LG Bochum, Beschluss vom 18. August 1989 – 7 T 585/89 Ehegattenerbrecht bei vorverstorbenem Elternteil des Erblassers

April 22, 2019

LG Bochum, Beschluss vom 18. August 1989 – 7 T 585/89
Ehegattenerbrecht bei vorverstorbenem Elternteil des Erblassers
1. Großeltern des Erblassers und deren Abkömmlinge treten auch dann nicht an die Stelle eines vorverstorbenen Elternteils, wenn die noch lebenden Erben zweiter Ordnung nicht mit dem vorverstorbenen Elternteil verwandt sind (Stiefkinder).
2. Der Anteil eines vorverstorbenen Elternteils des Erblassers fällt nicht an den Ehegatten des Erblassers.
Tenor
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Der Wert des Beschwerdegegenstandes beträgt 19.000,00 DM.
Gründe
Die Beschwerdeführerin ist die Witwe des Erblassers. Dieser verstarb am 8. April 1988 ohne eine Verfügung von Todes wegen zu hinterlassen. Die Beschwerdeführerin und der Erblasser lebten im gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft. Aus ihrer Ehe sind zwei Kinder hervorgegangen, die jedoch ihrerseits selbst kinderlos in den Jahren 1961 bzw. 1987 vorverstorben sind. Der 1942 verstorbene Vater des Erblassers war in zweiter Ehe mit der Mutter des Erblassers verheiratet. Diese verstarb 1951 ohne – außer dem Erblasser – Abkömmlinge zu hinterlassen. Aus der ersten Ehe des Vaters des Erblassers sind vier Kinder hervorgegangen, die ihrerseits verstorben sind und mehrere Abkömmlinge hinterlassen haben. Mit notariellem Antrag vom 18. Mai 1989 begehrte die Beschwerdeführerin die Ausstellung eines Erbscheines, der sie zu 7/8 als Erbin ausweist. Das restliche 1/8 verteilt sich nach diesem Antrag auf die dort näher bezeichneten Enkel des Vaters des Erblassers aus erster Ehe. Die Rechtspflegerin des Amtsgerichts hat den Antrag zurückgewiesen und ausgeführt, die Beschwerdeführerin sei nur zu 3/4 Erbin geworden. Der Erbschein könne daher nicht antragsgemäß erteilt werden. Gegen diesen Beschluß hat die Beschwerdeführerin ein als Beschwerde bezeichnetes Rechtsmittel eingelegt und beantragt, dem Erbscheinsantrag stattzugeben. Ihrer Ansicht nach erben die Enkel des Vaters des Erblassers lediglich zu 1/8. Das auf die Mutter des Erblassers entfallende 1/8 Erbteil wäre gemäß § 1926 Abs. 1 BGB auf die Großeltern mütterlicherseits entfallen. Da diese jedoch vorverstorben seien, würde sie gemäß § 1931 Abs. 2 BGB diesen 1/8-Anteil ebenfalls erhalten.
Rechtspfleger und Richter des Amtsgerichtes haben dem Rechtsmittel nicht abgeholfen und es zur Entscheidung dem Landgericht vorgelegt.
Das Rechtsmittel ist als Erinnerung gegen den Beschluß der Rechtspflegerin gemäß § 11 Abs. 1 S. 1 RpflG zulässig und gilt, nachdem das Amtsgericht nicht abgeholfen hat, gemäß § 11 Abs. 2 S. 5 RpflG als Beschwerde. Diese ist gemäß § 20 FGG zulässig, jedoch nicht begründet. Das Nachlaßgericht hat den Antrag zu Recht zurückgewiesen, da die dort ermittelten Erbquoten unrichtig sind. Ein von dem Antrag abweichender Erbschein kann nicht erteilt werden (Palandt, Anm. 3 zu § 2353 BGB).
Die Antragstellerin ist nicht zu 7/8 Erbin geworden. Das gesetzliche Erbrecht des Ehegatten bestimmt sich nach § 1931 BGB. Nach Satz 1 dieser Vorschrift erbt die Ehegatte neben Verwandten der zweiten Ordnung zu 1/2. Gesetzliche Erben zweiter Ordnung sind gemäß § 1925 Abs. 1 BGB die Eltern des Erblassers und deren Abkömmlinge. Regeln für das Vorversterben eines Elternteils sind in § 1925 Abs. 3 BGB getroffen. Danach treten an die Stelle eines zur Zeit des Erbfalls nicht mehr lebenden Elternteils dessen Abkömmlinge. Hat ein Elternteil keine Abkömmlinge, so erbt der überlebende Teil alleine. Eine ausdrückliche Regelung für das Vorversterben beider Elternteile ist nicht getroffen. Unrichtig ist die Ansicht, daß in diesem Fall hinsichtlich des kinderlos verstorbenen Elternteils auf die Großeltern zurückzugreifen wäre. Diese Ansicht verstößt gegen § 1930 BGB, wonach Erben einer vorhergehenden Ordnung die Erben einer höheren Ordnung von dem Erbe ausschließen. Hier sind Erben zweiter Ordnung vorhanden, so daß auf die Großeltern als Erben dritter Ordnung, § 1926 Abs. 1 BGB, nicht zurückgegriffen werden kann. Grundsätzlich ist der Beschwerdeführerin darin Recht zu geben, daß den halbbürtigen Geschwistern des Erblassers bzw. deren Nachkommen das Erbteil der Mutter des Erblassers nicht anfallen kann, da Abkömmlinge nur an Stelle des Elternteils treten, den sie mit dem Erblasser gemeinsam haben (Palandt, 48. Aufl., Rdnr. 4 zu § 1925 BGB; RGRK, 12. Aufl., Rdnr. 3 zu § 1925; Staudinger,. 12. Aufl., Rdnr. 14 zu § 1925). Dieser Grundsatz ist jedoch überlagert durch das Prinzip des § 1930 BGB, wonach eine Erbschaft unter den Erben einer Ordnung aufzuteilen ist, bevor die Erben einer höheren Ordnung berufen sind. Dies führt hier zwangsläufig dazu, daß den Erben zweiter Ordnung, also den Nachkommen des Vaters als halbbürtigen Geschwistern des Erblassers, das Erbteil auch insoweit zufällt, als es nach § 1925 Abs. 1 BGB der Mutter des Erblassers beim Erleben des Erbfalles zugefallen wäre. Das Vorhandensein der halbbürtigen Verwandten schließt daher das Erbrecht der Großeltern aus (Müko, 2. Aufl., Rdnr. 5 zu § 1925; Ermann, 5. Aufl., Rdnr. 5 zu § 1925; KG, OLGZ 20 (1910), 425 f.; OLG München, JFG 18, 374 (376); Staudinger, Rdnr. 19 zu § 1925; RGRK, Rdnr. 4 zu § 1925).
Ein Anfall des Erbanteils von 1/8, soweit dies auf die Mutter des Erblassers entfallen wäre, an die Beschwerdeführerin kommt nicht in Betracht. Dies liegt daran, daß das Erbrecht des BGB grundsätzlich zwischen dem Verwandtenerbrecht und dem gesetzlichen Erbrecht des Ehegatten unterscheidet. Der Erbanteil der Verwandten bestimmt sich nach der Anzahl der Verwandten, wohingegen das Erbrecht des Ehegatten grundsätzlich fest ist. Eine Erhöhung dieses auf einem bestimmten Bruchteil festgelegten Erbanteils ist nur in § 1931 Abs. 1 S. 2 BGB vorgesehen. Nur wenn das Erbrecht des Ehegatten mit dem der Abkömmlinge der Großeltern des Erblassers konkurriert, … tritt der Ehegatte an die Stelle der Erben dritter Ordnung. Für die Erben zweiter Ordnung ist eine entsprechende Vorschrift nicht vorgesehen. Eine Veränderung des festen Erbteils findet hier daher nicht statt (Staudinger, Rdnr. 29 zu § 1931; Müko, Rdnr. 4 zu § 1931).
Der Erbanteil der Beschwerdeführerin von 1/2 gemäß § 1931 Abs. 1 S. 1 BGB erhöht sich hier gemäß §§ 1931 Abs. 3, 1371 Abs. 1 BGB um 1/4, so daß die Beschwerdeführerin insgesamt zu 3/4 Erbin geworden ist.
Die Wertfestsetzung folgt aus § 30 Abs. 1 KostO, wobei das Interesse der Beschwerdeführerin mit 1/8 des Nachlaßwertes angenommen wurde.

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Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.

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