OLG Koblenz 8 U 1467/02 Geltendmachung der Erbunwürdigkeit: Beginn der Jahresfrist mit Verkündung eines Strafurteils
Zum Beginn der Jahresfrist der §§ 2340 Abs. 3, 2082 BGB mit Verkündung des Strafurteils.
Tenor OLG Koblenz 8 U 1467/02
Die Berufung des Beklagten gegen das am 17. Oktober 2002 verkündete Urteil der 9. Zivilkammer des Landgerichts Koblenz wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Beklagte.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Dem Beklagten bleibt nachgelassen, die Vollstreckung der Klägerin durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrages abzuwenden, falls nicht die Klägerin vorher in gleicher Höhe Sicherheit leistet.
Die Sicherheitsleistungen können durch schriftliche, unwiderrufliche, unbedingte und unbefristete Bürgschaften von im Inland zum Geschäftsbetrieb befugten Kreditinstituten bewirkt werden.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe OLG Koblenz 8 U 1467/02
I.
Die Klägerin macht nach dem Tod ihrer Mutter, der Ehefrau des Beklagten, dessen Erbunwürdigkeit geltend. Sie ist die einzige Tochter der beiden.
Durch Urteil der 3. Strafkammer des Landgerichts Koblenz vom 15. August 2000 ist der Beklagte wegen am 22. Dezember 1998 begangenen Mordes an seiner Ehefrau zu lebenslanger Freiheitsstrafe verurteilt worden, wobei die besondere Schwere der Schuld festgestellt worden ist. Ebenfalls wegen dieses Mordes sind durch das genannte Urteil die Zeugen C. S., mit der der Angeklagte ein Verhältnis hatte, und deren Zwillingsbruder M. W. zu lebenslangen Freiheitsstrafen verurteilt worden.
In einem handschriftlichen Testament vom 1. September 1998 hatten sich der Beklagte und seine Ehefrau gegenseitig zu Alleinerben eingesetzt.
Die Erbunwürdigkeit des Beklagten stützt die Klägerin sowohl auf den Mordtatbestand als auch auf den Tatbestand der Testamentserschleichung.
Im Übrigen wird auf die tatsächlichen Feststellungen in dem angefochtenen Urteil Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 S.1 Nr. 1 ZPO).
Das Landgericht hat der Klage nach der Vernehmung der Zeugen S. und W. sowie der Vernehmung von zwei weiteren von dem Beklagten benannten Zeugen stattgegeben und den Beklagten für erbunwürdig erklärt. Es ist in der Beweiswürdigung den Angaben der Zeugen S. und W. gefolgt und hat die beiden weiteren Zeugen als nicht glaubwürdig angesehen. Verfristet sei die Geltendmachung der Erbunwürdigkeit nicht, da die Jahresfrist der §§ 2340 Abs. 3, 2082 BGB vorliegend erst ab Rechtskraft des Strafurteils zu laufen begonnen habe.
Gegen das Urteil richtet sich die Berufung des Beklagten, mit der er weiterhin Klageabweisung begehrt.
Der Senat hat Beweis erhoben gemäß Beweisbeschluss vom 27. Juni 2003 (Bl. 261, 262 GA). Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift des Senats vom 5. Dezember 2003 (Bl. 277-295 GA) verwiesen.
II.
Die zulässige Berufung des Beklagten ist unbegründet, da er gemäß § 2339 Abs. 1 Nr. 1 BGB erbunwürdig ist.
a) Entgegen der Auffassung des Beklagten ist die Erbunwürdigkeitsklage hinsichtlich des Anfechtungsgrundes des § 2339 Abs. 1 Nr. 1 BGB nicht verfristet.
Die Erbunwürdigkeit des Beklagten war gemäß §§ 2340 Abs. 1 und 3, 2082, 2342 Abs. 1 BGB durch Erhebung der Anfechtungsklage binnen Jahresfrist ab Kenntnis der Klägerin von dem Anfechtungsgrund geltend zu machen.
Die Jahresfrist ist eingehalten worden. Sie begann mit der Verkündung des Strafurteils des Landgerichts Koblenz am 18. August 2002 zu laufen.
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Die erforderliche Kenntnis von dem Anfechtungsgrund, welche die Frist in Gang setzt (§ 2340 Abs. 3, 2082 Abs. 1 BGB) setzt voraus, dass die Klageerhebung zumutbar ist. Wegen der Notwendigkeit der Klageerhebung kann der gemäß § 2341 BGB Anfechtungsberechtigte mit demjenigen verglichen werden, der eine Verjährungsfrist zu unterbrechen hat. Das ist § 2082 Abs. 2 S.2 BGB zu entnehmen.
Der Anfechtende befindet sich in gleicher Lage wie der Geschädigte in § 852 BGB. Der Geschädigte muss den Schaden und die Person des Ersatzpflichtigen, der Anfechtende den Grund der Erbunwürdigkeit und denjenigen kennen, der ihn gesetzt hat. Demgemäß kann bei der Frage nach der Kenntnis der Erbunwürdigkeit die Rechtsprechung zu § 852 BGB a.F. herangezogen werden (BGH NJW 1989, 2314 f.).
852 Abs. 1 BGB a.F. verlangt zwar nicht die Kenntnis des Schadenshergangs in allen Einzelheiten, vielmehr reicht für den Verjährungsbeginn im Allgemeinen eine solche Kenntnis aus, die es dem Geschädigten erlaubt, eine hinreichend ausreichende – wenn auch nicht risikolose – und ihm daher zumutbare Feststellungsklage zu erheben.
Erforderlich ist jedoch, dass der Geschädigte aufgrund seines Kenntnisstandes in der Lage ist, eine auf eine deliktische Anspruchsgrundlage gestützte Schadensersatzklage schlüssig zu begründen (BGH NJW 1994, 3092; 1999, 2734; 2000, 953). Wenn für die Folgen einer unerlaubten Handlung mehrere Ersatzpflichtige in Betracht kommen, beginnt die Verjährung erst mit dem Zeitpunkt, in dem begründete Zweifel über die Person des Ersatzpflichtigen nicht mehr bestehen (BGH NJW 1999, 2734).
Demgemäß war der Klägerin ab Verkündung des landgerichtlichen Strafurteils die Erhebung der Erbunwürdigkeitsklage zumutbar.
Ab diesem Zeitpunkt bestanden aufgrund der Beweiswürdigung des Landgerichts zunächst keine begründeten Zweifel mehr an einer Mittäterschaft des Beklagten. Davor konnten solche wegen der widersprüchlichen Angaben des Beklagten einerseits sowie der Zeugen W. und S. andererseits nicht ausgeschlossen werden.
Ausgehend von einem Fristbeginn am 14. August 2000 ist die Klage noch binnen Jahresfrist erhoben worden. Sie ist am 14. August 2001 beim Landgericht eingereicht worden (Bl. 22 GA). Zugleich ist der Gerichtskostenvorschuss eingezahlt worden, so dass die Jahresfrist unter Berücksichtigung der §§ 270 Abs. 3 ZPO, 188 Abs. 2 BGB eingehalten wurde.
Auf die Einreichung des Prozesskostenhilfeantrages am 29. März 2001 (Bl. 1 GA) kann für die Klageeinreichung nicht abgestellt werden, da dem Antrag lediglich ein Klageentwurf beigefügt war.
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b) Hinsichtlich des Anfechtungsgrundes gemäß 2339 Abs. 1 Nr. 3 BGB (Erschleichen des gemeinschaftlichen Testaments) ist die Klage allerdings verfristet, da bereits kurze Zeit nach dem Mord nicht mehr zweifelhaft war, dass der Beklagte bis zu der Tat ein Verhältnis mit der Zeugin S. hatte und die Einreichung der Klage am 14. August 2001 insoweit nicht mehr rechtzeitig war.
Nach Durchführung der Beweisaufnahme hat der Senat keinerlei Zweifel, dass der Erbunwürdigkeitsgrund des § 2339 Abs. 1 Nr. 1 BGB bei dem Beklagten vorliegt.
Die Zeugen W. und S. haben übereinstimmend bekundet, dass der Tatplan für den Mord an der Mutter der Klägerin von dem Beklagten stammt und der Mord auf die Initiative des Beklagten hin von dem Zeugen W. ausgeführt wurde.
Beide Zeugen hinterließen einen glaubwürdigen Eindruck. Bedenken gegen die Glaubhaftigkeit ihrer Aussagen haben sich nicht ergeben. Sie waren während ihren Vernehmungen von dem Geschehenen emotional stark berührt und ersichtlich bemüht, die Tatplanung und den Tatablauf wahrheitsgemäß zu schildern.
Dabei war auch nicht ansatzweise erkennbar, dass sie den Versuch unternehmen wollten, von ihrem eigenen Fehlverhalten durch unberechtigte Schuldzuweisungen gegen den Beklagten abzulenken. Vielmehr haben beide uneingeschränkt zu ihrer eigenen Schuld gestanden. Seine im polizeilichen Ermittlungsverfahren abweichenden Darstellungen hat der Zeuge W. überzeugend mit dem Hinweis begründet, dass er seine Schwester anfangs habe raushalten wollen, damit diese zu ihren Kindern habe zurückkehren können. Auch die Zeugin S. hat ihre ihren eigenen Tatbeitrag bestreitende Darstellung im polizeilichen Ermittlungsverfahren als falsch eingeräumt.
Durch die Aussagen der weiteren Zeugen ist die Richtigkeit der Angaben der Zeugen W. und S. nicht erschüttert worden.
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Der Zeuge V. hat die von dem Beklagten in das Wissen des Zeugen gestellte Behauptung, der Zeuge W. habe dem Zeugen V. in der JVA W. erklärt, dass der Beklagte unschuldig sei, nicht bestätigt. Er hat bekundet, er wisse nichts davon, dass der Zeuge W. ihm gesagt haben solle, der Beklagte habe nichts mit der Tat zu tun.
Die Zeugen G. und M. haben berechtigterweise von ihrem Zeugnisverweigerungsrecht gemäß § 384 Nr. 2 ZPO Gebrauch gemacht, da gegen sie im Hinblick auf ihre Zeugenaussagen in diesem Verfahren vor dem Landgericht ein Strafverfahren vor dem Amtsgericht Koblenz anhängig ist.
Die von dem Prozessbevollmächtigten des Beklagten angeregte Verwertung der erstinstanzlichen Aussagen der Zeugen G. und M. im Urkundenbeweis ist nicht zulässig. Das Landgericht hat beide Zeugen als unglaubwürdig angesehen. Macht aber ein vom Erstgericht als unglaubwürdig angesehener Zeuge in der Berufungsinstanz von seinem Aussageverweigerungsrecht Gebrauch, so ist das Berufungsgericht an einer abweichenden Beurteilung der erstinstanzlichen Aussage gehindert (OLG Hamm OLGR 1996, 224; Zöller-Greger, ZPO, 23. Aufl., § 383 Rn. 6). Die erforderliche Glaubwürdigkeitsbeurteilung könnte aus den Sitzungsniederschriften nicht vorgenommen werden. Sie verstieße auch gegen den Grundsatz der Beweisunmittelbarkeit (Zöller-Greger a.a.O. § 373 Rn. 9).
Eine Aussetzung des Verfahrens nach § 149 ZPO mit dem Ziel, die Zeugen G. und M. nach Abschluss des genannten Strafverfahrens erneut zu vernehmen, kam nicht in Betracht. Die Vorschrift bezweckt in erster Linie, dem Zivilrichter die weitergehenden Erkenntnismöglichkeiten des Strafverfahrens für seine Beweiswürdigung und damit für seine Entscheidung nutzbar zu machen. Daneben sollen widersprüchliche Entscheidungen vermieden werden.
Dagegen findet die Vorschrift keine Anwendung, wenn der Abschluss des Strafverfahrens erst die Vernehmung der davon betroffenen Zeugen ermöglichen soll. Eine solche Aussetzung würde dem Schutzzweck des § 149 ZPO nicht gerecht. Um sie zu rechtfertigen, bedürfte es vielmehr einer Vorschrift, welche die Aussetzung immer dann erlaubt, wenn ein die Wahrheitsermittlung behinderndes oder erschwerendes Beweiserhebungs- oder -verwertungsverbot in absehbarer Zeit entfallen könnte.
Eine Vorschrift solchen Inhalts kennt die ZPO nicht. Insbesondere rechtfertigt der Schutzzweck des § 149 ZPO nicht, die Aussetzung nur deshalb zu ermöglichen, weil der Fortfall eines Beweiserhebungs- oder -verwertungsverbotes als Ergebnis eines Strafverfahrens erwartet wird (KG MDR 1983, 139; Zöller/Greger, ZPO, 24. Aufl., § 384 Rn. 6; B/L/A/H, ZPO, 61. Aufl., § 149 Rn. 6).
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Auch die von dem Beklagten angeführten angeblichen Widersprüche vermögen die Glaubwürdigkeit der Zeugen W. und S. und die Glaubhaftigkeit ihrer Aussagen nicht zu erschüttern. Die Widersprüche sind nicht vorhanden.
Es ist nirgendwo festgestellt, dass der Mordauftrag von dem Beklagten nur zu einem Zeitpunkt erteilt worden sein kann, zu dem er sich in Kanada aufgehalten hat.
Der Umstand, dass die Zeugin S. über Person und Umfeld der Ermordeten informiert war, schließt nicht aus, dass gleichwohl der Beklagte den Mordauftrag erteilt hat.
Die Abweichungen in ihren Einlassungen im polizeilichen Ermittlungsverfahren zu dem sich anschließenden Straf- und dem vorliegenden Zivilverfahren haben die Zeugen W. und S. hinreichend erläutert.
Die von der Polizei erstellte Weg- und Zeitberechnung widerspricht nicht dem festgestellten Tatablauf. Danach ist der Beklagte am Tattag nach 18.00 Uhr von der … Bank C. nicht noch einmal nach Hause, sondern unmittelbar zu der Feier nach B. gefahren (Bl. 20, 21 des Strafurteils).
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergeht aufgrund der §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
Die Revision war nicht zuzulassen. Die Rechtssache hat weder grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts (§ 543 Abs. 2 S.1 ZPO).
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 33.233,97 EUR festgesetzt.
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Durch die schlichte Anfrage kommt noch kein kostenpflichtiges Mandat zustande.