OLG Frankfurt am Main, 11.04.2014 – 19 U 25/13

April 17, 2019

OLG Frankfurt am Main, 11.04.2014 – 19 U 25/13
Tenor:

Auf die Berufung des Klägers wird das am 20.12.2012 verkündete Urteil der 23. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt am Main abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Im Verhältnis zur Beklagten zu 2) wird festgestellt, dass der Kläger Testamentsvollstrecker hinsichtlich des Nachlasses des am ….10.2010 verstorbenen A1 geworden ist.

Die Gerichtskosten erster und zweiter Instanz und die außergerichtlichen Kosten des Klägers aus beiden Instanzen tragen die Beklagten zu 1) und 2) je zur Hälfte. Darüber hinaus tragen die Beklagten zu 1) und 2) ihre außergerichtlichen Kosten aus beiden Instanzen jeweils selbst.

Das Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
1

I.

In diesem Rechtsstreit, der nach Aufhebung der Nachlasspflegschaft nunmehr mit der Erbin A2 als Beklagte zu 2) fortgesetzt wird, streiten die Parteien darüber, ob der Kläger durch letztwillige Verfügung des Erblassers A1 vom 28.08.2009 (Anl. K1 / Bl.6 ff. d.A.) und deren Ergänzung vom 23.11.2009 (Anl. K2) wirksam als Testamentsvollstrecker über dessen Nachlass eingesetzt worden ist.
2

Wegen Einzelheiten zum Sach- und Streitstand wird auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil verwiesen.
3

Das Landgericht hat die Klage wegen fehlenden Rechtsschutzinteresses als unzulässig abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass wegen der Eröffnung des Nachlassinsolvenzverfahrens und des zuvor angeordneten allgemeinen Verfügungsverbotes der Kläger weder Handlungen noch Verfügungen im Zusammenhang mit dem Nachlass wahrnehmen könne. Wegen weiterer Einzelheiten der Begründung wird auf die Entscheidungsgründe Bezug genommen.
4

Gegen das am 08.01.2013 zugestellte Urteil (Empfangsbekenntnis Bl. 715 d.A.) hat der Kläger am 28.01.2013 Berufung eingelegt (Bl. 724 d.A.) und sein Rechtsmittel nach Fristverlängerung bis zum 08.04.2013 (Bl. 735 d.A.) mit an diesem Tag per Fax eingegangenem Schriftsatz (Bl. 736 ff., 743 ff. d.A.) begründet.
5

Mit der Berufung verfolgt der Kläger seinen erstinstanzlichen Antrag weiter; hilfsweise begehrt er die Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Landgericht.
6

Die Berufung macht geltend, ein Rechtsschutzinteresse fehle nur, wenn ein Kläger mit seinem prozessualen Begehren unter keinen Umständen einen schutzwürdigen Vorteil erlangen könne. Das Landgericht habe übersehen, dass der Testamentsvollstrecker in dem Nachlassinsolvenzverfahren Beteiligter sei und dort seine verbliebenen Rechte wie das Recht zur Prüfung und zum Bestreiten zur Tabelle angemeldeter Forderungen geltend machen könne. Auch stehe dem Testamentsvollstrecker nach Aufhebung des Nachlassinsolvenzverfahrens die Verwaltungsbefugnis über den Nachlass zu. Im Übrigen komme dem Kläger hinsichtlich des Vorstandes der Beklagten zu 1) ein nicht in den Nachlass fallendes Bestimmungsrecht gem. § 6 Abs. 6 der Stiftungssatzung zu. Wegen des Inhalts dieser Bestimmung wird auf dessen Wiedergabe im Schriftsatz vom 18.03.2014 S.6 (Bl. 862 d.A.) verwiesen. Im Hinblick auf das mit letztwilliger Verfügung des Erblassers vom 23.11.2009 angeordnete Vermächtnis zugunsten der Beklagten zu 1) sei die Stiftungssatzung dahingehend auszulegen, dass auch in diesem Fall ein entsprechendes Bestimmungsrecht hinsichtlich des Stiftungsvorstandes bestehe. Jedenfalls habe der Kläger ein berechtigtes Interesse an dessen Klärung.
7

Schließlich stelle auch das Vergütungsinteresse des Klägers einen schutzwürdigen Vorteil dar und begründe ein Rechtsschutzbedürfnis.
8

Mit Schriftsatz vom 17.07.2013 hat der Kläger ein Sitzungsprotokoll des IV. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs vom 10.07.2013 vorgelegt, auf dessen Inhalt Bl. 788 ff. d.A. Bezug genommen wird und aus dem sich nach Vortrag des Klägers ergebe, dass die Anfechtung des Erbvertrages wirksam, die Witwe des Erblassers (jetzige Bekl. zu 2)) Alleinerbin geworden und damit auch seine Einsetzung als Testamentsvollstrecker ex tunc wirksam sei.
9

Mit Schriftsatz vom 27.09.2013 hat der Kläger einen Beschluss des Amtsgerichts Frankfurt am Main – Nachlassgericht – vom 19.07.2013 über die Aufhebung der Nachlasspflegschaft, begründet damit, dass nunmehr die Erben des Erblassers nicht mehr unbekannt seien, vorgelegt. Auf den Inhalt des Beschlusses (Bl. 812 d.A.) wird verwiesen. Insoweit macht der Kläger geltend, der Rechtsstreit sei mit der Erbin A2 fortzusetzen.
10

Mit weiterem Schriftsatz vom 18.03.2014 hat der Kläger schließlich das Urteil des Bundesgerichtshofs vom 10.07.2013 (Az.: IV ZR 224/12) in Kopie vorgelegt. Auf den Inhalt Entscheidung (Bl. 866 ff. d.A.) wird verwiesen.
11

In der mündlichen Verhandlung vom 28.03.2014 hat das Gericht einen Hinweis auf den möglichen Wegfall des Feststellungsinteresses erteilt. Wegen der Begründung im Einzelnen wird auf das Sitzungsprotokoll verwiesen. Daraufhin hat der Kläger den Rechtsstreit im Verhältnis zur Beklagten zu 1) für erledigt erklärt. Diese hat sich der Erledigungserklärung angeschlossen. Die Beklagte zu 2) hat den Klageanspruch anerkannt und der Kläger insoweit den Erlass eines Anerkenntnisurteils beantragt.
12

II.

Nachdem der Kläger und die Beklagte zu 1) in diesem Rechtsverhältnis übereinstimmend den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt haben, ist über die insoweit angefallenen Kosten unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes nach billigem Ermessen zu entscheiden (§ 91a Abs. 1 ZPO). Diese Entscheidung kann im Hinblick darauf, dass gleichzeitig über die Kosten im Verhältnis des Klägers zur Beklagten zu 2) durch Anerkenntnisurteil zu entscheiden ist und der Grundsatz der Einheitlichkeit der Kostenentscheidung gilt, nicht durch Beschluss, sondern nur durch Schlussurteil ergehen.
13

Danach hat die Beklagte zu 1) die im Verhältnis des Klägers zu ihr entstandenen Kosten zu tragen, da die Klage auf der Grundlage der vor Eintritt des erledigenden Ereignisses geltenden Rechtslage zulässig und begründet war.
14

Die Zulässigkeit der Klage scheitert nicht an einem fehlenden Rechtsschutzbedürfnis. Rechtsfehlerhaft hat das Landgericht im Hinblick auf das laufende und nach Auskunft der Parteien in der mündlichen Verhandlung nach wie vor bestehende Nachlassinsolvenzverfahren und das damit einhergehende allgemeine Verfügungsverbot die Unzulässigkeit der Klage mit einem fehlenden Rechtsschutzinteresse des Klägers begründet. Dieser Auffassung schließt sich der Senat nicht an.
15

Das Rechtsschutzbedürfnis fehlt bei objektiv sinnlosen Klagen, d.h. wenn der Kläger kein schutzwürdiges Interesse an dem begehrten Urteil haben kann. Dies kann aber nur unter ganz besonderen Umständen bejaht werden, denn grundsätzlich hat jeder Rechtsuchende einen öffentlich-rechtlichen Anspruch darauf, dass die Gerichte seinen Anspruch sachlich prüfen und bescheiden (Zöller/Greger, ZPO, 30. Aufl., vor § 253 Rn. 18 m.w.N.).
16

Nach diesen Maßstäben ist ein Rechtsschutzbedürfnis des Klägers an der begehrten Feststellung im Verhältnis zur Beklagten zu 1) zu bejahen.
17

Im Falle der Nachlassinsolvenz kann der Testamentsvollstrecker aufgrund des Prozessführungsrechts für Passivprozesse (§ 2213 BGB) neben den Erben eine Forderung im Prüfungstermin nach § 178 Abs. 1 InsO bestreiten. Nur das Bestreiten des Testamentsvollstreckers verhindert die Zwangsvollstreckung aus der Eintragung in die Tabelle gemäß § 201 Abs. 1 InsO. Zu dieser Vorgehensweise ist ein Testamentsvollstrecker bereits im Rahmen ordnungsgemäßer Verwaltung (§ 2205 BGB) verpflichtet. Deshalb ergibt sich bereits aus diesem Grund ein berechtigtes Bedürfnis an der begehrten Feststellung, weshalb es auf die von der Berufung zur Begründung des Rechtsschutzbedürfnisses weiter vorgebrachten Umstände, nämlich ein etwaiges Bestimmungsrecht des Klägers als Testamentsvollstreckers betreffend den Vorstand der Beklagten zu 1) gemäß § 6 Abs. 6 der Stiftungssatzung und ein eigenes Vergütungsinteresse des Klägers nicht mehr ankommt. Nur am Rande sei angemerkt, dass ein etwaiges Vergütungsinteresse als persönlicher Anspruch im Rahmen der hier erhobenen Amtsklage keine Rolle spielen dürfte. Im Übrigen folgt das Rechtsschutzinteresse des Klägers gerade auch der Beklagten zu 1) gegenüber aus der in der letztwilligen Verfügung des Erblassers vom 23.11.2009 enthaltenen Bestimmung, wonach der Kläger als Testamentsvollstrecker die Verwaltung des Nachlasses auch zu Gunsten der Beklagten zu 1) übernehmen und ihr dabei jährlich aus dem Nachlass Geldleistungen zu Verfügung stellen soll, die zur Erreichung (?) – die Kopie Anl. K2 ist hier nicht ganz vollständig – ihrer satzungsmäßigen Zwecke erforderlich sind.
18

Soweit es die in diesem Rechtsstreit weiter geltend gemachten Zulässigkeitsbedenken betrifft, sind diese aus den zutreffenden Gründen der angefochtenen Entscheidung nicht durchgreifend. Darüber hinaus war auch das besondere Interesse des Klägers an alsbaldiger Feststellung (§ 256 ZPO) gegeben. Denn die Beklagte zu 1) hat bis zur Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 10.07.2013 die Wirksamkeit der Bestimmung des Klägers als Testamentsvollstrecker in Abrede gestellt.
19

Auf der Grundlage des Streitstoffs vor Eintritt des erledigenden Ereignisses war die Klage auch begründet. Der Kläger hat seine Bestimmung zum Testamentsvollstrecker durch den Erblasser unter Hinweis auf dessen letztwillige Verfügungen vom 28.08.2009 (dort Ziff. II.) und vom 23.11.2009 (Ziff. IV.) schlüssig dargelegt. Die Beklagte zu 1) hat in beiden Instanzen stets darauf verwiesen, dass eine wirksame Bestimmung des Klägers zum Testamentsvollstrecker dann gegeben ist, wenn sie nicht Erbin geworden ist. Diese Voraussetzung ist gegeben. Der Erbprätendentstreit ist mittlerweile rechtskräftig zu Gunsten der Beklagten zu 2) entschieden worden. Denn der Bundesgerichtshof hat in seinem erwähnten Urteil bestätigt, dass die hiesige Beklagte zu 2) aufgrund letztwilliger Verfügung des Erblassers vom 07.08.2009 dessen Alleinerbin geworden ist. Damit ist genau die Voraussetzung gegeben, unter der auch die Beklagte zu 1) die Klage als begründet erachtet, ihr also nicht entgegentritt.
20

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus den §§ 91, 91a ZPO.
21

Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 708 Nr. 1 ZPO.
22

Die Revision war nicht nach § 543 Abs. 2 ZPO zuzulassen, weil die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts nicht erfordert.

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Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.

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Es soll auch nicht der falsche Anschein erweckt werden, als seien die veröffentlichten Urteile von der Kanzlei Krau erzielt worden. Das ist in aller Regel nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um einen allgemeinen Auszug aus dem deutschen Rechtsleben zur Information der Rechtssuchenden.

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