Mehrere letztwillige Verfügungen – Frage der Testierunfähigkeit – OLG Düsseldorf I-3 Wx 40/14

November 29, 2020

Mehrere letztwillige Verfügungen – Frage der Testierunfähigkeit – OLG Düsseldorf I-3 Wx 40/14

Neu formatiert von RA und Notar Krau

Tenor

Das Rechtsmittel wird auf Kosten der Beteiligten zu 1. zurückgewiesen.

Geschäftswert: bis 40.000 €.

Mehrere letztwillige Verfügungen – Frage der Testierunfähigkeit – OLG Düsseldorf I-3 Wx 40/14 -Gründe

I.

Die Erblasserin war 1912 geboren, ihr im Jahre 2009 vorverstorbener Ehemann 1909. Bei den Beteiligten zu 1. bis 3. handelt es sich um die gemeinsamen Kinder der Eheleute.

Unter dem 13. April 1998 verfassten die Eheleute jeweils ein eigenhändig geschriebenes und unterschriebenes Testament.

In diesen Testamenten setzten die Erblasserin ihren Ehemann und dieser die Erblasserin als Alleinerben ein; darüber hinaus enthielten die Verfügungen jeweils die Aufhebung aller bisherigen Verfügungen von Todes wegen, Anordnungen zur Bestattung und eine Grabpflegeauflage.

Im Testament des Ehemannes hieß es überdies, der Beteiligte zu 2. und die Beteiligte zu 3. erhielten als Vermächtnis jeweils 35.000 DM, sofern die Summe nach dem Tode seiner Ehefrau auf Bankkonten zur Verfügung stehe.

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Mit Datum vom 25. März 2001 verfassten die Eheleute ein vom Ehemann geschriebenes und unterschriebenes sowie von der Erblasserin mitunterschriebenes “Ergänzungstestament”; in diesem hieß es:

“In Ergänzung unserer Testamente vom 13. April 1998 bestimmen wir, dass unsere Tochter S. S. nach unserem Tode Testamentsvollstreckerin wird.

Sie hat die Aufgabe das noch vorhandene Vermögen zwischen den drei Geschwistern aufzuteilen. Bisher an unsere Kinder zu Lebzeiten erfolgte Leistungen werden nicht gegeneinander ausgeglichen.”

Ferner hinterließen die Eheleute ein von der Erblasserin in deutscher Schreibschrift geschriebenes und unterschriebenes, von ihrem Ehemann mitunterschriebenes Schriftstück mit dem Inhalt:

“Testament

Wir, Dr. F. und M. S. setzen uns hiermit gegenseitig als Alleinerben ein, unsere Kinder M., R. und S. haben bereits den Pflichtteil bekommen, S. zusätzlich die Krayer Mühle. Deshalb sollen nach dem Tod des zuletzt Verstorbenen unsere Kinder M. und R. zu gleichen Teilen Erben sein.

Diese Verfügungen gelten wechselbezüglich.

Ratingen, den 6.12.2007″

Am 15. April 2010 hat der Beteiligte zu 2., gestützt auf die Verfügung von Todes wegen aus dem Jahre 2007, zu Protokoll der Geschäftsstelle des Amtsgerichts die Erteilung eines gemeinschaftlichen Erbscheins beantragt, der ihn und die Beteiligte zu 3. als Miterben nach der Erblasserin zu je ½-Anteil ausweist.

Dem ist die Beteiligte zu 1. mit der Begründung, zur Zeit der Errichtung des Testaments im Dezember 2007 seien sowohl die Erblasserin als auch ihr Ehemann testierunfähig gewesen, entgegengetreten.

Nach Durchführung von Ermittlungen hat das Nachlassgericht durch die angefochtene Entscheidung – unter Aussetzung der sofortigen Wirksamkeit des Beschlusses und Zurückstellung der Erteilung des Erbscheins bis zu dessen Rechtskraft – die zur Begründung des Erbscheinsantrages des Beteiligten zu 2. erforderlichen Tatsachen für festgestellt erachtet.

Gegen diesen ihr am 9. Januar 2014 zugestellten Beschluss wendet sich die Beteiligte zu 2. mit ihrem am 15. Januar 2014 bei Gericht eingegangenen Rechtsmittel, dem die Beteiligten zu 2. und 3. entgegentreten.

Wegen der Einzelheiten wird auf den Inhalt der Nachlassakte sowie der Testamentsakte (zuletzt:) 14 IV 226/14 AG Ratingen Bezug genommen.

II.

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Auf den vorliegenden Fall findet das bis zum 17. August 2015 geltende Recht Anwendung, da der Erbfall im Jahre 2010 eingetreten ist.

Das gemäß §§ 58 Abs. 1 i.V.m. 352 Abs. 1 Satz 1, 59 Abs. 1, 61 Abs. 1, 63 Abs. 1 und Abs. 3 Satz 1, 64 Abs. 1 und 2 FamFG a.F. als befristete Beschwerde zulässige Rechtsmittel der Beteiligten zu 1. ist nach der vom Nachlassgericht erklärten Nichtabhilfe dem Senat zur Entscheidung angefallen, § 68 Abs. 1 Satz 1, 2. Halbs. FamFG a.F.

Ein Ablehnungsantrag der Beteiligten zu 1. gegen den vom Nachlassgericht bestellten Sachverständigen Dr. G. steht einer Sachentscheidung des Senats schon deshalb nicht entgegen, weil die Beteiligte zu 1. diesen mit Schriftsatz vom 30. Juli 2015 zurückgenommen hat.

In der Sache erweist sich die Beschwerde als nicht begründet.

Zu Recht will das Nachlassgericht dem Erbscheinsantrag des Beteiligten zu 2. stattgeben.

Der Erbgang nach der Erblasserin richtet sich nach dem Testament vom 6. Dezember 2007.

1.

Die letztwillige Verfügung der Erblasserin vom 6. Dezember 2007 ist – die Frage der Testierunfähigkeit zunächst zurückgestellt – wirksam, und zwar als gemeinschaftliches Testament mit ihrem Ehemann, falls dieser testierfähig gewesen sein sollte, anderenfalls als Einzeltestament. Näher begründungsbedürftig ist allein die zweitgenannte Sachverhaltsalternative.

a)

Der Umdeutung des nach §§ 2265, 2267 Satz 1 BGB errichteten gemeinschaftlichen Testaments der Ehegatten in ein Einzeltestament der Erblasserin stehen die allgemeinen erbrechtlichen Vorschriften nicht entgegen.

aa)

Zum einen wahrt das von der Erblasserin eigenhändig geschriebene und unterschriebene Schriftstück vom 6. Dezember 2007 die an ein eigenhändiges Einzeltestament zu stellenden Anforderungen des § 2247 Abs. 1, Abs. 2 und Abs. 3 Satz 1 BGB.

bb)

Zum anderen verstieß die Erblasserin mit einer letztwilligen Verfügung des tatsächlich gegebenen Inhalts nicht gegen eine sie treffende Bindungswirkung.

(1)

Da die Einsetzung ihres Ehemannes zu ihrem Alleinerben infolge seines Vorversterbens gegenstandslos geworden ist, kommt es in diesem Zusammenhang einesteils auf die Einsetzung der Beteiligten zu 2. und 3. als hälftige Miterben nach dem Letztversterbenden an.

Die beiden Testamente vom 13. April 1998 enthielten aber jeweils lediglich Anordnungen für den Erbgang nach dem Erstversterbenden (nur bei dem von ihm ausgesetzten Vermächtnis knüpfte der Ehemann im Rahmen der von ihm gesetzten Bedingung an den Tod auch seiner Ehefrau an).

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Bei dieser Lage bedarf es keiner Entscheidung mehr, ob jene beiden Testamente in ihrer Gesamtheit überhaupt als gemeinschaftliches Testament mit der Folge des Eintritts der Bindungswirkung nach § 2271 Abs. 2 Satz 1 BGB verstanden werden können.

Das so bezeichnete Ergänzungstestament vom 25. März 2001 betraf zwar die Lage nach dem Versterben beider Ehegatten, jedoch gleichfalls, ohne Erben nach dem Letztversterbenden zu berufen.

Ausdrücklich geschah dies ohnehin nicht. Aber auch der Anordnung, die Testamentsvollstreckerin habe die Aufgabe, das nach dem Tode des zweiten Ehegatten vorhandene Vermögen zwischen den drei Geschwistern aufzuteilen, lässt sich nicht mit hinreichender Deutlichkeit entnehmen, dass die Testierenden die Vorstellung hatten, hierdurch zugleich die Beteiligten zu 1. bis 3. als gewillkürte Erben einzusetzen und damit möglicherweise dem überlebenden Ehegatten die nach den bis dahin bestehenden letztwilligen Verfügungen eröffnete Möglichkeit, für den Fall seines Todes die gewillkürte Erbfolge frei zu wählen, zu nehmen.

Näher liegt es sogar, dass sich die Eheleute 1998 vorstellten, den zweiten Erbfall nicht regeln zu müssen, da ihnen insoweit der Eintritt der gesetzlichen Erbfolge ausreichend oder gar wünschenswert erschien, und sie im sogenannten Ergänzungstestament lediglich auf jene, eben gesetzliche, Erbfolge verwiesen.

(2)

Ein Verstoß der Erblasserin gegen eine aus den Verfügungen von 1998 und 2001 folgende Bindungswirkung durch Errichtung des Testaments vom 6. Dezember 2007 hinsichtlich der Einsetzung der Beteiligten zu 1. als Testamentsvollstreckerin kommt von vornherein nicht in Betracht. Denn eine diesbezügliche Verfügung kann nach § 2270 Abs. 3 BGB nicht wechselbezüglich getroffen werden (vgl. Palandt-Weidlich, BGB, 75. Aufl. 2016, § 2270 Rdnr. 13 i.V.m. § 2197 Rdnr. 1).

b)Aber auch die Eigenschaft der Verfügung vom 6. Dezember 2007 als gemeinschaftliches Testament, § 2265 BGB, steht der Umdeutung nicht entgegen.

Allerdings wurde bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts die Auffassung vertreten, es stehe in Widerspruch zur gesetzlichen Regelung – insbesondere zu § 2265 BGB -, letztwillige Verfügungen in nichtigen gemeinschaftlichen Testamenten in wirksame Einzeltestamente umzudeuten.

Hernach wurden letztwillige Verfügungen in gemeinschaftlichen Testamenten nur dann als umdeutungsfähig erachtet, wenn sie nicht wechselbezüglich im Sinne des § 2270 Abs. 1 BGB seien (so noch: KG NJW 1969, 798 und wohl auch Senat, FamRZ 1997, 771 f. sowie für den Fall einer nur einseitigen, d.h. auf die Verfügungen nur einer beteiligten Person beschränkten, Umdeutungsfähigkeit auch OLG Hamm NJW-RR 1996, 1290 ff.).

Nach heute ganz überwiegender Ansicht in Rechtsprechung und Schrifttum gibt es keinen überzeugenden Grund, § 140 BGB nicht insgesamt auf unwirksame gemeinschaftliche Testamente anzuwenden; mit anderen Worten wird auch die Umdeutung wechselbezüglicher Verfügungen unter den allgemeinen Voraussetzungen des § 140 BGB uneingeschränkt für möglich gehalten.

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Im Einzelnen bedeutet dies, dass auch eine als wechselbezüglich gewollte Verfügung eines Ehegatten im Falle der Unwirksamkeit der korrespektiven Verfügung des anderen in eine einzeltestamentarische Verfügung ohne Rücksicht auf den Grund der Unwirksamkeit – mithin auch im Falle einer Testierunfähigkeit – sowie selbst dann, wenn in einem (sogar) notariell beurkundeten Testament die Wechselbezüglichkeit ausdrücklich festgestellt worden ist, umgedeutet werden kann.

Die Vorschrift des § 2270 Abs. 1 BGB ist nicht zwingend, es steht den Testierenden frei, die an die Nichtigkeit einer wechselbezüglichen Verfügung geknüpfte Rechtsfolge abzumildern oder auszuschließen, und ein solcher Wille kann durch Auslegung ermittelt werden.

Demnach darf allerdings die Verfügung nicht ohne weiteres als einzeltestamentarische Verfügung aufrechterhalten werden; es muss sich feststellen lassen, dass der Erblasser die als wechselbezüglich bezeichnete Verfügung auch dann getroffen hätte, wenn er die Unwirksamkeit der korrespektiven Verfügung gekannt hätte. Namentlich bei wechselbezüglichen Zuwendungen an Dritte müssen besondere Umstände vorliegen, damit eine Aufrechterhaltung als einseitige Verfügung in Betracht kommt

(zu Vorstehendem: OLG München NJW-RR 2010, 1382 f. und NJW-RR 2014, 1354 f., aber auch NJW-RR 2014, 838 f., jeweils m.w. Nachw.; im Grundsatz auch BGH NJW-RR 1987, 1410 f. und NJW 2011, 1353 ff.; aus dem Schrifttum: MK-Musielak, BGB, 6. Aufl. 2013, § 2265 Rdnr. 4-8; Staudinger-Kanzleiter, BGB, Neubearb. 2014, § 2265 Rdnr. 5-14; BeckOK BGB – Litzenburger, Stand: 01.11.2015, § 2265 Rdnr. 20-22; jurisPK BGB – Reymann, Stand: 12.05.2015, § 2265 Rdnr. 14-27.1).

Demgegenüber betraf die Entscheidung OLG Hamm FGPrax 2014, 71 ff. den von der Interessenlage her anders zu beurteilenden Fall des Widerrufs von in einem gemeinschaftlichen Testament getroffenen wechselbezüglichen Verfügungen.

Auch der von der Beteiligten zu 1. angesprochene Fall BayObLG NJW-RR 2000, 1534 mit der dortigen Bemerkung, der Aufrechterhaltung als Einzelverfügung stehe entgegen, dass eine testamentarische Schlusserbenregelung überhaupt nur durch gemeinschaftliche Verfügung von Ehegatten getroffen werden könne, war gegenüber dem gegebenen anders gelagert; dort ging es um Anordnungen des letztlich Erstverstorbenen zum Erbgang nach dem Längstlebenden, bei der Erblasserin handelt es sich jedoch um den überlebenden Ehegatten.

Hier erscheint trotz des Wortlauts des Testaments vom 6. Dezember 2007 bereits nicht unzweifelhaft, ob die Erbeinsetzungen wirklich wechselbezügliche Verfügungen darstellen. Das Schriftstück wurde von der Erblasserin, die jedenfalls keine juristische Ausbildung absolviert hatte, errichtet.

Ob sie mit dem in der Tat besonders rechtstechnischen Begriff der Wechselbezüglichkeit zutreffende Vorstellungen, und zwar nicht nur hinsichtlich der Bindungswirkung nach § 2271 Abs. 2 Satz 1 BGB, sondern auch bezüglich der Nichtigkeitsfolge gemäß § 2270 Abs. 1 BGB, verband, muss als offen angesehen werden. In vorangegangenen letztwilligen Verfügungen tauchte jener Begriff nicht auf.

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Sollte ihr Ehemann testierunfähig gewesen sein, dürfte er Ende 2007 kaum noch über die für die Vermittlung zutreffender Vorstellungen bei der Erblasserin erforderlichen Fähigkeiten verfügt haben. Dass die Erblasserin anlässlich einer wenige Tage zuvor erfolgten notariellen Beurkundung einschlägige Aufklärung erfuhr, ist spekulativ, zumal selbst notarielle Belehrungen die Bindungswirkung in den Vordergrund zu rücken pflegen.

Letztlich können die aufgeworfenen Fragen indes unentschieden bleiben und kann zugunsten der Beteiligten zu 1. von einer Wechselbezüglichkeit ausgegangen werden. Selbst dann ist eine Umdeutung in ein Einzeltestament der Erblasserin hier geboten.

Dem steht – wie gezeigt – weder eine etwa noch vorhandene Rechtskenntnis zumindest des Ehemannes, noch der Umstand der ausdrücklichen Festlegung der Korrespektivität von vornherein entgegen. Ebenso wenig ist die Erwägung der Beteiligten zu 1. tragfähig, das insgesamt vorhandene Vermögen habe überwiegend vom vorverstorbenen Ehemann gestammt.

Denn diese geht daran vorbei, dass es sich bei den Erben nach der Erblasserin der Sache nach um Schlusserben handelt und diesen mithin der ununterschiedene Nachlass beider Ehegatten anfällt; dass es zu einer derartigen Vermengung der Vermögensmassen kommen würde, war aber bereits aufgrund der beiden Testamente von 1998 sichergestellt.

Aus demselben Grunde war es für die Erblasserin auch praktisch belanglos, ob die Verfügung ihres Ehemannes zu ihrer Berufung als dessen Alleinerbin im Testament von 2007 wirksam war oder nicht.

Ferner trägt die Beteiligte zu 1. im Schriftsatz vom 30. Juli 2015 vor, es dürfe davon ausgegangen werden, dass die Erblasserin gewusst habe oder zumindest habe wissen müssen, dass ihre Verfügung – zu ergänzen: infolge der Testierunfähigkeit ihres Ehemannes – unwirksam sein könnte, weil sie es schließlich gewesen sei, die schon im Jahre 2004 bei dem Hausarzt einen Demenztest betreffend ihren Ehemann initiiert habe.

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Damit aber wäre zugleich gesagt, dass die Erblasserin bei Errichtung des Schriftstücks 2007 mit einer Unwirksamkeit der Verfügungen ihres Ehemannes infolge Testierunfähigkeit zumindest gerechnet und gleichwohl die letztwillige Verfügung niedergelegt hätte.

Dies spräche allerdings als besonders starker Anhaltspunkt für eine Umdeutung (für einen derartigen Fall ausdrücklich: Reymann a.a.O., Rdnr. 24). Denn dann wäre die Testierung vorsorglich erfolgt, was wiederum ausschlaggebend dafür spräche, dass die Erblasserin, sozusagen als Minimum, jedenfalls ihre eigenen Verfügungen als wirksam aufrecht erhalten sehen wollte.

Aber auch unabhängig von der vorstehend behandelten Äußerung der Beteiligten zu 1. ist das Ergebnis kein anderes. Wie bereits angesprochen, kommt es wegen der Existenz der Testamente von 1998 letztlich nur auf die Einsetzung der Beteiligten zu 2. und 3. als Miterben nach dem Längstlebenden an. Nach dem gesamten Akteninhalt liegt fern, dass die Erblasserin oder auch ihr Ehemann als diesbezügliche Erben jemals andere Personen als ihre gemeinsamen Kinder in Betracht zogen.

Dann jedoch stellt die Berufung der Beteiligten zu 2. und 3. zu alleinigen Miterben im Kern nichts anderes als die denklogische Kehrseite der Enterbung der Beteiligten zu 1. dar. Nach § 2270 Abs. 3 BGB können aber nur Erbeinsetzungen, Vermächtnisse und Auflagen mit wechselbezüglicher Wirkung getroffen werden, nicht hingegen Enterbungen (BayOLG NJW-RR 1992, 1356 f.).

Damit ist zugleich gesagt, dass sich bei lediglich anderer Formulierung des gemeinschaftlichen Testamentes die Frage einer Wechselbezüglichkeit gar nicht gestellt und eine Umdeutung in ein Einzeltestament von vornherein nicht problematisch gewesen wäre; von derartigen bloßen Zufälligkeiten der Formulierung kann indes das Ergebnis der Umdeutung nicht abhängen.

Entscheidend tritt nun hinzu, dass nach dem gesamten Inhalt der Nachlassakten, insbesondere auch aufgrund des eigenen Vorbringens der Beteiligten zu 1., davon ausgegangen werden muss, dass es der Erblasserin im Jahre 2007 darauf ankam, die Beteiligte zu 1. vom Erbgang gerade auch nach ihr (der Erblasserin) als Längstlebender auszuschließen, und kein Grund für die Annahme besteht, dass dieses Ziel aus Sicht der Erblasserin obsolet geworden wäre, falls die Anordnungen ihres Mannes für den Fall seines Letztversterbens wegen Unwirksamkeit nicht zum Tragen kämen.

Die Beteiligte zu 1. trägt selbst vor, gerade ihre Mutter (“Eingriff in ihre Domaine”; in der “Eidesstattlichen Versicherung”: “Meine Sorge um das Wohlergehen der Eltern hat mir meine Mutter sehr verübelt, weil sie dies als einen Eingriff in ihre Kompetenzen betrachtet hat.”) sei mit dem Verhalten der Beteiligten zu 1., vor allem der Einschaltung eines ambulanten Pflegedienstes sowie eines gerichtlich bestellten Sachverständigen im Rahmen eines Betreuungsverfahrens, unzufrieden gewesen.

In der Tat spricht alles dafür, dass eine Distanzierung der Eltern von der Beteiligten zu 1. mindestens ein mit ausschlaggebender Grund für das Testament von 2007 war.

Denn (wie gleichfalls bereits gezeigt) hätten die Eltern ihre drei Kinder nach dem Tode des Längstlebenden gleichmäßig bedacht wissen wollen, hätte dieses Ergebnis der gesetzlichen Erbfolge entsprochen und insofern – da die Erbfolge nach dem Erstversterbenden ohnehin geregelt war – überhaupt kein Handlungsbedarf bestanden.

Die jedenfalls ganz im Vordergrund stehende Bedeutung des Testaments von 2007 lag darin, dass einem der Kinder, eben der Beteiligten zu 1., der Erbteil entzogen wurde. So scheint das im Übrigen auch die Rechtsmittelführerin selbst zu sehen, wenn sie in ihren Schriftsätzen die Enterbung mehrfach betont.

2.

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Auch zur Überzeugung des Senats steht nicht fest, dass die Erblasserin bei Errichtung ihrer letztwilligen Verfügung testierunfähig war.

a)Gemäß § 2229 Abs. 4 BGB ist testierunfähig, wer wegen krankhafter Störungen der Geistestätigkeit, wegen Geistesschwäche oder wegen Bewusstseinsstörungen nicht in der Lage ist, die Bedeutung der von ihm abgegebenen Willenserklärungen einzusehen und nach dieser Einsicht zu handeln.

Das Gesetz verbindet danach nicht mit jeder Geisteskrankheit oder -schwäche die Testierunfähigkeit, sondern sieht die Fähigkeit des Erblassers, die Bedeutung der letztwilligen Verfügung zu erkennen und sich bei seiner Entscheidung von normalen Erwägungen leiten zu lassen, als maßgebend an. Eine geistige Erkrankung des Erblassers steht der Gültigkeit seiner letztwilligen Verfügung nicht entgegen, wenn diese von der Erkrankung nicht beeinflusst ist.

Entscheidend ist, ob die psychischen Funktionen des Urteilens und des kritischen Stellungnehmens durch die Geisteskrankheit oder -schwäche so sehr beeinträchtigt sind, dass der Erblasser nicht mehr fähig ist, die Bedeutung seiner letztwilligen Verfügung einzusehen und nach dieser Einsicht zu handeln, ob krankhafte Empfindungen und Vorstellungen die Bestimmbarkeit des Willens durch normale, vernünftige Erwägungen aufgehoben haben (BayObLG ZEV 2005, 345 ff.; Senat in ständiger Rechtsprechung, beispielsweise Beschluss vom 15. Juni 2015 in Sachen I-3 Wx 103/14). Im Einzelnen setzt die Testierfähigkeit unter anderem die Vorstellung des Testierenden voraus, dass er ein Testament errichtet und welchen Inhalt die darin enthaltenen Anordnungen aufweisen.

Er muss in der Lage sein, sich ein Urteil darüber zu bilden, welche Tragweite seine Verfügungen haben, insbesondere welche Wirkungen sie auf die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse der Betroffenen ausüben; das gilt auch für die Gründe, die für und gegen die sittliche Berechtigung der Anordnungen sprechen (Senat, Beschluss vom 24. Januar 2013 in Sachen I-3 Wx 2/11 und öfter).

Die Klärung der im wesentlichen auf dem Gebiet des Tatsächlichen angesiedelten Frage, ob die Voraussetzungen der Testierunfähigkeit bei einem Erblasser zur Zeit der Errichtung einer letztwilligen Verfügung gegeben waren, verlangt vom Gericht, die konkreten auffälligen Verhaltensweisen des Erblassers aufzuklären, sodann Klarheit über den medizinischen Befund zu schaffen und anschließend die hieraus zu ziehenden Schlüsse zu prüfen.

Bestehen dann weiter Zweifel an der Testierfähigkeit, sind diese regelmäßig durch das Gutachten eines psychiatrischen oder nervenärztlichen Sachverständigen zu klären, wobei der Sachverständige anhand von Anknüpfungstatsachen nicht nur den medizinischen Befund festzustellen, sondern vor allem dessen Auswirkungen auf die Einsichts- und Willensbildungsfähigkeit des Erblassers zu klären hat (gleichfalls ständige Rechtsprechung des Senats, vgl. I-3 Wx 103/14 m.w.Nachw.).

b)

Nach diesen Grundsätzen kann im gegebenen Fall eine Testierunfähigkeit der Erblasserin Anfang Dezember 2007 nicht festgestellt werden.

aa)Die zu diesem Ergebnis führenden Ausführungen des gerichtlich bestellten Sachverständigen Dr. G. in seinem Gutachten vom 19. Juli 2011 und dessen Ergänzung vom 17. Januar 2012 sind überzeugungskräftig.

(1)

Der Sachverständige ist von einem zutreffenden Verständnis der Testier(un)fähigkeit ausgegangen. Soweit sich das Nachlassgericht hierfür auf seine aus der mündlichen Anhörung des Sachverständigen gewonnene Überzeugung berufen hat, sind Bedenken gegen diese Beurteilung nicht zutage getreten. Allerdings ergibt sich dasselbe im wesentlichen schon aus dem Inhalt des Hauptgutachtens, namentlich aus S. 17 f., 15 und 19.

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Insbesondere hat er sich nicht allein mit dem medizinischen Befund beschäftigt, sondern eingehend, durch Behandlung zahlreicher Aspekte, auch dessen Auswirkungen auf die Einsichts- und Willensbildungsfähigkeit der Erblasserin in den Blick genommen; das folgt aus S. 14 unten bis S. 20 des Hauptgutachtens eindeutig.

Im Ergebnis ist der Sachverständige mit hoher Wahrscheinlichkeit von einer beginnenden Demenz (Demenz leichten Grades) der Erblasserin – gemäß Ergänzungsgutachten bezüglich Alzheimerscher Erkrankung oder Multiinfarktdemenz unklarer Genese – und auch davon ausgegangen, dass kognitive Störungen im maßgeblichen Zeitraum aufgetreten seien, jedoch zu dem Resultat gelangt, es sei nicht ausreichend ersichtlich, dass diese eine Schwere angenommen gehabt hätten, dass sich die Erblasserin den für ihre Entscheidungsfindung erforderlichen Sachverhalt nicht mehr hätte vergegenwärtigen können.

(2)Das Vorbringen der Beteiligten zu 1., namentlich zum tatsächlichen Verhalten der Erblasserin, hat der Sachverständige hinreichend berücksichtigt. Hierbei hat er, wie geboten, aber anders als bei dem immer wieder zum Ausdruck gebrachten Standpunkt der Beteiligten zu 1., zwischen der von ihm zu klärenden Frage und einer Pflegebedürftigkeit oder Gebrechlichkeit der Erblasserin unterschieden.

Das CT des Schädels aus dem Jahre 2000, das “beginnende Zeichen einer Hirninvolution” zeigte, ist bereits im Hauptgutachten berücksichtigt worden, ebenso der Arztbrief von Prof. Dr. S. vom 2. Mai 2001. Eine nach dem Vorbringen der Beteiligten zu 1. eingetretene Abmagerung mag – wie in der Rechtsmittelbegründung hervorgehoben – ein mögliches Anzeichen für eine Demenz sein, entscheidend ist hier indes die weitergehende Frage der Testierfähigkeit.

Ferner hat der Sachverständige im Ergänzungsgutachten deutlich herausgearbeitet, dass für die Jahre 2002 bis 2007 keine Dokumentation eines als solchen zu bezeichnenden Krankheitsverlaufs existiere und die Einnahme des Medikaments Tebonin schon die Diagnose einer Demenz nicht rechtfertige, erst recht nichts über die Intensität des dementiellen Syndroms aussage.

Auch seien, so der Sachverständige weiter, tragfähige Rückschlüsse aus Einzelheiten der Alltagsbewältigung – insbesondere der Medikamenteneinnahme, welche Erwägungen indes (vom Sachverständigen nicht gesondert thematisiert) ohne weiteres auf die Führung des Haushalts und die Instandhaltung des Hauses übertragbar sind – auf die Testierfähigkeit nicht mit der von der Beteiligten zu 1. gewünschten Stringenz möglich.

Dies steht im übrigen in Übereinstimmung mit der Äußerung des Zeugen Dr. M. zum Verhältnis von alltäglichen Angelegenheiten und einer Testamentsänderung im Termin vor dem Nachlassgericht vom 22. November 2013.

Darüber hinaus hat der Sachverständige aufgezeigt, dass Zerwürfnisse innerhalb der Familie zwar Auswirkungen auf die Sichtweisen der Erblasserin zur Folge gehabt haben mögen, aber nicht zwangsläufig gleichbedeutend seien mit Einschränkungen ihrer Willensfreiheit bei Entscheidungen.

Seinen ursprünglichen Fehler bei der Würdigung des Vorfalls mit dem Schornsteinfeger Anfang 2007 hat der Sachverständige im Ergänzungsgutachten, und zwar mit mindestens plausiblen Erwägungen, korrigiert.

Was die Bewältigung von Zahlungsverkehr und Korrespondenz anbelangt, legt die Beteiligte zu 1. selbst dar, diese sei dem Ehemann überantwortet gewesen, die Erblasserin habe finanziellen Belangen zeitlebens distanziert gegenüber gestanden.

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Schon deshalb ist nicht erkennbar, weshalb diesbezügliche Defizite in erster Linie oder ins Gewicht fallend der Erblasserin “vorgehalten” werden sollten. Dass sie nach den Darlegungen der Beteiligten zu 1. den Überblick über ihre Vermögensverhältnisse verloren hatte, spricht für sich genommen möglicherweise für einen Betreuungsbedarf im Sinne des § 1896 BGB, nicht aber schon für Geschäfts- oder Testierunfähigkeit.

Ein Grund, hinsichtlich des Inventars der Krayer Mühle von dieser Beurteilung abzuweichen, ist nicht erkennbar. Schließlich folgt aus dem Umstand, dass sich die Eheleute durch Mitarbeiter eines Kreditinstituts telefonisch dazu überreden ließen, deutlich risikobehaftete Wertpapiere zu erwerben, für die Frage der Testierfähigkeit nichts; Derartiges widerfährt auch Geschäftsfähigen (Testierfähigen) häufig.

Mit dem Komplex der Haushaltshilfen hat sich der Sachverständige zu Recht nicht näher befasst. Bereits den Schilderungen der Beteiligten zu 1. lässt sich letztlich nicht mehr entnehmen, als dass die Erblasserin sich 2007 der Weiterbeschäftigung einer langjährigen Putzhilfe sowie der Einstellung neuer Hilfen nachdrücklich widersetzte.

Selbst wenn sie dabei zu vorgeschobenen Begründungen gegriffen und dem eine fehlende Einsicht in ihre beginnende Demenz zugrunde gelegen haben sollte, schlägt sich darin allenfalls nieder, was der Sachverständige in seinem Hauptgutachten ausgeführt hat, dass es nämlich bei beginnender Demenz zu einer gewissen krankheitsbedingten Starrheit von Meinungen kommen kann (ohne dass der Sachverständige daraus den Schluss der Testierunfähigkeit gezogen hätte).

In diesem Rahmen kann auch nicht unberücksichtigt bleiben, dass sich sogar einem unbeteiligten Dritten der erste Eindruck aufdrängt, die Erblasserin habe über ein ausgeprägtes Beharrungsvermögen verfügt, wenn man bedenkt, dass sie, obgleich unstreitig von Ausbildung und intellektueller Regsamkeit zu Anderem in der Lage, ersichtlich bis zu ihrem Lebensende die deutsche Schreibschrift beibehielt.

Darüber hinaus hat die Beteiligte zu 1. die detaillierte Entgegnung der Beteiligten zu 3. im Schreiben vom 21. November 2010, wonach es lediglich bei einer einzigen neu eingestellten Hilfe unüberbrückbare Schwierigkeiten, und dies aus nachvollziehbarem Grund, gegeben habe, nicht entkräftet.

Mit der erwähnten krankheitsbedingten Starrheit von Meinungen ohne weiteres in Übereinstimmung zu bringen sind auch die von der Beteiligten zu 1. berichteten Äußerungen der Erblasserin anlässlich einer Begutachtung für die Pflegeversicherung, insbesondere zu Krankenhausaufenthalten ihres Ehemannes.

(3)

Umstände, die zu Zweifeln an den Feststellungen des Sachverständigen führen könnten, sind nicht ersichtlich.

Der Inhalt des gemeinschaftlichen Testaments veranlasst solche Zweifel nicht. Nur in einem streng wörtlichen Sinne war es – dann jedoch bezüglich aller drei Kinder – unzutreffend, dass sie den Pflichtteil schon “bekommen” hätten. Indes kann diese Formulierung zwanglos in dem von Erblassern allgemein und auch im Falle einer Vertrautheit mit juristischen Gedankengängen bei – wie hier – pauschalierendverkürzter Formulierung nicht selten verwendeten Sinne verstanden werden, die genannten Personen hätten lebzeitig Vermögenswerte erhalten, die den Betrag ihres Pflichtteilsanspruchs erreichten.

Was die “Krayer Mühle” anbelangt, lässt sich dem Testament, bei Licht betrachtet, im Hinblick auf die Erblasserin lediglich eine Einstellungsänderung entnehmen, ohne dass die Anordnung aus dem Jahre 2007 als solche zugleich Anhaltspunkte für die Krankhaftigkeit dieser Änderung erkennen ließe.

Nach den eigenen Darlegungen der Beteiligten zu 1. enthielt bereits eine schriftliche Vereinbarung zwischen dieser und ihren Eltern vom 4. August 1997 die Regelung, dass die Beteiligte zu 1. nach dem Tode beider Elternteile den Beteiligten zu 2. und 3. je 35.000 DM – sofern liquide vorhanden – als Ausgleich für die Übertragung des Grundbesitzes auf die Beteiligte zu 1. zahlen sollte.

Dann besagt das jetzige Testament bei wirtschaftlicher Betrachtung nichts anderes, als das die Erblasserin jenen Ausgleich nunmehr für unzulänglich erachtete und den Beteiligten zu 2. und 3. insoweit noch ein 1/6 des Nachlasses – nämlich die Differenz zwischen einem Miterbenanteil der Beteiligten zu 1. von 1/3 und deren Pflichtteil – zukommen lassen wollte.

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Daran war die Erblasserin rechtlich gesehen auch keineswegs gehindert. Selbst wenn dem notariell beurkundeten Übertragungsvertrag vom 8. September 1995 zur dortigen Ziffer II. (erster Absatz), wie tatsächlich nicht, erbvertragliche Bindungsbindung (§ 2289 Abs. 1 Satz 2 BGB) zukäme, träfe diese nur den allein am Übertragungsvertrag beteiligten vorverstorbenen Ehemann.

Des weiteren lässt sich schon angesichts der Größe des Grundbesitzes und dessen im Hinblick auf eine Nutzung als Wochenend- und Feriendomizil besonders günstige Lage in einem Landschaftsschutzgebiet nicht sagen, die jetzt von der Erblasserin bei wirtschaftlicher Sicht vorgesehene weitere Zuwendung von je 1/12 des Nachlasses an die Beteiligten zu 2. und 3. – mithin bei einem etwaigen Nachlassreinwert von 300.000 € je 25.000 € – stehe erkennbar außer jedem Verhältnis zum Wert der Immobilie.

Insgesamt wirkt sich im vorliegenden Zusammenhang letztlich aus, dass sich die Beteiligte zu 1. die Anordnungen im Testament von 2007 nur damit erklären kann, dass die Erblasserin und ihr Ehemann frühere Vereinbarungen vollständig vergessen oder zumindest den Überblick über diese verloren hätten, nicht hingegen mit einem bewussten Abweichen der Eltern von bisherigen Standpunkten; diese Sichtweise indes beruht, wie in allen Schriftsätzen der Beteiligten zu 1. deutlich zum Ausdruck kommt, auf ihren rein persönlichen Wertungen, namentlich hinsichtlich ihrer persönlichen Beziehung zu den Eltern auch in deren letzten Jahren sowie zur Wirkung ihres Verhaltens auf die Eltern.

Auch wenn man davon ausgeht, dass die hausärztliche Äußerung vom 26. November 2007, bei der Erblasserin bestünden keinerlei Einschränkungen der kognitiven Gehirnfunktionen und der Urteilsfähigkeit, beschönigend war, folgt hieraus noch nichts für den tatsächlichen Grad der Demenz, insbesondere nicht, dass bei der Erblasserin eine gravierendere Störung als – nur – eine beginnende Demenz vorlag.

Soweit der Sachverständige jenem Attest des Hausarztes und dessen weiterem Testat vom 23. August 2010 im Ergänzungsgutachten “großes Gewicht” beigemessen hat, mag diese Äußerung bei isolierter Betrachtung bedenklich erscheinen, relativiert sich in ihrer Bedeutung allerdings dadurch stark, dass der Sachverständige an den ausschlaggebenden Feststellungen in seinen schriftlichen Begutachtungen auch in Kenntnis der deutlich einschränkenden Erklärungen des Hausarztes im Termin vor dem Nachlassgericht vom 22. November 2013 festgehalten hat.

Vorfälle aus dem Frühjahr 2009 und erst recht aus Februar 2010, zu dem sich die schriftlichen Äußerungen von H. S. und J. K. verhalten, besagen für das Jahr 2007 nichts.

Die von der Beteiligten zu 1. zur Akte gereichte Erklärung ihrer Eltern vom 7. August 2007, gerichtet auf Aufhebung des Nießbrauchs zu deren Gunsten an der Immobilie Krayer Mühle, spricht jedenfalls nicht dafür, dass die Beteiligte zu 1. selbst zu diesem Zeitpunkt von deren Geschäftsunfähigkeit ausging.

Darüber hinaus legt es ihr Vorbringen im hiesigen Verfahren – besonders deutlich in der Beschwerdebegründung – nahe, dass sie selbst der Meinung ist, die Erblasserin habe bei der gutachterlichen Exploration des Ehemannes am 19. Dezember 2007 die an diesen gerichteten Fragen zutreffend beantworten können (die Erblasserin habe “vorzusagen” versucht, weil der Erblasser jene Fragen nicht mehr habe beantworten können); auch diese Darstellung streitet eher gegen als für eine Testierunfähigkeit.

Nichts anderes gilt für das Vorbringen der Beteiligten zu 1. im Schriftsatz vom 30. Januar 2014, im Sommer 2007 habe der Hausarzt das Ergebnis der Blutuntersuchung bezüglich des Ehemannes mit der Erblasserin besprochen, weil er nur dieser noch ein vernünftiges Gespräch über ein Blutbild zugetraut habe, was wiederum mit der Äußerung der Beteiligten zu 1. in einem Schreiben an die Hausarztpraxis vom 7. Oktober 2007 korrespondiert, wonach ihre Mutter “bis vor kurzem” für ihren Vater wie für sich selbst “die Medikamente sehr sorgfältig und regelmäßig verabreicht” habe (was indessen nun nicht mehr der Fall sei).

(4)

Der Gesichtspunkt der Beweisvereitelung kann dem Rechtsmittel nicht zum Erfolg verhelfen.

Selbst wenn die Erblasserin und nicht ihr Ehemann Betroffene des Betreuungsverfahrens gewesen wäre, wäre sie nicht gehalten gewesen – sei es in Person, sei es durch das Verhalten von Personen ihres Vertrauens -, auf eine umfassende Rechtsverteidigung im dortigen Verfahren, namentlich durch die Verweigerung von Mitwirkungshandlungen, zu verzichten, nur um, in Form sachverständiger Äußerungen, einem Erbprätendenten in einem etwaigen Erbscheinsverfahren Tatsachen zur Unterstützung seines Rechtsstandpunktes zu liefern.

bb)

Mehrere letztwillige Verfügungen – Frage der Testierunfähigkeit – OLG Düsseldorf I-3 Wx 40/14

Bei dieser Lage ist jedenfalls in Bezug auf die Person der Erblasserin, auf die es – wie gezeigt – allein ankommt, nicht ersichtlich, welche weiteren Erkenntnisse eine Einvernahme der Pflegekräfte vermitteln könnte.

Diese haben die Erblasserin lediglich als Ehepartner der von ihnen zu pflegenden Person, nämlich des Ehemannes, erlebt.

Die Rechtsmittelbegründung selbst regt nur an, die Pflegekräfte und deren Leiterin dazu zu hören, ob die Erblasserin mit der Organisation der Pflege ihres Mannes überfordert gewesen und ob sie krankheitseinsichtig gewesen sei; auch dann, wenn die erste Frage bejaht, die zweite verneint würde, spräche dies nicht ausschlaggebend für eine Testierunfähigkeit.

Nichts anderes gilt im Hinblick auf die Haushaltshilfe(n), dies zumal die Beteiligte zu 1. selbst betont, mit welcher Selbständigkeit die Erblasserin ihnen gegenüber aufgetreten sei.

cc)

Ihr Vorbringen, die Erblasserin habe in Bezug auf ihre (der Beteiligten zu 1.) Person an wahnhaften Bedrohungsvorstellungen gelitten, zu dem bereits das Nachlassgericht das Erforderliche gesagt hat, greift die Beteiligte zu 1. mit der Rechtsmittelbegründung nicht mehr auf. Soweit sie nunmehr mit Schriftsatz vom 19. Januar 2016 dem Schreiben des Beteiligten zu 2. vom 17. Januar 2008, mit dessen Inhalt sich die Erblasserin und ihr Ehemann unterschriftlich einverstanden erklärt hatten, wahnhafte Beschuldigungen entnehmen will, erscheint dies nicht mehr nachvollziehbar.

3.

Schließlich ist in den zu erteilenden Erbschein kein Testamentsvollstreckervermerk aufzunehmen.

Gemäß § 2258 Abs. 1 BGB wird durch die Errichtung eines Testaments ein früheres Testament insoweit aufgehoben, als das spätere Testament mit dem früheren in Widerspruch steht. Ein derartiger Widerspruch liegt vor, wenn mehrere letztwillige Verfügungen sachlich nicht miteinander vereinbar sind, die getroffenen Anordnungen sich also gegenseitig ausschließen.

Allerdings kann einerseits auch im Weglassen einer früheren Verfügung ein Widerspruch liegen, andererseits selbst bei einer sachlichen Vereinbarkeit mehrerer Verfügungen ein Widerspruch gegeben sein, wenn nämlich nach dem durch Auslegung zu ermittelnden Willen des Erblassers die spätere Verfügung allein und ausschließlich gelten soll, weil der Erblasser mit ihr die Erbfolge abschließend regeln wollte, wobei es bei alledem nicht darauf ankommt, ob er an seine frühere Verfügung überhaupt noch gedacht hat

(statt aller: Palandt-Weidlich a.a.O., § 2258 Rdnr. 2; MK-Hagena a.a.O., § 2258 Rdnr. 4; Staudinger-Baumann, BGB, Neubearb. 2012, § 2258 Rdnr. 12-17; jeweils m.w.Nachw.).

Hier enthält das Testament der Erblasserin vom 13. April 1998 in der Fassung des gemeinschaftlichen Änderungstestaments vom 25. März 2001 die Ernennung der Beteiligten zu 1. zur Testamentsvollstreckerin für den Erbgang nach dem Tode des Längstlebenden (wenngleich mit eng begrenztem Aufgabenkreis).

Im Testament vom 6. Dezember 2007 werden die letztwilligen Verfügungen von 1998 und 2001 zwar nicht ausdrücklich widerrufen – vgl. §§ 2253 f BGB -, jedoch wird dem Wortlaut dieses Testaments nach weder ein Testamentsvollstrecker ernannt, noch auch nur eine Testamentsvollstreckung als solche angeordnet, und es findet sich auch keine Andeutung für den Willen der Testierenden, dahingehende Regelungen zu treffen.

Mehrere letztwillige Verfügungen – Frage der Testierunfähigkeit – OLG Düsseldorf I-3 Wx 40/14

Außerdem beschränkt sich die Neufassung nicht auf die bloße Nichterwähnung des Gesichtspunktes der Testamentsvollstreckung, vielmehr wurde der Kreis der Miterben geändert. Angesichts dessen spricht bereits vieles dafür, dass zwischen den Verfügungen von 1998/ 2001 und 2007 ein Widerspruch durch Weglassen vorliegt, was dazu führt, dass die Ernennung der Testamentsvollstreckerin im früheren Testament aufgehoben ist.

Selbst wenn man aber davon ausgeht, dass die Ernennung der Testamentsvollstreckerin mit den Erbeinsetzungen im Testament von 2007 sachlich vereinbar sei, sollte jedenfalls mit der letztgenannten Verfügung von Todes wegen der Erbfall auch nach dem Längstlebenden abschließend und umfassend geregelt werden.

Denn zum einen war eine Testamentsvollstreckung mit dem alleinigen Aufgabenkreis der Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft (“Aufteilung” des noch vorhandenen Vermögens zwischen den drei Geschwistern) nur dann sinnvoll, wenn in dieser Hinsicht von den Erblassern ohne Testamentsvollstrecker Schwierigkeiten befürchtet wurden; dies lag aber nur bei Beteiligung aller drei Kinder an der Erbengemeinschaft nahe, nicht hingegen dann, wenn nur die Beteiligten zu 2. und 3. zu Miterben berufen waren.

Zum anderen kann ohne konkrete dahingehende, aber fehlende, Anhaltspunkte nicht angenommen werden, gerade derjenigen Tochter, die nicht mehr zur Miterbin berufen wurde, habe die mit dem Amt als Testamentsvollstreckerin verbundene Verfügungsbefugnis über den Nachlass des Längstlebenden zustehen sollen.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 FamFG. Nach dieser Vorschrift soll das Gericht die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels demjenigen Beteiligten auferlegen, der es eingelegt hat. Für einen Ausnahmefall ist hier nichts ersichtlich. Namentlich ist der ursprünglich anberaumte Termin vor dem Senat, bezüglich dessen eine abweichende Kostenentscheidung veranlasst gewesen wäre, nicht durchgeführt worden.

Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Rechtsbeschwerde gemäß § 70 Abs. 2 Satz 1 FamFG liegen nicht vor. Die entscheidungstragenden Erwägungen des Senats zur Frage der Testierfähigkeit gehen von anerkannten Grundsätzen aus und sind im übrigen allein auf den gegebenen Einzelfall bezogen. Aber auch mit seinem Standpunkt zur Umdeutung der letztwilligen Verfügung vom 6. Dezember 2007 in ein Einzeltestament der Erblasserin hält sich der Senat im Rahmen der heute in der obergerichtlichen Rechtsprechung und im Schrifttum ganz überwiegend vertretenen Auffassung.

Die Wertfestsetzung findet ihre Grundlage in §§ 61 Abs. 1 Satz 1, 40 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und Satz 2 GNotKG. Dabei ist der Senat im Kosteninteresse der Beteiligten bei der Bemessung des Nachlassreinwertes im Wege der Schätzung (vgl. § 36 Abs. 1 GNotKG) von den im Schriftsatz des Beteiligten zu 2. vom 14. September 2015 genannten Beträgen ausgegangen, obgleich die Beteiligte zu 1. höhere behauptet.

Das nach der jetzigen Rechtsprechung des Senats (Beschluss vom 22. Januar 2016 in Sachen I-3 Wx 20/15 mit näherer Begründung) sodann maßgebliche, mit dem Rechtsmittel verfolgte wirtschaftliche Interesse der Beschwerdeführerin beläuft sich auf 1/6 des Nachlasses, nämlich auf die Differenz zwischen dem von ihr beanspruchten Miterbenanteil von 1/3 und ihrem Pflichtteil nach der Erblasserin von 1/6.

Mehrere letztwillige Verfügungen – Frage der Testierunfähigkeit – OLG Düsseldorf I-3 Wx 40/14

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Die auf dieser Homepage wiedergegebenen Gerichtsentscheidungen bilden einen kleinen Ausschnitt der Rechtsentwicklung über mehrere Jahrzehnte ab. Nicht jedes Urteil muss daher zwangsläufig die aktuelle Rechtslage wiedergeben.

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Das Recht entwickelt sich ständig weiter. Stetige Aktualität kann daher nicht gewährleistet werden.

Die schlichte Wiedergabe dieser Entscheidungen vermag daher eine fundierte juristische Beratung keinesfalls zu ersetzen.

Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.

Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.

Es soll auch nicht der falsche Anschein erweckt werden, als seien die veröffentlichten Urteile von der Kanzlei Krau erzielt worden. Das ist in aller Regel nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um einen allgemeinen Auszug aus dem deutschen Rechtsleben zur Information der Rechtssuchenden.

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