserin war zwar grundsätzlich an die Erbeinsetzung ihrer Tochter gebunden, sie konnte diese jedoch unter den Voraussetzungen des § 2271 Abs. 2 S. 2 BGB widerrufen.

KG Berlin 1 W 361/10

Ob diese Voraussetzungen vorliegen, muss das Landgericht noch prüfen.

Begründung des Gerichts:

  • Bindung an gemeinschaftliches Testament:
    • Nach dem Tod eines Ehegatten ist der überlebende Ehegatte grundsätzlich an die wechselbezüglichen Verfügungen in einem gemeinschaftlichen Testament gebunden (§ 2271 Abs. 2 S. 1 BGB).
    • Im vorliegenden Fall war die Erblasserin daher an die Erbeinsetzung ihrer Tochter gebunden.
  • Widerrufsmöglichkeit:
    • Der überlebende Ehegatte kann die wechselbezüglichen Verfügungen jedoch widerrufen, wenn ein Entziehungsgrund nach § 2333 BGB vorliegt (§ 2271 Abs. 2 S. 2 BGB).
    • Ein Entziehungsgrund liegt vor, wenn sich der Erbe eines Verbrechens oder eines schweren Vergehens gegen den Erblasser schuldig gemacht hat.
  • Prüfung des Entziehungsgrundes:
    • Das Landgericht hat die Frage, ob ein Entziehungsgrund vorliegt, nicht geprüft.
    • Es hat lediglich festgestellt, dass die Erblasserin ihrer Tochter verziehen hat.
    • Die Verzeihung ist jedoch irrelevant, wenn die Erblasserin die Erbeinsetzung wirksam widerrufen hat.
  • Verzeihung:
    • Die Verzeihung nach § 2337 BGB gilt nur für die Entziehung des Pflichtteils, nicht für den Widerruf einer Verfügung nach § 2271 Abs. 2 S. 2 BGB.
  • Hypothetischer Wille der Erblasserin:
    • Die Verzeihung könnte nur dann relevant sein, wenn die Erblasserin bei der Testamentserrichtung gewollt hätte, dass der Erbausschluss von der Wirksamkeit der Pflichtteilsentziehung abhängt.
    • Dafür gibt es im vorliegenden Fall keine Anhaltspunkte.

KG Berlin 1 W 361/10

Fazit:

Der Beschluss verdeutlicht die Möglichkeit des Widerrufs von wechselbezüglichen Verfügungen in einem gemeinschaftlichen Testament.

Liegt ein Entziehungsgrund vor, kann der überlebende Ehegatte die Erbeinsetzung des anderen Ehegatten widerrufen.

Zusätzliche Informationen:

  • Der Beschluss hat Bedeutung für die Praxis, da er die Voraussetzungen für den Widerruf von Verfügungen in gemeinschaftlichen Testamenten klarstellt.
  • Erblasser sollten bei der Errichtung eines gemeinschaftlichen Testaments die Möglichkeit des Widerrufs bedenken.
  • Erben sollten sich im Falle einer Enterbung über die Möglichkeit der Anfechtung informieren.

Schlagworte

Warnhinweis:

Die auf dieser Homepage wiedergegebenen Gerichtsentscheidungen bilden einen kleinen Ausschnitt der Rechtsentwicklung über mehrere Jahrzehnte ab. Nicht jedes Urteil muss daher zwangsläufig die aktuelle Rechtslage wiedergeben.

Einige Entscheidungen stellen Mindermeinungen dar oder sind später im Instanzenweg abgeändert oder durch neue obergerichtliche Entscheidungen oder Gesetzesänderungen überholt worden.

Das Recht entwickelt sich ständig weiter. Stetige Aktualität kann daher nicht gewährleistet werden.

Die schlichte Wiedergabe dieser Entscheidungen vermag daher eine fundierte juristische Beratung keinesfalls zu ersetzen.

Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.

Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.

Es soll auch nicht der falsche Anschein erweckt werden, als seien die veröffentlichten Urteile von der Kanzlei Krau erzielt worden. Das ist in aller Regel nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um einen allgemeinen Auszug aus dem deutschen Rechtsleben zur Information der Rechtssuchenden.

Benötigen Sie eine Beratung oder haben Sie Fragen?

Rufen Sie uns an oder schreiben Sie uns eine E-Mail, damit wir die grundsätzlichen Fragen klären können.

Durch die schlichte Anfrage kommt noch kein kostenpflichtiges Mandat zustande.

Warnhinweis:

Die auf dieser Homepage wiedergegebenen Gerichtsentscheidungen bilden einen kleinen Ausschnitt der Rechtsentwicklung über mehrere Jahrzehnte ab. Nicht jedes Urteil muss daher zwangsläufig die aktuelle Rechtslage wiedergeben.

Einige Entscheidungen stellen Mindermeinungen dar oder sind später im Instanzenweg abgeändert oder durch neue obergerichtliche Entscheidungen oder Gesetzesänderungen überholt worden.

Das Recht entwickelt sich ständig weiter. Stetige Aktualität kann daher nicht gewährleistet werden.

Die schlichte Wiedergabe dieser Entscheidungen vermag daher eine fundierte juristische Beratung keinesfalls zu ersetzen.

Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.

Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.

Es soll auch nicht der falsche Anschein erweckt werden, als seien die veröffentlichten Urteile von der Kanzlei Krau erzielt worden. Das ist in aller Regel nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um einen allgemeinen Auszug aus dem deutschen Rechtsleben zur Information der Rechtssuchenden.

Benötigen Sie eine Beratung oder haben Sie Fragen?

Rufen Sie uns an oder schreiben Sie uns eine E-Mail, damit wir die grundsätzlichen Fragen klären können.

Durch die schlichte Anfrage kommt noch kein kostenpflichtiges Mandat zustande.

Letzte Beiträge

Steuerbefreiung nach § 8b Abs. 2 KStG

BFH II R 11/21

Dezember 6, 2024
BFH II R 11/21Urteil vom 21. August 2024RA und Notar KrauKernaussage:Das Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 21. August 2024 bef…
brown and white concrete church near bare trees under blue sky during daytime

Landgericht Limburg a d Lahn 4 O 238/22

Dezember 6, 2024
Landgericht Limburg a d Lahn 4 O 238/22Urteil vom 21.07.2023Mitgeteilt von RA und Notar KrauDas Landgericht Limburg a. d. Lahn hat üb…
angel, statue, figure

OLG Jena 6 W 319/24

Dezember 6, 2024
OLG Jena 6 W 319/24Beschluss vom 25.10.2024RA und Notar KrauSachverhalt:Der Freistaat Thüringen wurde im Rahmen eines Nachlassver…