Kürzung von außergewöhnlichen Belastungen aufgrund einer steuerpflichtigen Ersatzleistung – BFH VI R 33/20 – Beschluss vom 15. Juni 2023,
vorgehend FG Düsseldorf, 15. Juni 2020, Az: 11 K 2024/18 E
In dem Beschluss BFH VI R 33/20 vom 15. Juni 2023 wurde entschieden, dass einkommensteuerpflichtige Ersatzleistungen nicht zu einer Kürzung der abzugsfähigen außergewöhnlichen Belastungen gemäß § 33 EStG führen.
Das Finanzgericht Düsseldorf hatte zuvor Beerdigungskosten teilweise gekürzt, was vom Bundesfinanzhof (BFH) als unzulässige doppelte steuerliche Belastung des Steuerpflichtigen angesehen wurde.
Der Einspruch des Finanzamts wurde daher zurückgewiesen, und die Kosten des Verfahrens trägt das Finanzamt.
I. Zusammenfassung von RA und Notar Krau
II. Tatbestand
III. Entscheidungsgründe
Einkommensteuerpflichtige Ersatzleistungen führen nicht zu einer Kürzung der nach § 33 EStG abzugsfähigen Aufwendungen.
Tenor
Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Finanzgerichts Düsseldorf vom 15.06.2020 – 11 K 2024/18 E wird als unbegründet zurückgewiesen.
Die Kosten des Revisionsverfahrens hat der Beklagte zu tragen.
I.
Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) erhielt im Streitjahr (2017) aufgrund des Ablebens ihrer Mutter ‑‑auch ohne ihre Erbin geworden zu sein‑‑ gemäß § 23 Abs. 3 des Tarifvertrags für den öffentlichen Dienst der Länder ein Sterbegeld in Höhe von brutto 6.550,20 €.
In ihrer Einkommensteuererklärung für das Streitjahr erklärte die Klägerin das erhaltene Sterbegeld nicht, machte jedoch die Beerdigungskosten als außergewöhnliche Belastung geltend.
Kürzung von außergewöhnlichen Belastungen aufgrund einer steuerpflichtigen Ersatzleistung – BFH VI R 33/20
Der Beklagte und Revisionskläger (Finanzamt ‑‑FA‑‑) setzte das Sterbegeld nach Abzug des Werbungskostenpauschbetrags sowie des Versorgungsfreibetrags als steuerpflichtige Einkünfte der Klägerin aus nichtselbständiger Arbeit an und berücksichtigte die geltend gemachten Beerdigungskosten erklärungsgemäß.
Im Einspruchsverfahren änderte das FA nach vorherigem Hinweis auf eine mögliche Verböserung den Einkommensteuerbescheid dahingehend, dass es die geltend gemachten Beerdigungskosten wegen einer Anrechnung des diese Kosten übersteigenden Sterbegelds nicht mehr zum Abzug als außergewöhnliche Belastung zuließ, und wies den Einspruch als unbegründet zurück.
Das Finanzgericht (FG) gab der daraufhin erhobenen Klage teilweise statt. Es erkannte die Beerdigungskosten lediglich gekürzt um den Versorgungsfreibetrag als außergewöhnliche Belastung an.
Mit der Revision rügt das FA die Verletzung materiellen Rechts.
Es beantragt sinngemäß,
die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
II.
Die Entscheidung ergeht gemäß § 126a der Finanzgerichtsordnung (FGO).
Der Senat hält die Revision einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich. Die Beteiligten sind davon unterrichtet worden und hatten Gelegenheit zur Stellungnahme.
Das FG hat zutreffend entschieden, dass das einkommensteuerpflichtige Sterbegeld der Klägerin nicht auf ihre als außergewöhnliche Belastung abziehbaren Beerdigungskosten anzurechnen ist.
Kürzung von außergewöhnlichen Belastungen aufgrund einer steuerpflichtigen Ersatzleistung – BFH VI R 33/20
Erwachsen einem Steuerpflichtigen zwangsläufig größere Aufwendungen als der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse und gleichen Familienstands (außergewöhnliche Belastung), so wird auf Antrag die Einkommensteuer dadurch ermäßigt, dass der Teil der Aufwendungen, der die dem Steuerpflichtigen zumutbare Belastung nach Abs. 3 übersteigt, vom Gesamtbetrag der Einkünfte abgezogen wird
(§ 33 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes ‑‑EStG‑‑).
Gemäß § 33 Abs. 2 Satz 1 EStG erwachsen Aufwendungen dem Steuerpflichtigen zwangsläufig, wenn er sich ihnen aus rechtlichen, tatsächlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann und soweit die Aufwendungen den Umständen nach notwendig sind und einen angemessenen Betrag nicht übersteigen.
a) Es entspricht ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH), die Ausgaben, die ein Steuerpflichtiger aus sittlichen Gründen für die Beerdigung eines nahen Angehörigen übernimmt, als außergewöhnliche Belastung gemäß § 33 EStG steuerlich zu berücksichtigen, soweit die Aufwendungen nicht aus dem Nachlass bestritten werden können oder durch sonstige dem Steuerpflichtigen im Zusammenhang mit dem Tod des Angehörigen zugeflossene Geldleistungen gedeckt sind
(BFH-Urteil vom 19.10.1990 – III R 93/87, BFHE 162, 326, BStBl II 1991, 140
und Senatsbeschluss vom 21.02.2018 – VI R 11/16, BFHE 260, 507, BStBl II 2018, 469, Rz 46).
b) Diese Vorteilsanrechnung gründet auf der zweckgerichteten Auslegung des Begriffs der Aufwendungen und dem Merkmal der Außergewöhnlichkeit.
Denn der Abzugstatbestand des § 33 EStG erfordert die verminderte subjektive Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen.
Der Steuerpflichtige ist im Ergebnis lediglich um die Differenz von außergewöhnlichem Aufwand und (steuerfreier) Ersatzleistung belastet.
Nur insoweit trägt er den außergewöhnlichen Aufwand tatsächlich und nur insoweit ist seine wirtschaftliche Leistungsfähigkeit vermindert
(Senatsbeschlüsse vom 14.04.2011 – VI R 8/10, BFHE 233, 241, BStBl II 2011, 701
und vom 21.02.2018 – VI R 11/16, BFHE 260, 507, BStBl II 2018, 469, Rz 55).
Da die Vorteilsanrechnung der Vermeidung einer steuerlichen Doppelentlastung dient
(vgl. Senatsbeschlüsse vom 14.04.2011 – VI R 8/10, BFHE 233, 241, BStBl II 2011, 701, Rz 14
und vom 21.02.2018 – VI R 11/16, BFHE 260, 507, BStBl II 2018, 469, Rz 56),
führen einkommensteuerpflichtige Ersatzleistungen nicht zu einer Kürzung der nach § 33 EStG abzugsfähigen Aufwendungen
(vgl. Senatsurteil vom 14.03.1975 – VI R 63/73, BFHE 115, 357, BStBl II 1975, 632
und BFH-Urteil vom 23.11.2016 – X R 13/14, Rz 17;
Arndt in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 33 Rz B 18;
Brandis/Heuermann/Baldauf, § 33 EStG Rz 70 und 72;
Fuhrmann in Korn, § 33 EStG Rz 22.1;
Schmidt/Loschelder, EStG, 42. Aufl., § 33 Rz 17;
Schmieszek in Bordewin/Brandt, § 33 EStG Rz 37;
a.A. KKB/Bleschick, § 33 EStG, 8. Aufl., Rz 32;
Kanzler in Herrmann/Heuer/Raupach, § 33 EStG Rz 42;
Mellinghoff in Kirchhof/Seer, EStG, 22. Aufl., § 33 Rz 13).
Kürzung von außergewöhnlichen Belastungen aufgrund einer steuerpflichtigen Ersatzleistung – BFH VI R 33/20
Das FG hat nach diesen Maßstäben die als außergewöhnliche Belastung abzugsfähigen Beerdigungskosten zu Recht nicht um das Sterbegeld gekürzt.
a) Das von der Klägerin bezogene Sterbegeld ist ein steuerpflichtiger Versorgungsbezug im Sinne des § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 Buchst. a EStG. Dies ist zwischen den Beteiligten unstreitig.
Der Senat sieht insoweit von weiteren Ausführungen ab.
b) Die vom FA begehrte Kürzung der Beerdigungskosten zumindest in Höhe des Nettobetrags des steuerpflichtigen Sterbegelds (Einnahmen gemindert um die darauf entfallende Steuer) kommt ebenfalls nicht in Betracht.
Werden außergewöhnliche Belastungen ‑‑wie vorliegend‑‑ aus zu versteuerndem Einkommen geleistet, sind die entsprechenden Aufwendungen ohne Anrechnung der zu versteuernden Beträge nach § 33 EStG abziehbar.
Denn eine (auch nur teilweise) Anrechnung der zu versteuernden Leistung auf die nach § 33 EStG abziehbare außergewöhnliche Belastung hätte in einem solchen Fall eine unzulässige doppelte steuerliche Belastung des Steuerpflichtigen zur Folge.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 2 FGO.
Kürzung von außergewöhnlichen Belastungen aufgrund einer steuerpflichtigen Ersatzleistung – BFH VI R 33/20
Die auf dieser Homepage wiedergegebenen Gerichtsentscheidungen bilden einen kleinen Ausschnitt der Rechtsentwicklung über mehrere Jahrzehnte ab. Nicht jedes Urteil muss daher zwangsläufig die aktuelle Rechtslage wiedergeben.
Einige Entscheidungen stellen Mindermeinungen dar oder sind später im Instanzenweg abgeändert oder durch neue obergerichtliche Entscheidungen oder Gesetzesänderungen überholt worden.
Das Recht entwickelt sich ständig weiter. Stetige Aktualität kann daher nicht gewährleistet werden.
Die schlichte Wiedergabe dieser Entscheidungen vermag daher eine fundierte juristische Beratung keinesfalls zu ersetzen.
Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.
Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.
Es soll auch nicht der falsche Anschein erweckt werden, als seien die veröffentlichten Urteile von der Kanzlei Krau erzielt worden. Das ist in aller Regel nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um einen allgemeinen Auszug aus dem deutschen Rechtsleben zur Information der Rechtssuchenden.
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Durch die schlichte Anfrage kommt noch kein kostenpflichtiges Mandat zustande.