Kontrollbetreuung – Aufgabenkreis Widerruf der Vorsorgevollmacht muss ausdrücklich zugewiesen werden – BGH XII ZB 413/17

September 16, 2018

Kontrollbetreuung – Aufgabenkreis Widerruf der Vorsorgevollmacht muss ausdrücklich zugewiesen werden – BGH XII ZB 413/17

RA und Notar Krau

Dieser Beschluss des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 09.05.2018 befasst sich mit den Voraussetzungen für die Anordnung

einer Kontrollbetreuung und die Übertragung des Aufgabenkreises des Widerrufs einer Vorsorgevollmacht.

Im Mittelpunkt steht der Fall einer 87-jährigen Frau, die aufgrund eines hirnorganischen Psychosyndroms ihre Angelegenheiten nicht mehr selbst regeln kann.

Sie hatte ihrem Sohn und Enkel Vorsorgevollmachten erteilt, wobei der Sohn die Vollmacht aktiv ausübte und dabei möglicherweise die Interessen der Mutter nicht ausreichend wahrnahm.

Kernaussagen des Beschlusses:

  • Eine Kontrollbetreuung kann angeordnet werden, um die Tätigkeit eines Bevollmächtigten zu überwachen, wenn der Vollmachtgeber dazu selbst nicht mehr in der Lage ist.
  • Der Aufgabenkreis des Widerrufs einer Vorsorgevollmacht muss dem Betreuer ausdrücklich zugewiesen werden.
  • Der Widerruf einer Vorsorgevollmacht ist ein schwerwiegender Eingriff und darf nur als letztes Mittel (ultima ratio) erfolgen, wenn mildere Maßnahmen nicht ausreichen, um die Interessen des Betroffenen zu schützen.

Kontrollbetreuung – Aufgabenkreis Widerruf der Vorsorgevollmacht muss ausdrücklich zugewiesen werden – BGH XII ZB 413/17

Detaillierte Zusammenfassung des Falls und der rechtlichen Erwägungen:

Sachverhalt:

Die Betroffene erteilte ihrem Sohn und Enkel General- und Vorsorgevollmachten.

Der Sohn nutzte die Vollmacht, um im Namen der Mutter Darlehen für seine GmbH aufzunehmen und finanzielle Unterstützung zu erhalten.

Es bestanden Zweifel, ob er dabei stets im besten Interesse der Mutter handelte.

Das Amtsgericht (AG) Pirna entließ den Sohn als Betreuer und bestellte eine Berufsbetreuerin mit dem Aufgabenkreis des Widerrufs der Vollmacht.

Das Landgericht (LG) Dresden hob diese Entscheidung auf.

Der BGH musste nun über die Rechtmäßigkeit dieser Entscheidungen entscheiden.

Rechtliche Erwägungen des BGH:

Kontrollbetreuung – Aufgabenkreis Widerruf der Vorsorgevollmacht muss ausdrücklich zugewiesen werden – BGH XII ZB 413/17

1. Kontrollbetreuung:

  • Zweck: Die Kontrollbetreuung dient der Überwachung des Bevollmächtigten, wenn der Vollmachtgeber dazu selbst nicht mehr in der Lage ist.
  • Voraussetzungen:
    • Es muss ein konkreter Verdacht bestehen, dass der Bevollmächtigte die Interessen des Vollmachtgebers nicht ausreichend wahrt.
    • Anzeichen hierfür können sein: Überforderung des Bevollmächtigten, Zweifel an seiner Redlichkeit oder Tauglichkeit, fehlendes Handeln im Interesse des Vollmachtgebers.
    • Ein Missbrauch der Vollmacht muss nicht vorliegen.
  • Erforderlichkeit im vorliegenden Fall:
  • Der BGH sah die Voraussetzungen für eine Kontrollbetreuung als erfüllt an, da der Sohn Darlehen und finanzielle Unterstützung für seine GmbH aus dem Vermögen der Mutter in Anspruch nahm, ohne dass sichergestellt war, dass dies im Einklang mit ihren Interessen geschah.

2. Widerruf der Vorsorgevollmacht:

  • Aufgabenkreis: Die Befugnis zum Widerruf der Vollmacht muss dem Betreuer ausdrücklich als eigener Aufgabenkreis zugewiesen werden.
  • Verhältnismäßigkeit: Der Widerruf ist ein schwerwiegender Eingriff in die Autonomie des Vollmachtgebers und darf nur als letztes Mittel (ultima ratio) erfolgen.
  • Mildere Maßnahmen: Zunächst müssen mildere Maßnahmen ergriffen werden, um die Interessen des Betroffenen zu schützen, z. B. Auskunft und Rechenschaftslegung vom Bevollmächtigten verlangen, Weisungsrechte ausüben.
  • Ultima Ratio: Erst wenn diese Maßnahmen fehlschlagen oder offensichtlich ungeeignet sind, ist der Widerruf der Vollmacht gerechtfertigt.
  • Vorliegender Fall: Der BGH lehnte die sofortige Ermächtigung zum Widerruf der Vollmacht ab. Die Kontrollbetreuerin sollte zunächst durch Auskunft und Rechenschaftslegung die Situation klären und ggf. Weisungen gegenüber dem Sohn erteilen.

Kontrollbetreuung – Aufgabenkreis Widerruf der Vorsorgevollmacht muss ausdrücklich zugewiesen werden – BGH XII ZB 413/17

Handlungsempfehlungen und Rechtsfolgen:

  • Kontrollbetreuerin: Die Kontrollbetreuerin hat die Aufgabe, die Interessen der Betroffenen zu wahren. Sie muss die Tätigkeit des Sohns überwachen und ggf. Maßnahmen ergreifen, um Missbrauch zu verhindern.
  • Sohn: Der Sohn ist als Bevollmächtigter verpflichtet, im Interesse der Mutter zu handeln. Er muss der Kontrollbetreuerin Auskunft erteilen und Rechenschaft ablegen.
  • Widerruf der Vollmacht: Sollte der Sohn die Interessen der Mutter weiterhin verletzen, kann die Kontrollbetreuerin die Vollmacht widerrufen.

Schlussfolgerung:

Der Beschluss des BGH verdeutlicht die Bedeutung der Kontrollbetreuung als Instrument zum Schutz von Vollmachtgebern, die ihre Angelegenheiten nicht mehr selbst regeln können.

Der Widerruf der Vorsorgevollmacht ist ein schwerwiegender Eingriff und darf nur als letztes Mittel erfolgen.

Vorrangig sind mildere Maßnahmen, um die Interessen des Betroffenen zu schützen.

Zusammenfassend lässt sich festhalten:

  • Die Kontrollbetreuung dient der Überwachung des Bevollmächtigten.
  • Der Widerruf der Vollmacht ist nur als letztes Mittel zulässig.
  • Vorrangig sind mildere Maßnahmen, um die Interessen des Betroffenen zu schützen.

Dieser Beschluss stärkt die Rechte von Vollmachtgebern und stellt sicher, dass ihre Interessen auch dann gewahrt werden, wenn sie ihre Angelegenheiten nicht mehr selbst regeln können.

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Warnhinweis:

Die auf dieser Homepage wiedergegebenen Gerichtsentscheidungen bilden einen kleinen Ausschnitt der Rechtsentwicklung über mehrere Jahrzehnte ab. Nicht jedes Urteil muss daher zwangsläufig die aktuelle Rechtslage wiedergeben.

Einige Entscheidungen stellen Mindermeinungen dar oder sind später im Instanzenweg abgeändert oder durch neue obergerichtliche Entscheidungen oder Gesetzesänderungen überholt worden.

Das Recht entwickelt sich ständig weiter. Stetige Aktualität kann daher nicht gewährleistet werden.

Die schlichte Wiedergabe dieser Entscheidungen vermag daher eine fundierte juristische Beratung keinesfalls zu ersetzen.

Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.

Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.

Es soll auch nicht der falsche Anschein erweckt werden, als seien die veröffentlichten Urteile von der Kanzlei Krau erzielt worden. Das ist in aller Regel nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um einen allgemeinen Auszug aus dem deutschen Rechtsleben zur Information der Rechtssuchenden.

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