OLG München, Beschluss vom 27.03.2017 – 34 Wx 46/17

Juli 29, 2021

OLG München, Beschluss vom 27.03.2017 – 34 Wx 46/17

Tenor
I. Die Beschwerde gegen den Beschluss des Amtsgerichts Ebersberg – Grundbuchamt – vom 9. Januar 2017 wird zurückgewiesen.

II. Der Geschäftswert des Beschwerdeverfahrens wird auf 1.000 € festgesetzt.

Gründe
I.

Der Beteiligte, Neffe einer früheren Miteigentümerin von Grundbesitz, beantragte am 1.4.2016 beim Nachlassgericht und Grundbuchamt Auskunft über den Ablauf und die Übergabe der Grundstücke zu erteilen. Da die im Jahr 1988 verstorbene Tante kinderlos geblieben sei, habe er ein Interesse daran, möglichst viel in Erfahrung zu bringen unter anderem über die Besitz- und Übergangsregelungen beim Kauf im Jahr 1939 sowie nach dem Tod des Onkels im Jahr 1996. Als direkter Familienangehöriger habe er ein – nicht nur familiengeschichtliches – berechtigtes Interesse an der Beantwortung der gestellten Fragen. Dass seine Nachfragen bei Verwandten abgeblockt worden seien, werfe ernsthafte Fragen nach dem Ablauf der Übergabe des Anwesens und der Grundstücke auf.

Das Nachlassgericht erteilte am 12.8.2016 die von ihm begehrte Auskunft aus den Nachlassakten. Das Grundbuchamt wies den Beteiligten mehrfach, unter anderem mit Schreiben vom 19.7.2016 darauf hin, dass sich die Voraussetzungen für die Einsicht in Grundbücher und Grundakten nach § 12 GBO nicht schon aus einer verwandtschaftlichen Beziehung ergeben, sondern entsprechende Gründe darzulegen seien. Dagegen macht der Beteiligte unter anderem geltend, um sein Anliegen beantwortet zu erhalten, genüge die Einsicht in die Grundbücher mit dem Stand zu den exakt bekannt gegebenen Zeitpunkten. Als Bürger habe er ein Anrecht darauf für berechtigte Anliegen auch entsprechende vollständige und korrekte Auskünfte zu erhalten. Einen erneuten Verweis auf einen angeblich fehlenden Berechtigungsgrund werde er nicht hinnehmen. Nach erneuter Ablehnung der Auskunft mit Schreiben des Grundbuchamts vom 28.10.2016 und 17.11.2016 unter Hinweis auf die fehlende Darlegung des berechtigten Interesses machte der Beteiligte unter anderem mit Schreiben vom 23.11.2016 geltend, dass seine Forderung nach einer Kopie des Kaufvertrags aus dem Jahr 1939 sowie von Auszügen des Grundbuchs aus den Jahren 1939 und 1946 keinerlei Interessen von heutigen Rechtsinhabern tangiere. Er könne aus § 12 GBO keinerlei Einschränkungen sehen, die das Grundbuchamt zur Verweigerung der Auskünfte berechtigen würden.

Daraufhin hat die Rechtspflegerin beim Grundbuchamt mit Beschluss vom 9.1.2017 den Antrag auf Grundbucheinsicht als unbegründet zurückgewiesen, da verwandtschaftliche Beziehungen keinen Rechtsanspruch auf eine Grundbucheinsicht nach § 12 GBO geben, selbst wenn die betroffenen Vorgänge schon länger zurückliegen. Ein dingliches Recht am fraglichen Grundbesitz werde nicht geltend gemacht.

Dagegen wendet sich die Beschwerde des Beteiligten vom 19.1.2017. Es gehe nicht darum, den Erwerbsvorgang aus dem Jahr 1939 zu überprüfen. Es gehe insofern aus rein persönlichem Interesse um vorherige Wohnadressen der Verwandten, das Datum des Eigentumsübergangs sowie darum, ob der Verkäufer gegebenenfalls mit der Familie verwandt sei. Zudem seien die gebürtigen Angehörigen über die nach dem Tod der Tante erfolgten Übernahmen von Grundstücken bis heute nicht informiert worden. Aus seinen Schreiben sei deutlich zu erkennen, dass die Informationen nicht der Befriedigung von Neugier dienten und auch keine unbefugten Zwecke verfolgten und aktuelle Eintragungen im Grundbuch nicht berührt würden.

Das Grundbuchamt hat der Beschwerde nicht abgeholfen.

II.

1. Nur soweit über die Versagung von Grundbucheinsicht durch den Rechtspfleger (§ 3 Nr. 1 Buchst. h RPflG) im Grundbuchverfahren entschieden wurde und nicht das Verwaltungsverfahren eröffnet ist, ist die Beschwerde statthaft (§ 11 Abs. 1 RPflG mit § 71 Abs. 1 GBO; § 12c Abs. 4 Satz 2 GBO).

Ein berechtigtes Interesse an der Einsicht des Grundbuchs i. S. v. § 12 Abs. 1 GBO ist nach der Rechtsprechung nur gegeben, wenn ein verständiges, durch die Sachlage gerechtfertigtes Interesse des Antragstellers dargetan wird, das sich zwar nicht auf ein bereits vorhandenes Recht oder konkretes Rechtsverhältnis stützen muss, sondern auch mit einem (beispielsweise) wirtschaftlichen Interesse begründet werden kann (OLG Oldenburg Rpfleger 2014, 131; Schreiner Rpfleger 1980, 51). Wird jedoch die Grundbucheinsicht aus sonstigen, etwa wissenschaftlichen, historischen oder familiären Gründen begehrt, begründet dies keinen Rechtsanspruch auf Grundbucheinsicht nach § 12 GBO (Schreiner Rpfleger 1980, 51/52; KEHE/Keller GBO 7. Aufl. § 12 Rn. 5). Über solche Begehren ist eine Entscheidung nur im Verwaltungsweg nach Nr. 3.4.3.1 BayGBGA durch den zuständigen Gerichtsvorstand zu treffen, gegen die der Rechtsweg des § 71 GBO nicht offen steht (Meikel/Böttcher § 12 Rn. 65, Schneider Rpfleger 1980, 51, 52).

Dem Beteiligten geht es jedenfalls nicht nur um Fragen, die den öffentlichen Glauben des Grundbuchs betreffen, denn er macht auch geltend aus rein persönlichem Interesse sei ihm Auskunft zu erteilen zur Klärung von vorherigen Wohnadressen der Verwandten sowie zur Frage, ob der Verkäufer gegebenenfalls mit der Familie verwandt sei. Insofern wäre daher über die Einsicht zum Teil im Rahmen des Verwaltungsweges zu entscheiden, Nr. 3.4.3.1 BayGBGA (vgl. auch KEHE/Keller GBO 7. Aufl. § 12 Rn. 8; Meikel/Böttcher GBO 11. Aufl. § 12 Rn 63).

2. Die Verfahren nach § 12 GBO einerseits und nach Nr. 3.4.3.1. BayGBGA sollen nicht nebeneinander möglich sein (Meikel/Böttcher § 12 Rn. 63). Ob es Fälle gibt, in denen der Antrag auf Einsicht nicht auf § 12 GBO einerseits und auf Nr. 3.4.3.1 BayGBGA andererseits gestützt werden kann, kann dahinstehen. Im vorliegenden Fall macht der Beteiligte unterschiedliche Gründe für sein Begehren geltend; er will zudem in unterschiedliche Unterlagen Einsicht nehmen. In einem solchen Fall ist nicht ersichtlich, dass dem Antragsteller das Rechtsschutzbedürfnis für einen der Anträge fehlen würde. Es kann nicht erwartet werden, dass der Antragsteller selbst nach den Gründen seines Begehrens unterscheidet und rechtliche Bewertungen vornimmt; die Prüfung, welches Verfahren das zutreffende ist, ist Sache des Gerichts. Ist für einen Teil des Einsichtsbegehrens das Grundbuchamt nach § 12 GBO, einen anderen Teil hingegen der Amtsgerichtsdirektor nach Nr. 3.4.3.1 BayGBGA zuständig, so kann das Gericht die Verfahren so gestalten, dass über beide Anträge entschieden wird.

a) Soweit der Beteiligte vorbringt, nicht nur ein familiengeschichtliches Interesse zu verfolgen und dies damit begründet, dass die Angehörigen über die nach dem Tod der Tante erfolgten Übernahmen von Grundstücken bis heute nicht informiert worden seien, hat das Grundbuchamt dies als Einsichtsbegehren nach § 12 GBO behandelt. Der Senat kann ebenfalls nicht ausschließen, dass der Beteiligte insofern rechtliche Interessen geltend machen will. Gegen die Entscheidung ist daher die Beschwerde statthaft und auch formgemäß nach § 73 GBO eingelegt.

b) Wenngleich die Zurückweisung des Antrags allein die Beschwerdeberechtigung nicht begründet, eine formelle Beschwer also nicht ausreicht (Demharter GBO 30. Aufl. § 71 Rn. 59 m. w. N.), so genügt es im Rahmen der Zulässigkeitsprüfung nach vorherrschender Ansicht jedoch, dass der Adressat der Entscheidung geltend machen kann, durch diese in seiner Rechtsstellung unmittelbar oder mittelbar beeinträchtigt zu sein, sofern die angefochtene Entscheidung in der behaupteten Weise unrichtig wäre und er deshalb ein rechtliches Interesse an ihrer Beseitigung hat (BGHZ 80, 126/127; Hügel/Kramer GBO 3. Aufl. § 71 Rn. 213; Budde in Bauer/von Oefele GBO 3. Aufl. § 71 Rn. 62 m. w. N.).

3. Eine Differenzierung, in welchem Umfang für das Ersuchen der Direktor des Amtsgerichts im Verwaltungs Weg nach Nr. 3.4.3.1 BayGBGA zu entscheiden hätte, kann unterbleiben, da das Grundbuchamt jedenfalls zutreffend die Einsicht nach § 12 GBO verweigert hat.

a) Gemäß § 12 Abs. 1 GBO ist jedem die Einsicht in das Grundbuch und die in diesem in Bezug genommenen Urkunden sowie in die noch nicht erledigten Eintragungsanträge zu gestatten, der ein berechtigtes Interesse darlegt; gemäß § 12 Abs. 2 GBO besteht in diesem Umfang auch ein Anspruch auf Erteilung von Abschriften. Diese Rechte umfassen unter den gleichen Voraussetzungen auch Teile der Grundakten (vgl. Demharter § 12 Nr. 2); im übrigen ist die Einsicht in Grundakten bei Darlegung eines berechtigten Interesses nach § 46 Abs. 1 und 3 GBV möglich.

Ein berechtigtes Interesse an der Einsicht des Grundbuchs i. S. v. § 12 Abs. 1 GBO ist nach der Rechtsprechung gegeben, wenn ein verständiges, durch die Sachlage gerechtfertigtes Interesse des Antragstellers dargetan wird, das sich im Unterschied zum rechtlichen Interesse nicht auf ein bereits vorhandenes Recht oder konkretes Rechtsverhältnis stützen muss, sondern auch mit einem (beispielsweise) wirtschaftlichen Interesse begründet werden kann (OLG Oldenburg Rpfleger 2014, 131; Schreiner Rpfleger 1980, 51). Dabei genügt allerdings nicht jedes beliebige Interesse des Antragstellers. Entscheidend ist vielmehr in der Regel das Vorbringen sachlicher Gründe, welche die Verfolgung unbefugter Zwecke oder bloßer Neugier ausgeschlossen erscheinen lassen. In Zweifelsfällen ist zu berücksichtigen, dass der in seinem informationellen Selbstbestimmungsrecht Betroffene grundsätzlich vor der Gewährung der Einsicht nicht gehört wird (BVerfG NJW 2001, 503/506) und ihm gegen die erteilte Einsicht auch kein Beschwerderecht zusteht (BGHZ 80, 126). In diesem Zusammenhang sind die berechtigten Belange des Antragstellers gegen das Interesse des Eigentümers abzuwägen, eine Einsicht in das Grundbuch und ggf. die Grundakten zu verhindern (OLG Düsseldorf FGPrax 2015, 199).

Die Beurteilung, ob ein Recht zur Einsicht besteht, unterliegt nicht dem Einsichtsbegehrenden selbst. Vielmehr muss er die Gründe hierfür dem Grundbuchamt nach § 12 Abs. 1 Satz 1 GBO darlegen. Dabei genügen etwa bloße Behauptungen oder schlagwortartige Formulierungen zum Einsichtsgrund nicht (Demharter § 12 Rn. 13). Vielmehr sind Tatsachen in der Weise vorzubringen, dass das Grundbuchamt zu der Überzeugung gelangt, dass der Antragsteller ein verständiges, durch die Sachlage gerechtfertigtes Interesse verfolgt (BayObLG Rpfleger 1983, 272; Hügel/Wilsch § 12 Rn. 7).

b) Das Vorbringen des Antragstellers genügt den Anforderungen des § 12 GBO in keinster Weise. Sein Vortrag erschöpft sich in Behauptungen wie der, dass er als Angehöriger der Verstorbenen die Übergangsregelungen in Erfahrung bringen wolle, dass er über die nach ihrem Tod erfolgten Übernahmen von Grundstücken bis heute nicht informiert worden sei und dass er von anderen Familienangehörigen keine Auskünfte erhalten habe. Daraus lässt sich jedoch ein konkretes Rechtsverhältnis oder ein wirtschaftliches Interesse im Hinblick auf den Grundbesitz nicht erschließen. Auch aus der Erklärung, dass er nicht seine Neugier befriedigen wolle, können keine Schlüsse auf ein Einsichtsrecht gezogen werden. Ein Grund wäre nur im Sinne von § 12 Abs. 1 GBO dargelegt, wenn aus dem Vortrag des Beteiligten der zur Entscheidung Berufene von sich aus feststellen könnte, dass die Anfrage nicht der Befriedigung von Neugier dient.

Im übrigen steht der Vortrag, dass durch die von ihm verlangten Informationen die Rechte von heutigen Rechtsinhabern nicht tangiert würden, im Widerspruch dazu, dass der Beteiligte in seinem Antrag anführt, dass das Abblocken seiner Fragen durch die jetzigen Rechtsinhaber “ernsthafte Fragen nach dem Ablauf und Übergabe des Anwesens” aufwerfe.

III.

1. Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst (vgl. §§ 22, 25 Abs. 1 GNotKG).

2. Den Geschäftswert hat der Senat nach § 79 Abs. 1 i. V. m. § 36 Abs. 1 GNotKG bestimmt und ihn mit dem bezeichneten Betrag geschätzt.

3. Die Voraussetzungen für die Zulassung der Rechtsbeschwerde (§ 78 Abs. 2 GBO) liegen nicht vor.

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Die auf dieser Homepage wiedergegebenen Gerichtsentscheidungen bilden einen kleinen Ausschnitt der Rechtsentwicklung über mehrere Jahrzehnte ab. Nicht jedes Urteil muss daher zwangsläufig die aktuelle Rechtslage wiedergeben.

Einige Entscheidungen stellen Mindermeinungen dar oder sind später im Instanzenweg abgeändert oder durch neue obergerichtliche Entscheidungen oder Gesetzesänderungen überholt worden.

Das Recht entwickelt sich ständig weiter. Stetige Aktualität kann daher nicht gewährleistet werden.

Die schlichte Wiedergabe dieser Entscheidungen vermag daher eine fundierte juristische Beratung keinesfalls zu ersetzen.

Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.

Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.

Es soll auch nicht der falsche Anschein erweckt werden, als seien die veröffentlichten Urteile von der Kanzlei Krau erzielt worden. Das ist in aller Regel nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um einen allgemeinen Auszug aus dem deutschen Rechtsleben zur Information der Rechtssuchenden.

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