OLG Hamm 12 W 13/21

April 20, 2023

OLG Hamm 12 W 13/21 , Beschluss vom 12.11.2021 – Rückerstattung Spielverluste beim illegalen Online-Glücksspiel


Tenor
Auf die sofortige Beschwerde des Antragstellers vom 16.04.2021 wird der Beschluss des Landgerichts Bochum vom 10.03.2021, Aktenzeichen: I-6 O 369/20, abgeändert.

Dem Antragsteller wird ratenfreie Prozesskostenhilfe unter Beiordnung der Rechtsanwälte A, B und Kollegen, Z, bewilligt.

Im Hinblick auf die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse der antragstellenden Partei wird von der Anordnung einer ratenweisen Zahlung der Prozesskosten zunächst abgesehen. Sollten sich die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse ändern, kann dieser Beschluss gemäß § 120a Abs. 1 ZPO abgeändert werden.

Gründe

OLG Hamm 12 W 13/21
A.

Die Antragsgegnerin bietet Online-Glücksspiele von ihrem Firmensitz in X aus in Deutschland an. Der Antragsteller nahm vom 01.01.2017 bis zum 19.11.2019 an den von der Antragsgegnerin angebotenen Online-Casino-Glücksspielen “Y 01” und “Y 02 Casino” teil und erlitt hierbei letztlich Verluste in Höhe von insgesamt 292.841,72 €.

Mit der beabsichtigten Klage begehrt der Antragsteller die Rückzahlung seiner zwischen dem 01.01.2017 und dem 19.11.2019 erlittenen Verluste.

Er ist der Meinung, die Antragsgegnerin habe gegen ein Schutzgesetz i.S.v. § 823 Abs. 2 BGB verstoßen, indem sie illegales Online-Glücksspiel über ihre Websites in Deutschland ansässigen Spielern angeboten habe.

Auch folge ein Anspruch des Antragstellers aus § 812 Abs. 1 Satz 1 1. Alt. BGB, da der Spielvertrag aufgrund des Verbotes gem. § 4 Abs. 4 des Glückspielstaatsvertrages 2012 (in der Fassung vom 15.12.2011; im Folgenden: GlüStV a.F.) nichtig gem. § 134 BGB sei und die Zahlungen des Antragstellers an die Antragsgegnerin somit rechtsgrundlos erfolgt seien.

OLG Hamm 12 W 13/21

Die Antragsgegnerin ist der Auffassung, das angerufene Gericht sei bereits nicht zuständig.

Zudem meint sie, dass ein Rückzahlungsanspruch des Antragstellers nicht bestehe, da er ein legales Angebot in Anspruch genommen habe.

Die Bundesländer hätten sich bereits auf eine Neuregulierung des Glücksspiels im Online-Bereich verständigt. Mit dem neuen GlüStV 2021 würden viele Online-Glücksspiele erlaubt. Auch vor Inkrafttreten des neuen GlüStV 2021 entfalte dieser bereits eine Vorwirkung.

Das Fehlen einer behördlichen Erlaubnis führe ohnehin nicht zu einer Nichtigkeit gem. § 134 BGB. Zudem stünde Ansprüchen des Antragstellers jedenfalls § 817 Satz 2 BGB entgegen.

Ein deliktischer Anspruch scheitere daran, dass § 4 GlüStV keine Schutznorm i. S. v. § 823 Abs. 2 BGB darstelle. Auch ein Schaden bestehe nicht, da der Antragsteller für die erbrachten Spieleinsätze tatsächliche Gewinnchancen, Spielmöglichkeiten und Unterhaltung erhalten habe. Zudem stünde etwaigen Rückzahlungsansprüchen das Gebot von Treu und Glauben gem. § 242 BGB entgegen. Im Hinblick auf Ansprüche aus dem Jahr 2017 beruft die Antragsgegnerin sich auf die Einrede der Verjährung.

Das Landgericht hat den Antrag des Klägers auf Gewährung von Prozesskostenhilfe mit Beschluss vom 10.03.2021 zurückgewiesen.

Zur Begründung führt es aus, dem Antragsteller stehe zwar grundsätzlich ein Rückzahlungsanspruch zu, dessen Geltendmachung sei jedoch rechtsmissbräuchlich i.S.v. § 242 BGB.

Der Antragsteller habe über einen Zeitraum von fast drei Jahren auf den Homepages der Beklagten an dem angebotenen Online-Glücksspiel in dem Bewusstsein eines dem Glücksspiel immanenten Risikos des Verlustes aber auch des Gewinns teilgenommen. Das verlorene Geld nunmehr unter Berufung auf die Illegalität des Glücksspiels zurückzufordern, sei rechtsmissbräuchlich.

Gegen den am 18.03.2021 zugestellten Beschluss hat der Antragsteller unter dem 16.04.2021 (Eingang beim Beschwerdegericht am 19.04.2021) sofortige Beschwerde erhoben. Mit Beschluss vom 20.05.2021 hat das Landgericht der Beschwerde nicht abgeholfen und die Sache dem Oberlandesgericht zur Entscheidung vorgelegt.

B.

OLG Hamm 12 W 13/21

Die sofortige Beschwerde ist gemäß § 127 Abs. 2 Satz 2 ZPO zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden.

Dem Antragsteller ist auf seinen Antrag gemäß §§ 114ff. ZPO Prozesskostenhilfe zu gewähren. Entgegen der Auffassung des Landgerichts bietet die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg und erscheint nicht mutwillig, § 114 Satz 1 letzter Halbsatz ZPO.

I.

Die Prozesskostenhilfe ist dem Antragsteller bereits zu gewähren, weil nicht hinreichend geklärte und in der Instanzrechtsprechung umstrittene schwierige Rechtsfragen nicht im Prozesskostenhilfeverfahren entschieden werden, sondern vielmehr einer Klärung in einem ordentlichen Prozess zugeführt werden sollen.

Das Prozesskostenhilfeverfahren will den Rechtsschutz, den der Rechtsstaatsgrundsatz erfordert, nämlich nicht selbst bieten, sondern soll ihn erst zugänglich machen (BVerfG NJW 1991, 413; 2016, 3228, 3229 – beckonline). In der Instanzrechtsprechung ist es höchst umstritten, ob die Kondiktionssperre des § 817 S. 2 BGB in Fällen wie dem vorliegenden ebenso teleologisch reduziert werden sollte, wie der BGH es durch eine “schutzzweckorientierte Einschränkung” bei den sogenannten Schenkkreisen annimmt.

Die Instanzgerichte nehmen zum Teil eine teleologische Reduktion an, weil die Intention des § 4 Abs. 4 GlüStV a.F. unterlaufen würde, wenn die getätigten Spieleinsätze kondiktionsfest wären

(LG Gießen, Urt. v. 25.01.2021 – 4 O 84/20 -, BeckRS 2021, 7521;

LG Paderborn, Urteil vom 08.07.2021 – 4 O 323/20 -, BeckRS 2021, 20723 – zit. n. beckonline).

Indes gibt es ebenfalls Entscheidungen, die eine Vergleichbarkeit mit der vom BGH entschiedenen Konstellation ablehnen, weil beim Glücksspiel der Spieler regelmäßig zumindest mit bedingtem Vorsatz handeln würde und auch weil dem Schneeballsystem immanent sei, dass es nicht aufgehen könne, beim Glücksspiel Gewinne aber möglich seien

(LG München I, Urteil vom 13.04.2021 – 8 O 16058/20 -, BeckRS 2021, 11488;

LG Duisburg, Urteil vom 19.10.2016 – 3 O 373/14 -, BeckRS 2016, 140146 – zit. n. beckonline).

Angesichts dieser höchstrichterlich noch zu klärenden Rechtsfrage darf eine Entscheidung in dieser Sache nicht in das Prozesskostenhilfeverfahren vorverlagert werden.

II.

OLG Hamm 12 W 13/21

Zwar bedarf es damit an dieser Stelle keiner abschließenden Einschätzung, ob der Rechtsstandpunkt des Antragstellers auf der Grundlage seiner Sachdarstellung und der zu den Akten gereichten Anlagen vertretbar ist. Bei einer solchen Beurteilung wären indes die nachfolgenden Erwägungen von Belang:

1.

Das Landgericht geht zu Recht von seiner Zuständigkeit aus.

Die internationale Zuständigkeit des Landgerichts Bochum folgt aus Art. 18 Abs. 1 VO (EU) 1215/2012 (Brüssel Ia-VO/EuGVVO). Der Antragsteller ist im Hinblick auf den hier gegenständlichen Sachverhalt Verbraucher im Sinne von Art. 17 Abs. 1 EuGVVO. Danach ist Verbraucher eine Person, die den betreffenden Vertrag zu einem Zweck geschlossen hat, der nicht der beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit dient. Unzweifelhaft ist vorliegend keiner dieser Zwecke einschlägig, so dass der Antragsteller als Verbraucher zu behandeln ist.

Die Anwendbarkeit deutschen Rechts folgt aus Art. 6 Abs. 1 Rom-I-VO, wonach bei Verträgen mit Verbrauchern das Recht des Staates anzuwenden ist, in dem der Verbraucher seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, vorliegend Deutschland.

2.

Zutreffend geht das Landgericht weiter davon aus, dass der Antragsteller einen Rückzahlungsanspruch gem. § 812 Abs. 1 Satz 1 1. Var. BGB hat, da er seine Spieleinsätze bei der Antragsgegnerin ohne rechtlichen Grund getätigt hat.

Denn der Vertrag über die Teilnahme an dem von ihr betriebenen Online-Glücksspiel war gem. § 134 BGB i. V. m. § 4 Abs. 4 GlüStV a.F. nichtig. Danach ist das Veranstalten und Vermitteln öffentlicher Glücksspiele im Internet verboten. Die Antragsgegnerin hat gegen diese Verbotsnorm verstoßen, indem sie ihr Onlineangebot auch Spielteilnehmern aus Nordrhein-Westfalen, vorliegend dem Antragsteller, zugänglich gemacht hat.

OLG Hamm 12 W 13/21

Das Internetverbot des § 4 Abs. 4 GlüStV a.F. steht in Einklang mit Unionsrecht (BGH, Urteil vom 28.09.2011, MDR 2012, 350; BVerwG, Urteil vom 26.10.2017, BVerwGE 160, 193). Zwar besteht nach der Neuregelung des GlüStV 2021 die Möglichkeit der Erlaubnis für öffentliche Glücksspiele im Internet, § 4 Abs. 4 Satz 1 GlüStV 2021. Dass der Antragsgegnerin eine derartige Erlaubnis für den Betrieb von Online-Casinos erteilt worden ist, trägt sie jedoch nicht vor.

Ohne entsprechende Erlaubnis sind das Veranstalten und das Vermitteln öffentlicher Glücksspiele im Internet weiterhin verboten, § 4 Abs. 4 Satz 2 GlüStV 2021. Im Übrigen ist für die Frage der Nichtigkeit eines Vertrages gem. § 134 BGB auf den hier maßgeblichen Zeitraum 2017 – 2019 abzustellen, da sich die Wirksamkeit eines Rechtsgeschäftes grundsätzlich nach dem zum Zeitpunkt seiner Vornahme geltenden Recht richtet

(BGH GRUR 2012, 1050, Rn. 21; BGH WM 2003, 1131;

OLG Düsseldorf NJW-RR 1993, 249, 250).

Im Fall der nachträglichen Aufhebung eines Verbotsgesetzes ist anerkannt, dass die Nichtigkeit eines Rechtsgeschäfts, das zuvor unter Verstoß gegen das aufgehobene Gesetz abgeschlossen wurde, hiervon grundsätzlich unberührt bleibt (BGH NJW 2008, 3069, Rn. 14; NJW-RR 1997, 641, 642).

Etwas anderes kommt ausnahmsweise nur dann in Betracht, wenn das Rechtsgeschäft gerade in der Erwartung und für den Fall geschlossen wird, dass das Verbotsgesetz aufgehoben werden wird (BGH WuM 2007, 440). Diese Voraussetzungen liegen indes ersichtlich nicht vor.

3.

Allerdings wäre zu erwägen, ob dem Anspruch des Antragstellers die Kondiktionssperre gemäß § 817 Satz 2, 2. Hs. BGB entgegensteht. Danach ist eine Rückforderung ausgeschlossen, wenn dem Leistenden gleichfalls ein Gesetz- oder Sittenverstoß zur Last fällt.

a) Der BGH hat – nach der von der Antragsgegnerin angeführten Entscheidung des OLG Celle vom 20.03.1996 – eine teleologische Reduktion der Kondiktionssperre bereits für die nach einem Schneeballsystem organisierten “Schenkkreise” angenommen und hält dort eine “schutzzweckorientierte Einschränkung” für geboten, und zwar auch für den Fall, dass sich der Leistende der Einsicht der Sittenwidrigkeit möglicherweise leichtfertig verschlossen hat.

Er hat dazu ausgeführt, dass die Kondiktionssperre nicht dazu führen dürfe, dass die Initiatoren der “Spiele”, die mit sittenwidrigen Methoden erlangten Gelder im Ergebnis behalten dürften (BGH NJW 2006, 45, Rn. 12).

Auch innerhalb der Leistungskondiktion sei der Schutzzweck der jeweiligen nichtigkeitsbegründenen Norm maßgebend, der nicht konterkariert werden dürfe (BGH NJW 2008, 1942, Rn. 10).

Die Entscheidung des BGH vom 30.07.1968 (BeckRS 1968, 31177398) spricht nicht gegen eine grundsätzliche Einschränkung der Kondiktionssperre für den Bereich der Online-Glücksspiele, da es bei der dortigen Entscheidung auf den Schutzzweck des hier maßgeblichen § 4 Abs. 4 GlüStV a.F. nicht ankam.

OLG Hamm 12 W 13/21

b) Sofern es einer Prüfung der Voraussetzungen des § 817 Satz 2 BGB im hier konkret zur Entscheidung dann noch ankommt, wäre die bereicherte Antragsgegnerin diesbezüglich darlegungs- und beweisbelastet, die sich auf die rechtshindernde Einwendung der Kondiktionssperre beruft. Zu diesen Voraussetzungen gehört auch das vorsätzliche Handeln auf Seiten des Leistenden.

Der Antragsteller hat in diesem Zusammenhang vorgetragen, dass ihm die Illegalität seines Handelns nicht bewusst war, wobei sich durchaus die Frage stellt, ob er sich einer diesbezüglichen Einsicht möglicherweise leichtfertig verschlossen hat und letztlich ein bedingter Vorsatz anzunehmen wäre.

Die beweisbelastete Antragsgegnerin hat zur Kenntnis des Antragstellers auf Medienberichte zur Frage der Legalität der Online-Glücksspiele, die allerdings weitestgehend erst ab Oktober 2017 erschienen sind, und ihre AGB verwiesen.

Zu den subjektiven Voraussetzungen des § 817 Satz 2, 2. Hs. BGB gehört auch die Zurechnungsfähigkeit des Leistenden. Wenn eine Partei die an eine bewusste Zuwiderhandlung gegen das Verbotsgesetz geknüpfte Rechtsfolge der Verwirkung seines Rückforderungsrechts treffen soll, so ist es notwendig, dass ihm die verbotswidrige Handlung auch zugerechnet werden kann.

Eine Handlung kann dem Täter nicht zugerechnet werden, wenn er sie im Zustand der Bewusstlosigkeit oder in einem die freie Willensbestimmung ausschließenden Zustand der krankhaften Störung der Geistestätigkeit vornimmt, § 827 BGB analog (RGZ 105, 270, 272; Sprau in: Palandt, BGB, § 817, Rn. 17; Lorenz in: Staudinger, BGB, § 817, Rn. 23).

Die Darlegungs- und Beweislast für eine fehlende Zurechnungsfähigkeit im Zeitpunkt der jeweiligen Leistung trifft allerdings den Antragsteller als Leistenden (so RGZ 105, 270, 273).

An einem entsprechenden substantiierten Vortrag der mangelnden Zurechnungsfähigkeit des Antragstellers fehlt es insoweit indes ebenso wie an einem diesbezüglichen Beweisantritt.

II.

OLG Hamm 12 W 13/21

Der Rückzahlungsanspruch ist vorliegend allerdings nicht wegen Rechtsmissbräuchlichkeit ausgeschlossen.

Insoweit ist das Landgericht der Auffassung, es sei rechtsmissbräuchlich, sich nach fast drei Jahren, in denen der Antragsteller die Glücksspielangebote der Antragsgegnerin genutzt hat, nunmehr auf deren Illegalität zu berufen.

Es trifft zwar zu, dass ein widersprüchliches Verhalten rechtsmissbräuchlich i.S.v. § 242 BGB sein kann.

Dies gilt insbesondere für die Fälle des “venire contra factum proprium”, wenn also für den anderen Teil ein Vertrauenstatbestand geschaffen worden ist

(vgl. BGHZ 32, 273, 279; BGH NJW 1985, 2589, 2590; 1986, 2104, 2107)

oder wenn andere besondere Umstände die Rechtsausübung als treuwidrig erscheinen lassen (BGHZ 50, 191, 196; 94, 344, 354).

Es muss objektiv das Gesamtbild eines widersprüchlichen Verhaltens vorliegen, weil das frühere Verhalten mit dem späteren unvereinbar ist und die Interessen der Gegenpartei im Hinblick hierauf vorrangig schutzwürdig sind (BGH NJW 2016, 3518, 3520).

Ein Vertrauenstatbestand zugunsten der Antragsgegnerin kann indes schon aufgrund ihres eigenen gesetzeswidrigen Handelns nicht angenommen werden.

Vor diesem Hintergrund erscheinen die Interessen der Antragsgegnerin nicht als vorrangig schutzwürdig i.S.v. § 242 BGB.

Im Übrigen ist auch im Rahmen von § 242 BGB die oben im Zusammenhang mit der teleologischen Reduktion des § 817 Satz 2, 2. Hs. BGB dargelegte Wertung zu beachten.

Darüber hinaus ist im Rahmen der summarischen Prüfung der Erfolgsaussichten der beabsichtigten Klage der nunmehr substantiierte Vortrag des Antragstellers zu dessen pathologischer Spielsucht zu berücksichtigen.

Ein mutmaßlich auf diesem Krankheitsbild beruhendes Verhalten – das Spielen der von der Antragsgegnerin angebotenen Online-Glücksspiele – kann ihm, sofern es festgestellt werden kann, nicht als rechtsmissbräuchlich entgegen gehalten werden.

Aus dem zuletzt genannten Grund kann dem Antragsteller im Übrigen auch nicht vorgehalten werden, er habe seine Bedürftigkeit durch nicht zu akzeptierende Vermögensdispositionen vorwerfbar selbst verschuldet.

Von einem Verschulden des Antragstellers kann in Anbetracht der von ihm dargelegten pathologischen Spielsucht – jedenfalls nach derzeitigem Sach- und Streitstand – nicht ausgegangen werden.

III.

OLG Hamm 12 W 13/21

Hinsichtlich der aus dem Jahr 2017 resultierenden Ansprüche wird die Antragstellerin sich auch nicht ohne weiteres auf die Einrede der Verjährung berufen können.

Die Hemmung der Verjährung gem. § 204 Nr. 14 BGB beginnt bereits mit Veranlassung der Bekanntgabe des erstmaligen Antrags auf Gewährung von Prozesskostenhilfe oder Verfahrenskostenhilfe an den Schuldner.

Wird die Bekanntgabe demnächst nach der Einreichung des Antrags veranlasst, so tritt die Hemmung der Verjährung bereits mit der Einreichung ein.

Wie bei § 167 ZPO handelt es sich bei der Wendung “demnächst” nicht um eine feste Größe, vielmehr kommt es darauf an, inwieweit Verzögerungen in den Verantwortungsbereich des Gläubigers fallen.

Auf die Zustellung selbst kommt es nicht an, da diese zivilprozessual nicht vorgeschrieben ist.

Vorliegend erfolgte die Einreichung des Antrags auf Gewährung von Prozesskostenhilfe mit Schriftsatz vom 17.12.2020 (Eingang bei Gericht am selben Tag).

Die Veranlassung der Bekanntgabe erfolgte unmittelbar zwar erst am 06.01.2021 (Einleitungsverfügung, Bl. 53f. d.A.).

Hier wird aber davon auszugehen sein, dass die Veranlassung “demnächst” erfolgt ist, da der Kammervorsitzende zunächst mit Verfügung vom 22.12.2020 die Prüfung des Übersendungsweges der Einleitungsverfügung nach X durch Nachfrage bei der für Auslandszustellungen zuständigen Rechtspflegerin veranlasste (Bl. 45 d.A.).

Insoweit ist die eingetretene Verzögerung nicht dem Verantwortungsbereich des Antragstellers zuzurechnen.

Im Übrigen beginnt gemäß § 199 Abs. 1 BGB die regelmäßige Verjährungsfrist mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste.

Insoweit kommt es vorliegend auf den Zeitpunkt an, zu dem der Antragsteller Kenntnis von der Illegalität des Online-Glückspiels erlangt hat.

Nach dem – bestrittenen – Vortrag des Antragstellers hatte dieser zunächst keine Kenntnis von der Illegalität des Glücksspiels.

Detaillierte Angaben dazu, wann er die entsprechende Kenntnis erlangt hat, fehlen jedoch bislang. Hierzu werden die Parteien noch weiter vorzutragen haben.

OLG Hamm 12 W 13/21

Schlagworte

Warnhinweis:

Die auf dieser Homepage wiedergegebenen Gerichtsentscheidungen bilden einen kleinen Ausschnitt der Rechtsentwicklung über mehrere Jahrzehnte ab. Nicht jedes Urteil muss daher zwangsläufig die aktuelle Rechtslage wiedergeben.

Einige Entscheidungen stellen Mindermeinungen dar oder sind später im Instanzenweg abgeändert oder durch neue obergerichtliche Entscheidungen oder Gesetzesänderungen überholt worden.

Das Recht entwickelt sich ständig weiter. Stetige Aktualität kann daher nicht gewährleistet werden.

Die schlichte Wiedergabe dieser Entscheidungen vermag daher eine fundierte juristische Beratung keinesfalls zu ersetzen.

Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.

Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.

Es soll auch nicht der falsche Anschein erweckt werden, als seien die veröffentlichten Urteile von der Kanzlei Krau erzielt worden. Das ist in aller Regel nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um einen allgemeinen Auszug aus dem deutschen Rechtsleben zur Information der Rechtssuchenden.

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